Gestern im Rathaus: Haushaltszoff und zwischendurch die HU-Nachrichten lesen

Wichtige Informationsquelle auch während angespannter Debatten: CDU-Gemeindevertreter Mariano Cordova liest während der Sitzung die HU-Nachrichten, macht sich Notizen
Wichtige Informationsquelle auch während angespannter Debatten: CDU-Gemeindevertreter Mariano Cordova liest während der Sitzung die HU-Nachrichten, macht sich Notizen

Hitzige Finanzdebatte gestern im Rathaus. Die Verwaltung legte einen Haushaltsentwurf für das schon laufende Jahr vor, die Politiker waren auf Zinne. Aufreger Nummer eins: Die Personalausgaben. Laut Verwaltungsvorlage sinken diese im Vergleich zum Haushaltsansatz des Vorjahres, gleichzeitig sollen aber zahlreiche neue Stellen geschaffen werden. SPD-Vetreterin Edda Lessing stutzte: „Mehr Personal aber weniger Kosten, das ist ein Widerspruch.“ CDU-Gemeindevertreter Folker Brocks, gleichzeitig Vorsitzender des Finanzausschusses warf der Rathausführung Haushaltstricksereien vor: „Die Personalausgaben sind kleingerechnet, später werden die uns voll erwischen.“

Aufreger Nummer zwei: Die Ausgaben für die bauliche Unterhaltung von Straßen und Gebäuden. Die Verwaltung in ihrer Vorlage: „Die Ausgaben für die Unterhaltung des unbeweglichen Vermögens liegen mit 768.900 EUR (Vorjahre 1.152.400/1.188.611 EUR) deutlich unter dem Niveau der Jahre 2014 und 2013. Je nach Einordnung der Prioritäten und Notwendigkeiten werden für diese beiden Ausgabengruppen spätestens im Nachtragshaushalt zusätzliche Mittel zu berücksichtigen sein.“

Kopfschütteln bei den Kommunalpolitikern,  BFB-Ausschussmitglied Thomas Lendt nannte das Zahlenwerk gewürfelt, rügte: „Ein Haushalt muss realistisch beschrieben sein.“

Wie parierte die Verwaltung die Anwürfe aus den Reihen der Kommunalpolitiker? Rathausamtsleiter Jens Richter sagte, neue Stellen würden erst Ende des Jahres besetzt, müssten deswegen noch nicht im Haushalt auftauchen. Kämmerin Bärbel Brix rechtfertigte die gekürzten Ausgaben für die bauliche Unterhaltung mit alternativen Möglichkeiten des Umgangs mit Straßen und Gebäuden. Die Haushaltsexpertin: „Entweder ich gehe früh ran, oder ich lasse erst mal etwas ordentlich kaputtgehen, es gibt da einen Spielraum.“ Langfristig, so Brix müsse der Etat für Instandsetzung aber erhöht werden.

An einer Stelle passiert das tatsächlich jetzt schon. Uwe Köhlmann-Thater (WHU) war eine Haushaltsposition mit jährlich steigenden Unterhaltungskosten aufgefallen, wollte wissen, was es damit auf sich habe. Bauamtsleiter Jörn Mohr antwortete von den Zuschauerplätzen aus: „Das ist das PPP-Projekt.“ Dort sei vertraglich eine jährliche Steigerung vereinbart worden, die sich am Baukostenindex orientiere. Über die in öffentlich-privater Partnerschaft gebaute Grundschule ‚Lütte School‘ hatten die HU-Nachrichten zuletzt vor zwei Wochen berichtet.

Der Haushaltsentwurf ist mehrere hundert Seiten stark, nacheinander wurde das Zahlenwerk Blatt für Blatt durchgegangen. Nach zwei Stunden dann der Showdown zwischen CDU-Schwergewicht Folker Brocks und dem Verwaltungschef. Brocks in die Ausschussrunde: „Habe reichlich Bauschschmerzen beim Paket für die Personalausgaben, sieht für mich nach Flickschusterei aus, sollten alle derzeit nicht besetzten Stellen mit einem Sperrvermerk versehen.“ Der unmittelbare Bauer-Konter: „Dem ist nicht so, das ist seriös gerechnet, wenn Sie noch eine Runde drehen wollen, wird sich daran nichts ändern.“

Gestern setzte sich der Ausschussvorsitzende durch, bis auf die SPD folgten alle Fraktionen dem Antrag des Christdemokraten. Das heißt: Jetzt gibt es ein Nachspiel im für Personalangelegenheiten federführenden Hauptausschuss. Der hatte im Januar grundsätzlich grünes Licht für den Stellenplan 2015 gegeben. Bestätigt das Gremium erneut den Stellenplan, würden im Rathaus erstmals mehr als 100 Personen nur mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt sein.

Klar ist: die zu Jahresanfang angehoben Grund- und Gewerbesteuern haben ganz offenbar nicht zum erhofften haushaltspolitischen Befreiungsschlag geführt, im Januar war darüber hinaus die Hunde- sowie die Vergnügungssteuer erhöht worden. Letztere wird auf Daddelautomaten in Gaststätten oder Spielhallen erhoben. Für einen „Flipper“ etwa kassiert die Gemeinde von Spielhallenbetreibern monatlich 80 Euro.

Am Montag auch auffällig: Nicht nur finanziell, auch ökologisch gibt es noch Nachbesserungsbedarf. Von der Möglichkeit, digital auf die Haushaltsunterlagen zu blicken, machte in der Sitzung kaum jemand Gebrauch, die allermeisten Verwaltungsangestellten und Kommunalpolitiker hatten das schwere Haushaltspaket in Papierform vor sich ausgebreitet.

Die mitgebrachten Tablet-Computer liefen trotzdem heiß, CDU-Vertreter Mariano Cordova informierte sich schon einmal über weitere ausgabeträchtige Projekte der Gemeinde. Er las während der Sitzung den Artikel über 375 Euro für eine Stunde Kinderbetreuung. Wie berichtet leistet sich die klamme Verwaltung eine Kindernotfallbetreuung exklusiv für Gemeindemitarbeiter, bezahlte im vergangenen Jahr 6000 Euro für 16 Betreuungsstunden.

Den Haushalt 2015 soll das Gemeindeparlament im Mai verabschieden.

cm

17. März 2015

One thought on "Gestern im Rathaus: Haushaltszoff und zwischendurch die HU-Nachrichten lesen"

  1. Für 28.000 Einwohner sind im Rathaus 100 Menschen tätig – also 1 Bediensteter für 280 Einwohner. Diese Quote häte jeder in der Agentur für Arbeit auch – da hat man doppelt so viele. Die müssen dann auch noch beraten und vermitteln, was man merken sollte. Ich merke nichts an Verbesserungen, seit die Zahl auf 100 gerstiegen ist. Die Wege werden schlechter und das Verkehrschaos wird auch nicht weniger im Ort, Dafür immer mehr Bebauung und weniger Grünflächen. Saisonal nich völlig zerfahrene Wandewege z.B. im Pinnau-Biotop. Eine Gemeinde mit 100 Mitarbeitern in einer Gemeinde, nicht in einer Stadt – das ist wohl einmalig bei uns.

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