RTL und Deutschlandradio beobachteten die Piraten im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus

Die Kaperfahrt der Kieler Piraten-Landtagsfraktion nach Henstedt-Ulzburg war offenbar erfolgreich – jedenfalls in Bezug auf das Interesse der Medien: Neben den Regionalzeitungen waren auch der Rundfunksender Deutschlandradio und die private Fernsehanstalt RTL ins Bürgerhaus gekommen, um über die erste öffentliche Fraktionssitzung der Piratenpartei im Lande zu berichten. Bei den Henstedt-Ulzburgern war derlei Tun von weitaus geringerem Interesse: Nur etwa 30 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen – davon etliche Spitzel der etablierten Parteien in der Gemeinde.

Und Transparenz, die sich die Piraten ja auf ihre Fahne geschrieben haben, war anfangs auch nicht in Sicht: Da saßen vier Menschen um zusammengeschobene Tische und starrten auf ihre Laptops – wortlos. Nichts Kommunikatives war an dieser Szene zu entdecken. Sie wirkte eher surrealistisch: Gedankenaustausch ohne Worte – unverständlich für die Öffentlichkeit, die ja gerade erwünscht war.

Doch dann stellte sich das Piratenkommando aus Kiel den Henstedt-Ulzburgern vor: Angelika Beer, Mitglied im Umwelt- und Agrar- sowie im Europaausschuss, Uli König, stelltvertretender Fraktionschef und Vorsitzender im Petitionsausschuss, Wolfgang Dudda, Mitglied im Innen- und Rechtsausschuss sowie Sven Krummbeck, der im Bildungsausschuss sitzt. Das eisige Schweigen war gebrochen, der Kurs offenbar klar vorgegeben: Jeder berichtete – ob für die Öffentlichkeit oder die Fraktionskollegen? – über die Aktivitäten der vergangenen Wochen in seinem Tätigkeitsbereich.

Wer chaotische Debatten wie bei den Grünen der ersten Jahre erwartet hatte, sah sich im Irrtum: sachliche Berichte, ruhig vorgetragen, kaum Diskussionen, dafür öffentlich. Anders als in Fraktionssitzungen der etablierten Parteien, wo es hinter geschlossenen Türen schon mal rund geht und durchaus auch laut wird. Da verwunderte es auch nicht, dass Wolfgang Dudda die angenehme Arbeitsatmosphäre im Innenausschuss des Landtags lobte.

Aber die Piraten steuern nicht nur einen Kuschelkurs, sie können unbedingt auch Flagge zeigen: So kündigte Dudda in ruhigem, aber kompromisslosen Ton an, seine Partei werde beantragen, die Zulage für die Fraktionsgeschäftsführer abzuschaffen. Sie sei nicht zu rechtfertigen, mache aber fast 50 Prozent der normalen Diäten aus. Die so Begünstigten würden folglich den größten Teil ihrer Arbeit darauf verwenden, dieses einträglichen „Nebenjob“ zu sichern. Die Piraten würden die Streichung der Zulage notfalls gerichtlich durchsetzen, kündigte Dudda emotionslos an. In Thürigen sei das bereits gelungen.

Wer die Diskussionen und Streitereien in der Henstedt-Ulzburger Gemeindevertretung kennt, könnte sich mit dieser unaufgeregten Art, Politik zu machen, anfreunden. Mal sehen, ob die Piraten im kommenden Jahr zum Sturm auf das Henstedt-Ulzburger Rathaus auslaufen… Die Segel jedenfalls haben sie mit der Veranstaltung im Bürgerhaus schon mal gesetzt. Aber haben sie auch Mannschaft genug, um sie zu bedienen?

Jörg Schlömann

2. August 2012

3 thoughts on "RTL und Deutschlandradio beobachteten die Piraten im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus"

  1. Die Piratenfraktion in schleswig-holstein versteht sich gut, das ist halt so. Daher können sich sachlich und Ergebnisorientiert reden, und sie kommen meist schnell zu Ergebnissen. Kontrovers sind vor Allem die ersten Debatten auf piratenfraktion-berlin.de Ob man das gut findet oder nicht, ist ja jedem selbst überlassen. Die Saarländer und NRW´ler stechen sich auch nicht das Auge aus.

  2. Sehr geehrter Herr Schlömann,

    Ihre Formulierung “ etliche Spitzel der etablierten Parteien “ ist völlig überflüssig und geht am Thema vorbei .

    Der Spitzel ist ein – in der Regel negativ belegter – Ausdruck für eine Art von Spion auf niederer gesellschaftlicher Ebene .( Wikipedia ).

    Als solche Spitzel habe ich die acht Zuhörer der WHU und SPD nicht wahrgenommen.
    Mein Gefühl war : hier wollen neugierige Parteienvertreter was sehen, Erfahrungen sammeln und ggf. was lernen.
    Das als Spitzeltum zu bezeichnen, finde ich vorsichtig und freundschaftlich formuliert : schade.

    Wir erlebten eine öffentliche Sitzung der Landtagsfraktion der Piraten , mit zum Teil rhetorisch begabten Politprofis, ohne inhaltliche und kontroverse Debatte.

    Man muss wegen der gestrige Sitzung die Piraten auch nicht hofieren :

    „Wer die Diskussionen und Streitereien in der Henstedt-Ulzburger Gemeindevertretung kennt, könnte sich mit dieser unaufgeregten Art, Politik zu machen, anfreunden.“.

    Sie waren unter sich ( also keine gegenteilige Meinung anderer Fraktionen ) , insofern konnte zwangsläufig keine kontroverse Debatte stattfinden .Vielleicht ist ihnen das entgangen.

    Im übrigen lebt Demokratie von Streit um die richtige Lösung, wenn es dann mal etwas aufgeregter zugeht, dann freut sich doch auch die Presse, sonst wird es doch langweilig.
    .
    Im Anschluss an die Veranstaltung haben wir die Piraten gebeten aktiv Stellung zu den Problemen in HU zu nehmen, auf Sitzungen der Gemeindevertretung und Ausschüssen zu erscheinen.
    Dort die Meinungen der Piratenpartei zu den vielen Themen im Ort zu artikulieren.
    Warten wir mal ab, was da kommt.

    Auf jeden Fall können die Piraten die Haltung der WHU in HU nach größtmöglicher Transparenz politischer Prozesse und für mehr Bürgerbeteiligung bei Entscheidungen in unserem Ort unterstützen.
    Wenn sie dafür stur ihren Weg verfolgen, dann freue ich mich.

  3. Da es keine 5 %-Hürde bei Kommunalwahlen gibt, sind die Chancen, wenn sich denn Kandidaten finden sollten, nicht schlecht. Aber es werden ja auch noch andere Parteien, die aktuell noch nicht die Landschaft in HU einfärben dabei sein. Grün wird sicherlich auch noch dazu kommen. Ein bunter Strauss wird sich zur Auswahl stellen. Der Wähler wird ausreichend Auswahl haben.

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