Henstedt-Ulzburg hat es gut. Gleich drei Zeitungen beleuchten täglich das Gemeindegeschehen. Neben den Henstedt-Ulzburger Nachrichten auch die Segeberger Zeitung und die Norderstedter Zeitung als Beilage des Hamburger Abendblatts.
Und die beiden Traditionsblätter erweisen sich zunehmend als investigativ. So war es im Februar Michael Zwicker, Redakteur der Segeberger Zeitung, der aufdeckte, dass das von einer Kieler Firma konzipierte neue Logo für die Gemeinde alles andere als einzigartig war. Seine Recherche blieb allerdings einstweilen folgenlos: Die Gemeinde will das Doppelgängerlogo trotzdem verwenden und versucht nun, sich die Markenrechte für das Logo beim Patentamt zu sichern.
Jetzt recherchierte sein Kollege Frank Knittermeier von der Norderstedter Zeitung eine weitere Geschichte, die für Unruhe bei Politik und Verwaltung in Henstedt-Ulzburg sorgt. Den Anstoß für den kritischen Bericht gab Kurt Göttsch, für die Leser der Henstedt-Ulzburger Nachrichten aufgrund seiner meinungsstarken Kommentare kein Unbekannter. Er stellte bei einer Anfrage an die Gemeinde fest, dass deren Mail-Antwort über einen privaten Server geleitet wurde: den der Firma Rightvision mit Sitz am Tiedenkamp, deren Chef Frank Bueschler Pressesprecher der örtlichen CDU ist.
Kurt Göttsch nutzte nun die Einwohnerfragestunde bei der jüngsten Gemeindevertretersitzung, um bei der Verwaltung nachzufragen, ob denn sichergestellt sei, dass e-mails nicht mitgelesen werden können. Zudem interessierte ihn, unter welchen Umständen denn die Auftragsvergabe an die Firma des CDU-Politikers stattfand.
Die Verwaltung konnte oder wollte allerdings nicht spontan Stellung beziehen, jedenfalls erklärte sie, die Antwort schriftlich zu Protokoll geben zu wollen. Dafür äußerten sich die ehrenamtlichen Politiker. Mal zurückhaltend wie SPD-Fraktionschef Ostwald, der angab kein IT-Fachmann zu sein, aber grundsätzlich Vertrauen in die Verwaltung habe, und mal konkreter wie Klaus-Peter Eberhard (FDP) und Folker Brocks (CDU).
Während sich der Fraktionschef der FDP wunderte und erklärte, dass es einen negativen Beigeschmack habe, wenn bei einem CDU-Vorstandsmitglied die Gemeindepost ein- und ausgehe, verwahrte sich der CDU-Fraktionschef gegen Unterstellungen, dass der gemeindliche E-Mail Verkehr mitgelesen werde. Zudem sei es generell üblich, dass sich Provider in privater Hand befänden.
Frank Knittermeier von der Norderstedter Zeitung sorgte nun, zumindest teilweise, für Aufklärung:
Er schreibt, dass die Gemeinde die Dienste der Firma Rightvision zur Viren- und Spam-Kontrolle für den ein- und ausgehenden Mailverkehr in Anspruch nehme. Und dass das, was seit mittlerweile elf Jahren praktiziert werde, eine Ausnahme in der kommunalen Landschaft sei. Fast alle anderen Städte und Gemeinden gingen anders vor und würden für diese sensible Aufgabe mit öffentlich rechtlichen Dienstleistern zusammenarbeiten. Norderstedt lasse seine Mails beispielsweise bei der Firma Dataport checken, einer Anstalt öffentlichen Rechts, die als Informations- und Kommunikationsdienstleister für die öffentlichen Verwaltungen agiert.
Die eher unübliche Praxis, Gemeinde-Mails von einer Privatfirma prüfen zu lassen, und der Umstand, dass der Geschäftsführer dieser Firma ein Mitglied des CDU-Ortsvorstandes ist, müsste die Alarmglocken schrillen lassen, kommentiert Redakteur Knittermeier und empfiehlt der Verwaltung, den Dienstleister zu wechseln: „Vertrauen ist gut, eine unabhängige Kontrolle aber besser. Die Gemeinde wäre also gut beraten, einen anderen Weg einzuschlagen und die Mails von einem öffentlich-rechtlichen Dienstleister – wie zum Beispiel Dataport – prüfen zu lassen.“
Eine Empfehlung, die allerdings bei dem betroffenen Frank Bueschler nur Kopfschütteln hervorruft. Der IT-Unternehmer zu den Henstedt-Ulzburger Nachrichten: „Hier werden zwei Sachen völlig miteinander vermischt, es gibt einen Firmeninhaber, Frank Bueschler von der Firma Rightvision, der sich an die gesetzlichen Vorschriften halten muss, und die Privatperson Frank Bueschler, die sich politisch ehrenamtlich engagiert. Das möchte ich getrennt wissen.“ Zudem arbeite die Gemeinde schon längst mit dem öffentlich rechtlichen Dienstleister Dataport zusammen, stellt Büschler klar: „Der behördliche Datenverkehr läuft komplett über Dataport und alles, was intern läuft, läuft über den internen Gemeinde-Server. Nur was extern von Privatleuten reinkommt, z.B über die Webseite an die Verwaltung, läuft für Millisekunden hier durch unseren Serverraum durch, und geht dann direkt auf den Server der Gemeinde. Hier wird nichts gespeichert, hier arbeiten sogenannte Mail Transport Agents, die im Prinzip die Aufgabe haben, nach Viren und Spams zu suchen, diese Mails entsprechend zu markieren und dann dem Gemeindeserver zuzuführen.“ Der Grund, warum seine Firma für die Prüfung der externen Mails zuständig ist, läge zum einen daran, dass seine Firma schnell und flexibel sei und zudem kostengünstiger, denn „Dataport berechne nach Traffic, da kostet jedes Byte“, so Bueschler. Der Gemeindeauftrag sei für die Firma Rightvision zwar kein großer Umsatzbringer, doch für den CDU-Vorstand gehe es mittlerweile ums Prinzip: „Sonst kommt nächstes mal ein anderer und sagt da war doch mal was, dem nehmen wir mal den Auftrag weg, es ist doch dieser Rattenschwanz der da dranhängt.“ Zudem könne er doch nicht für seine politische Gesinnung bestraft werden, betont der Unternehmer mit Verweis auf das Grundgesetz.
Bueschler bestätigt, dass er theoretisch in der Lage wäre, die Mails einzusehen: „Natürlich kann ich reingucken, wenn ich die entsprechende kriminelle Energie aufbringe. Würde ich aber in diese e-mails reingucken, würde ich mich strafbar machen. Die Gemeinde ist für mich ein Kunde wie jeder andere auch. Ich wehre mich dagegen, dass hier irgendetwas Unrechtes läuft.“
Christian Meeder
30. März 2012
Lieber Leser Sazmann,
Sie widersprechen mir nicht, Sie formulieren nur anders.
Leider nehmen Sie aber zu den Kernsätzen meiner Aussagen keine Stellung:
1. Sollen sich ehrenamtliches Engagement und eigene Berufstätigkeit gegenseitig ausschließen?
2. So wie Herrn Dahmen in seiner Reputation durch seine Abwahl beschädigt worden ist, so wird hier jetzt Herr Bueschler und sein Ruf beschädigt. Ohne jeden *konkreten* Vorwurf.
Ist das ein stilvoller Umgang mit ehrenamtlichem Engagement?
Ein wenig Unaufgeregtheit und dafür etwas mehr technischer Sachverstand wäre hier hilfreich. Allein die Annahme, daß Körperschaften des öffentlichen Rechts prinzipiell „sicherer“ oder „besser“ seien als private Dienstleister ist ein Irrglauben und nur Ausdruck unkritischer Staatsgläubigkeit.
Letztlich aber wird hier die Frage gestellt, ob sich ehrenamtliches Engagement und eigene Berufstätigkeit gegeneinander ausschließen müssen.
Mit dem entsprechenden technischen Fachwissen und der erforderlichen Energie kann sich heute fast jeder Zugang zu den an die Gemeinde (oder an wen auch immer) gerichteten eMails verschaffen. Wenn eMails unverschlüsselt gesendet werden, sind sie wie Postkarten – das ist kein Geheimnis und vollkommen unabhängig davon, wer Spam- und Virenschutz bereitstellt.
Erst die (recht aufwändige) Verschlüsselung schafft den „blickdichten Umschlag“.
So wie Herrn Dahmen in seiner Reputation durch seine Abwahl beschädigt worden ist, so wird hier jetzt Herr Bueschler beschädigt.
Auch das ist unwürdig.
Dass Dataport pauschal „besser“ wäre, wird nirgendwo angenommen. Das wäre auch ziemlich vermessen, die kochen ebenso mit Wasser. Es geht vielmehr um einen möglichen Interessenkonflikt, gepaart mit dem Unbehagen, nicht so ganz einschätzen und kontrollieren zu können, was bei diesem E-Dingsbums eigentlich passiert.
„Wenn eMails unverschlüsselt gesendet werden, sind sie wie Postkarten – das ist kein Geheimnis und vollkommen unabhängig davon, wer Spam- und Virenschutz bereitstellt.“
Bei Mails wie Postkarten heißt das nicht, dass man da einfach nur ein, zwei Knöpfchen drücken müsste. Prinzipiell könnte auch jeder an Post-LKWs heran oder in Briefzentren einbrechen. Ebenso müsste man in die entsprechende Internet-Infrastruktur einbrechen, um an die Mitteilungen zu kommen.. Es ist nicht so, dass an meinem oder Ihrem Rechner zuhause ohne besonderes Zutun zufällig die E-Mails der Gemeinde vorbeilaufen könnten.
Herr Bueschler bzw. seine Firma ist, um in Ihrem Bild zu bleiben, der Postbote aller Bürger-Post(karten) an die Gemeinde.
„Erst die (recht aufwändige) Verschlüsselung schafft den “blickdichten Umschlag”.“
Die Verschlüsselung ist nicht aufwändig, das geht nach entsprechender EInrichtung auf Knopfdruck und ist insgesamt eine sehr sinnvolle Sache. Bringt aber nichts, wenn die Gemeinde es nicht unterstützt. Und auch verschlüsselte Mails haben einen „Umschlag“. Auch daraus kann man seine Schlüsse ziehen.
Firma von CDU-Pressesprecher Büschler hat Zugriff auf elektronische Post der Gemeinde – Abendblatt empfiehlt Dienstleisterwechsel, Frank Büschler wehrt sich! »
Geht es nicht noch größer, ich kann kaum was erkennen