Alle Jahre wieder wird es zu Beginn des Herbstes unruhig in den Gärten, denn dann haben die Gärtner Hochsaison. Mit mehr oder weniger lautem Gerät lichten sie Baumkronen, stutzen Hecken, kärchern Terrassenfliesen und reparieren dies und das, was den kritischen Blick der Hausbesitzer stört. Diesem Trend schließen sich auch gern die „fahrenden Handwerker“ an, um etwas von dem großen Kuchen abzubekommen. Oft kennt man sie schon, weil sie sich meist als Dachdecker ausgeben und hier und da die Dachrinnen reinigen durften.
Obwohl bereits mehrfach in der Presse davor gewarnt wurde, sich nicht von ihnen zu einer größeren Arbeit „zu einem Komplettpreis“ überreden zu lassen, fallen immer wieder Hausbesitzer auf die blumigen Versprechungen der Männer herein, um sich schließlich doch zu einem Auftrag überreden zu lassen. Was die Verbraucherzentrale bestätigt. „Und das sind meist intellligente Leute, die sich im normalen Leben nichts vormachen lassen!“ sagt die Beraterin. „Wir sind immer wieder verblüfft, wie selbst Akademiker auf diese Menschen hereinfallen können. Es erinnert an eine Gehirnwäsche, bei der der gesundeMenschen-verstand offenbar ausgeschaltet wird und der Mensch nur nur noch den großartigen Plänen lauscht, mit denen dier künftige Kunden eingelullt wird.
So erging es auch Frau S. (Name ist der Redaktion bekannt), eine Reihenhausbesitzerin, allein lebend, die schon lange davon träumte, ihrer Terrasse einen neuen Look verpassen zu lassen. Just in dieser Zeit klingelte der Dachdecker unter dem Vorwand, mal nachzuschauen, ob alles in Ordnung wäre auf dem Dach … Und er erinnerte die Frau daran, dass sie doch ihre Terrasse machen lassen wollte. Er und sein Kompagnon hätten jetzt Zeit. Man könne also sofort anfangen, nachdem man bei einer Tasse Kaffee die Modalitäten besprochen hätte. Die Frau sah im Geiste schon ein kleines Paradies entstehen, wovon sie so lange geträumt hatte, auch wenn es sich in erster Linie um notwendige Reparaturen bzw. bescheidene Verschönerungen handelte.
Als sie nach dem zu erwartenden Preis fragte, wiegte der Mann den Kopf. „Tja, das wird teuer. Es ist ja auch viel Kleinarbeit dabei. So zwischen 6000 und 4000 Euro.“ Die Frau erschrak. „Was? Soviel? Nein, das kann ich nicht. Soviel Geld habe ich ja gar nicht! Nein.“ Damit war für sie das Gespräch zu Ende. Nicht aber für die beiden Männer. „Gute Frau, nun regen Sie sich mal ab. Wir können ja den Preis selbst bestimmen, weil wir keiner Innung angehören. Wenn Ihnen das zuviel ist, dann gehen wir bis auf 3000 Euro runter.“ Der andere fiel ihm ins Wort: „Neenee, also mindestens 3.500.“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, das ist auch noch zuviel. Es sind ja eigentlich nur Schönheitsreparaturen und Malerarbeiten zu machen.“ Im Geiste überschlug sie das Geld auf ihren beiden letzten beiden Sparkonten. Damit könnte es hinkommen. Aber soviel für so wenig Arbeit? Wenn wenigstens noch neue Terrassenfliesen in diesem horrenden Preis enthalten wären, dann wäre so ein Mondpreis gerechtfertigt. Kurz: Sie ließ sich schließlich trotz aller Bedenken doch überreden. Es sollte ihre Antwort auf die vielen Renovierungen ihrer Nachbarn sein und auf die Empfehlung, doch auch in eine kleinere Wohnung zu ziehen und ihr Haus zu verkaufen, wie es mehrere Nachbarn bereits getan hatten. Seufzend sagte sie zu in der Hoffnung, dass die Arbeiten schnell und korrekt ausgeführt würden, damit sie Freunde und ihre Tochter damit überraschen konnte.
Sofort wurde der Vertrag zur Unterschrift vorgelegt – mit dem schriftlichen Hinweis „Bezahlung nach Fertigstellung. “ Und damit begann die zweite Phase des Betrugs. Denn schon kam die Forderung: „Wir brauchen aber 1000 Euro Vorschuss für das Material.“ Die Frau stutzte. „ Soviel Geld habe ich aber nicht im Haus!“ „Dann fahren Sie eben gleich zur Bank und holen das Geld.“ So etwas hatte noch kein Handwerker von ihr verlangt. Trotzdem gehorchte sie, hob den Tausender ab und reichte sie dem Boss. Der verschwand dann ziemlich schnell und vertröstete die verwirrte Frau auf morgen. „ Mein Kollege fängt schon mal an, alles frei zu räumen. Ich muss jetzt erst mal einen Notfall beheben.“ Dass hier etwas nicht stimmte, wurde der Reihenhausbesitzerin spätestens jetzt bewusst. Worauf, um Himmelswillen, hatte sie sich da eingelassen?!
Am nächsten Morgen regnete es. Niemand kam. Der Frau war inzwischen klar, dass sie aus dem Vertrag, den sie ja unterschrieben hatte, nicht mehr rauskam. Und mit jemandem darüber zu reden, traute sie sich auch nicht. Zu groß war die Scham, solchen Leuten auf den Leim gegangen zu sein. Aber darauf spekulieren sie natürlich. Einen Tag später kam der Boss wieder mit, aber nur, um zu sagen, dass er sofort 1.500 brauchte, weil er einen Auftrag in Berlin habe. Jetzt war die Frau richtig sauer. „Also so etwas habe ich noch nie erlebt. Sie haben noch gar nichts getan und haben bereits 2.500 Euro kassiert. Das ist doch überhaupt nicht rechtens!.“ Die Antwort lautete: „Das ist nur zu unserer Sicherheit, weil die Deutschen eine sehr schlechte Zahlungsmoral haben. Dafür kriegen Sie ja auch eine wunderschöne Terrasse…“ Sie wagte einen letzten Versuch. „Bei der Bank bekomme ich jetzt gar keinen Parkplatz mehr.“ „Dann fährt Sie unser Fahrer eben hin. Das klappt schon.“ Und es klappte. …
Inzwischen hatten sie lediglich die Terrasse gekärchert, aber nicht, wie versprochen, mit einer Nanoflüssigkeit versiegelt. Plötzlich sollten auch die Kellertreppen extra berechnet werden, obwohl sie zur Pauschale gehörten. Die Frau ging kurzerhand zur Verbraucherzentrale und schilderte ihren Fall. Dort wurde ihr mit einem mitleidigen Lächeln gesagt, dass sie nicht die Einzige wäre, die darauf reingefallen war. Im übrigen sei das tatsächlich ein Fall für die Polizei. Daran hatte die Frau auch schon gedacht. Aber sie hatte noch nie mit der Polizei zu tun gehabt. Und die Schmach, so arglos in die Falle getappt zu sein, hinderte sie zunächst auch daran. Aber nach einer schlaflosen Nacht fasste sie sich ein Herz. Schließlich waren die Männer eine Woche lang nicht aufgetaucht. Und die Hälfte der Arbeit noch nicht getan. Sie schilderte also dem Polizeibeamten ihres Ortes den Fall. Der schüttelte natürlich auch den Kopf, wie man sich so gutgläubig verhalten konnte, nahm sie aber ernst und versprach, dass ein Kollege am nächsten Tag Kontakt mit ihr aufnehmen würde.
Die beiden Arbeiter hatten in der Zwischenzeit gerade mal einen Tag mit den sehr nachlässig ausgeführten Malerarbeiten zugebracht. Dann versprachen sie, die Steinarbeiten noch zu beenden. „Zum Teil sieht es jetzt schlimmer aus als vorher“, sagte die Frau kopfschüttelnd. Sie wartete eine Woche. Dann riefen sie an, sie wollten die Arbeiten jetzt zu Ende bringen. Sie solle aber auf jeden Fall die restlichen 500 Euro bereithalten. Sofort gab die Frau der Polizei Bescheid, dass sie die beiden nun in flagranti erwischen könnten. Aber ein erneuter Anruf vertröste die Frau auf den nächsten Vormittag. Nach dreimaliger Verzögerung kamen sie schließlich in den Garten – ahnungslos im Visier von vier Polizisten, Kripobeamten sowie zwei Beamten vom Ordnungsamt.
Das Ganze ging überraschend ruhig über die Bühne, die Beamten nahmen die Personalien auf (offenbar waren die beiden bereits polizeibekannt) und nahmen sie mit zur Wache, nachdem sie von Wucher und Pfusch gesprochen hatten. Damit Sie auch wissen, warum wir hier sind.“
Die Frau zittert immer noch, wenn sie daran denkt. „Hoffentlich hat der Alptraum jetzt ein Ende. Mein Geld bin ich sowieso los. Aber ich will wenigstens verhindern, dass es anderen so geht wie mir. Hätte ich gewusst, wie nett und verständnisvoll sich die Polizisten verhalten haben, hätte ich sie sofort angerufen. Schon am ersten Tag, als mir der erste Tausender abgeluchst wurde. Durch diese Art fühlte ich mich richtig beschützt, denn sie gaben mir sogar Ratschläge, wie ich mich im Notfall zu verhalten hätte. Ganz ruhig bleiben, nur nicht aggressiv werden, dadurch würde ich mich bei diesen Leuten sofort in Gefahr bringen. Ich möchte den Beamten an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich danken. Denn durch sie war das Ganze doch etwa leichter zu ertragen“ Ob die Frau wenigstens einen Teil ihres Geldes wiedersieht, bleibt vorerst ein Rätsel. Dazu bräuchte sie einen Anwalt, falls es zum Prozess kommt. Und einen Gutachter. Zu alledem fehle ihr jetzt natürlich das Geld …
Gabriele David
- Oktober 2017