Da war der 90 Jahre alte Rentner Christoph Reck doch einigermaßen schockiert: Auf dem Heimweg wollte er sein angeschlossenes Fahrrad vom Bahnhof Ulzburg Süd abholen, aber das war offensichtlich verschwunden. Der alte Mann brauchte einige Zeit, um sich klar zu werden, dass sein geliebtes und dringend benötigtes Fortbewegungsmittel gestohlen worden war. Und nun der lange Weg nach Hause – noch dazu per pedes, bei strömendem Regen und am späten Abend.
Aber damit nicht genug der Beschwernis für den betagten Rentner: Seine Frau im Krankenhaus kann auch keine Besuche mehr von ihm erwarten, seine Einkäufe können nur mit Hilfe von freundlichen Mitmenschen erledigt werden. Behördengänge müssen mit dem Bus, der auch nicht zu oft fährt, vorgenommen werden.
Christoph Recks Alltag ist ungleich komplizierter geworden: Mal eben zur Apotheke fahren, geht eben nicht, Planung ist angesagt. Das ist für einen Künstler, der seine Ideen für seine kreative Arbeit unbedingt und sofort umsetzen muss, fast nicht zu verwirklichen.
13 Jahre lebte Reck auf dem Rhen in den 60-iger und 70-iger Jahren, hat seine Serie „Recks Radfahrwege“ gezeichnet und viele andere Motive aus der Alsterwiesenlandschaft gemalt, die übrigens in der Galerie Sarafand und in der Kulturkate demnächst ausgestellt werden. Danach lebte er mit seiner Familie in Afrika, kam jetzt zurück und will hier am Ort weiter leben und natürlich malen, die Reckschen Radfahrwege weiter malerisch beschreiben.
Der Mann braucht sein Rad – nicht nur für die Erledigungen des Alltags, sondern auch für seine künstlerische Tätigkeit. „Wie hat sich das Miteinander hier geändert?“ meint der Künstler. „Kann man kein Vertrauen mehr haben? Ist sich am Eigentum anderer zu vergreifen, ein neuer Schnäppchensport geworden?“
„Vielleicht denken Diebe über die Konsequenz ihres Tuns nicht nach“, sagt Angelika Dubber von der Galerie Sarafand. „Aber vielleicht ist doch ein wenig Hoffnung da, das Rad zurückzuerhalten, wenn der Dieb liest, was er angerichtet hat.“ Der Aufruf der Galeristin: „Bitte bringen Sie das Rad einfach zu ihm zurück! Er wohnt im Quellenweg 43 in Henstedt-Ulzburg. Bitte, das Rad nur vor die Tür stellen, kann ja im Dunkeln sein. Dann haben Sie die Enttäuschung in Freude verwandelt!“
Jörg Schlömann
21. April 2012