Die Veranstlung findet am Mittwoch, 6. Juli von 19.00 bis 21.00 Uhr in der Galerie Sarafand, Schultwiete 2 statt.
Hannah Arendt (1906-1975) hat immer wieder betont, dass ihre Arbeit nicht als Philosophie sondern als politische Theorie zu verstehen ist. Deswegen stritt sie es ab, als Philosophin bezeichnet zu werden. Dennoch ist sie bis heute als einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts akzeptiert. Ihr Hauptwerk „Vita activa oder Vom tätigen Leben“— auf Deutsch 1960 veröffentlicht und zuvor in der englischsprachigen Originalfassung 1958 unter dem Titel „The Human Condition“ herausgegeben –, enthält Analysen, die all unsere Wirkungen in der Öffentlichkeit betreffen und sie entschlüsseln können.
Ausgehend von einer Unterordnung menschlicher Aktivitäten in einem tätigen Leben in drei Komponenten – Arbeit, Herstellen und Handeln –, kommt sie zu einer Auffassung vom Verhalten in der heutigen Zeit, in der fast nur gearbeitet und kaum noch gehandelt oder hergestellt wird. Denn im Gegensatz zu ihrer alltäglichen Bedeutung hat Arendt diesen drei Begriffen eine sehr eigene Prägung gegeben. Nach ihrem Modell ist „Arbeit“ ausschließlich als die Arbeit zu verstehen, die das Überleben unserer Spezies Mensch dient. Wenn das Weiterbestehen der Menschen dank der Arbeit relativ stabil läuft, fängt der Mensch sowohl mit „Geist“ als auch mit „Kraft“ an, Dinge herzustellen, die seine Zeit auf der Erde überleben werden: Eine Keramikschale, ein Haus, ein Trinkbecher für Rituale, eine funktionierende Vorlage für einen E-Book-Reader. Als dritte Komponente gibt es das Handeln, das nur zwischen den Menschen geschehen kann. Dieses schließt das Verhandeln über die ökonomische Macht des Gearbeiteten und des Hergestellten mit ein, wächst aber auch weit über dieses hinaus. Jeder Kommunikationsakt kann auch als Handeln gedeutet werden. Umgekehrt sind wir für andere handelnde Menschen erst dann als Menschen wahrnehmbar, wenn wir auch selbst handeln. Und dieses geht immer mit Kommunikation einher.
Aus ihren Erlebnissen und Aufzeichnungen des Lebens in der amerikanischen Gesellschaft, in der sie ab 1941 eine neue Heimat fand, zog Arendt folgendes Fazit: Die Ökonomie prescht immer weiter in den öffentlichen Raum vor. Damit gewinnt die Arbeit an sich die Deutungshoheit über die anderen zwei Komponenten, über das Herstellen und das Handeln. Nach diesem Schema werden gesellschaftliche Konflikte vorwiegend mit Bezug auf „die Bedürfnisse der Arbeit“ – d.h. mit Bezug auf die Bedürfnissen der Firmen, die die größten Umsätze aus der Produktion Konsumgüter schöpfen, „gelöst“. Ob solche „Lösungen“ im Sinne von uns Menschen sind, die die Arbeit und das Herstellen vollziehen, wird, nach Arendts Analyse, kaum mehr (ausge)-handelt, sondern vielmehr schweigend hingenommen. Arendt postuliert, dass der Mensch im Laufe dieses Prozesses zu einem „Animal laborans“, einem arbeitenden Tier wird, der sehr wohl noch fragt, wie dieser oder jener Schritt der Arbeit hinzubekommen ist, der aber die Frage ablehnt, warum er diese Arbeit überhaupt macht.
Schüler und Kritiker Arendts sehen das grundsätzlich anders. Der amerikanische Soziologe Richard Sennett (geboren 1943), der u.a. auch Geschichte bei Arendt studierte, wirft der früheren Geisteswissenschaftlerin vor, „den praktisch tätigen Menschen zu zerlegen“, durch ihre Unterscheidung zwischen den Kategorien „Animal laborans“ und „Homo faber“ (der Mensch als Handwerker). Sein intellektuelles Projekt ist es hingegen, sich für eine tiefere und neu strukturierte „Zusammenarbeit“ (siehe sein Buch mit diesem Titel, 2012) zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen der arbeitenden und herstellenden Menschen einzusetzen. Denn laut Sennett kann der „Animal laborans“ sehr wohl denken, die „Warum-Frage“ stellen, und soll sogar der „Homo faber als Führer dienen“ (siehe Sennetts „Handwerk“ von 2008).
Nehmen Sie am 6. Juli mit Ihren handelnden Gedanken zum Thema teil und haben Sie Freude an einem tiefgehenden und informierten Gespräch. Für alle Interessierten, ganz gleich ob ohne oder mit philosophischen Vorkenntnissen. Der Eintritt kostet 15 Euro. arten sind ab sofort bei Angelika Dubber unter Tel. 04391/63 43 zu reservieren.
Aufgezeichnet von Gabriele David
29. Juni 2016