Nichts Geringeres als die Entlastung von Bürgermeister Torsten Thormählen stand auf der letzten Sitzung der Gemeindevertretung in diesem Jahr zur Debatte. Das sollte nicht einfach werden. Denn der Rechnungsprüfungsausschuss,bestehend aus drei Mitgliedern des Finanzausschusses, hatte die Jahresrechnung 2010 stichpunktartig überprüft. In der Jahresrechnung legt der Bürgermeister Rechenschaft über die Haushaltsführung des vorigen Jahres ab.
Das erstaunliche Ergebnis der ehrenamtlichen Prüfer: Keine der drei untersuchten Abrechnungen von Baumaßnahmen blieb ohne Beanstandungen. So fielen jedes Mal die Schlussrechnungen höher aus, als anfänglich mit den ausführenden Firmen vereinbart. Mal, weil im Laufe der Baumaßnahmen Nachbeauftragungen erfolgten, mal aber auch, weil die Preise offenbar willkürlich angehoben wurden.
„Gründe für Preissteigerungen sind nicht schriftlich dokumentiert“, bemängeln die Prüfer beispielsweise bei der über 500.000 Euro teuren Brandschutzsanierung der Grundschule Rhen. Zudem kritisieren sie, dass die Verwaltung vor Beauftragung zusätzlicher Arbeiten nicht die Genehmigung der politischen Gremien eingeholt hat.
Zu allem Überfluss scheint die Verwaltung auch gern mal in Spendierlaune zu sein: So bei einer Rechnung über 1.718 Euro für Elektroarbeiten im Bürgerhaus. Dort verzichtete sie zur Verwunderung der Prüfer auf eingeräumte drei Prozent Skonto und überwies die volle Summe.
Trotz der gemeinschaftlich festgestellten Mängel konnte sich das Dreiergremium erstaunlicherweise nicht zu einem gemeinsamen Prüfungsergebnis durchringen. Für Edda Lessing (SPD) und Dr. Dietmar Kahle (CDU) sind die einzelnen, von ihnen geprüften Mängel-Abrechnungen kurioserweise gleichwohl „sachlich und rechnerisch vorschriftsmäßig begründet und belegt worden“, heißt es am Ende des Prüfberichts. So fanden sich denn auch nur die Unterschriften der beiden Vertreter von SPD und CDU unter dem Ergebnis des Prüfberichts mit der Empfehlung an die Gemeindevertretung, der Verwaltung die Entlastung für das Haushaltsjahr 2010 auszusprechen.
Christiane Schwarz wollte dem Bürgermeister dagegen keine Absolution erteilen: „Ich kann nicht unterschreiben, dass alles ordnungsgemäß gelaufen ist, wenn wir in allen Stichproben Mängel festgestellt haben.“ Das lasse doch eher den Schluss zu, dass es auch in vielen weiteren Fällen zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte, so die WHU-Gemeindevertreterin in ihrem Statement zu den Gemeindevertretern.
Während Dietmar Kahle seine Abnahme der Jahresrechnung immerhin damit rechtfertigte, dass einige Mängel mal von größerer Relevanz und mal von kleinerer Relevanz gewesen seien, aber in der Gesamtsicht die Jahresrechnung schon ihre Ordnung habe, gab es von der Sozialdemokratin Lessing keine Begründung für ihre Empfehlung an die Gemeindevertreter, die Jahresrechnung 2010 als korrekt gutzuheissen. Stattdessen offenbarte die vermeintliche Finanzexpertin der SPD Lücken im Gemeinderecht. Ihrer Meinung nach könnte Christiane Schwarz den Prüfbericht ruhigen Gewissens unterschreiben, denn damit würde sie nur bescheinigen, dass eine Prüfung stattgefunden habe.
Doch laut Gemeindeordnung wird mit der Unterschrift gleichsam das Ergebnis des Berichts quittiert, mit dem Christiane Schwarz offenkundig nicht einverstanden war.
Die SPD schien ingesamt einen schlechten Tag erwischt zu haben. So hatte ihr Fraktionsvorsitzender Horst Ostwald offenbar seine Hausaufgaben nicht gemacht: Der Sozialdemokrat polterte an Christiane Schwarz gewandt: „Warum stehen die Mängel, die sie hier aufzählen, denn nicht im Prüfungsbericht drin?“ Die antwortete in ruhigem Ton: „Sie können das alles dort nachlesen.“ Recht hatte sie. Horst Ostwald war vermutlich völlig unvorbereitet in die Sitzung der Gemeindevertreter marschiert.
Bürgermeister Torsten Thormählen, um dessen Haushaltsführung es ja ging, meldete sich während der Debatte nicht zu Wort. Am Ende konnte er gleichwohl durchatmen, denn der Gemeinderat erteilte dem Verwaltungschef mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP die Entlastung für das Haushaltsjahr 2010. Von der WHU gab es die nur von dem Abgeordneten Martin Andernacht. Alle anderen votierten dagegen oder enthielten sich der Stimme.
Christian Meeder
14. Dezember 2011