Gestern Abend war sie da – die große Chance für die Bürger der Großgemeinde, endlich eigene Ideen ins SPD-Parteiprogramm einzubringen. Der Partei, die in dieser Legislaturperiode erstmals die Richtung vorgibt in Henstedt-Ulzburg. 20 Jahre sei sie nun schon dabei, immer habe die CDU die Nase vorn gehabt und konnte im wesentlichen ihre Vorhaben durchsetzen, aber in dieser Legislaturperiode sei das erstmals anders, sagt Edda Lessing, Beisitzerin im SPD-Vorstand den Henstedt-Ulzburger Nachrichten: „Wir können jetzt mit wechselnden Mehrheiten viel durchsetzen.“
Die neue Bedeutung der Sozialdemokraten, sie ist auf jeden Fall schon mal aufmerksam registriert worden bei den zahlreichen Interessenvertretern von Vereinen und Verbänden in der Großgemeinde. Denn die waren der Veranstaltungs-Einladung zahlreich gefolgt: die Chefin vom Sportverein war da, die Vorsitzenden von Seniorenbeirat und Familienzentrum, vom Roten Kreuz war jemand da und selbst ein Abgesandter des Freundeskreises Waterlooville machte der SPD seine Aufwartung. Allerdings nicht unbedingt aus freien Stücken: „Ich wurde von Joachim Süme beauftragt, hierher zu kommen“, so Uwe Hiller, beim Freundeskreis für die Finanzen des Vereins zuständig.
Die insgesamt 34 Personen – davon 13 Parteimitglieder – diskutierten in Kleingruppen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Wirtschaft und Umwelt oder ganz konkret über sozialen Wohnungsbau, die Einführung eines ÖPNV-Ringbussystems oder die Einrichtung eines 24-Stunden-Kindergartens. Welche Ideen und Vorschläge möglicherweise Eingang ins SPD-Kommunalwahlprogramm finden, entscheidet sich am 18. Januar. Dann findet die SPD-Mitgliederversammlung statt. SPD-Chef Kunde: „Es gibt einiges, was wir uns zu Herzen nehmen werden.“
Gestern auch dabei, aber nur als stiller Beobachter: der für Henstedt-Ulzburg zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes. Der erste Eindruck: Thönnes interessiert sich für alles andere als die Veranstaltung seiner Henstedt-Ulzburger Genossen. Denn der Polit-Profi war die ganze Zeit mit seinem iPad beschäftigt. Nur einmal legte er es aus der Hand – es war schlicht kein Platz mehr auf dem Tisch. Der Berliner Abgeordnete hatte sich eine warme Mahlzeit bestellt: reichlich Gemüse mit Käse überbacken.
Ob er denn gar nicht mehr ohne iPad könne, wollten die Henstedt-Ulzburger Nachrichten wissen. Doch, er sei aber hauptsächlich an den Ergebnissen der Diskussion interessiert, so die Antwort. Und immerhin: Als die Moderatoren der einzelnen Arbeitsgruppen ihre Beratungsergebnisse verkündeten, legte Thönnes seine Verbindung zur Außenwelt zwar nicht beiseite, schien aber nun trotzdem aufmerksam zuzuhören. Denn als die Diskussion kurzzeitig zu entgleiten schien, war Thönnes voll bei der Sache und ging beherzt dazwischen: Sabine Samel vom Familienzentrum hatte von zunehmender Altersarmut in Henstedt-Ulzburg berichtet und als Indiz angeführt, dass sie bei Aldi jemand gesehen habe, der seinen Einkauf nicht zahlen konnte, weil ihm schlicht 70 Cent im Portemonnaie fehlten. Zudem müssten auch in der Großgemeinde viele alleinstehende Frauen mit mickrigen Witwenrenten auskommen.
Das Urteil von Thönnes zu Samels Wortbeitrag: Von Witwenrente allein müsse niemand leben, bei kleinen Renten könne man schließlich die Grundsicherung beantragen. Sprachs und wandte sich wieder dem Geschehen auf seinem Tablet-Computer zu. Selbstredend, dass dort auch noch während der laufenden Veranstaltung zu lesen war, wie denn der Bundestagsabgeordnete den Bürger-Dialog beurteilte: „Gute Veranstaltung der örtlichen SPD“, lautete Thönnes Fazit auf seiner Facebook-Seite.
Christian Meeder
10. Januar 2013