Der Übergang soll unter anderem Menschen mit Handicap die sichere Querung der Hamburger Straße ermöglichen, lockt sie aber stattdessen in die Falle. Denn wer die Querungshilfe benutzt und nicht rechtzeitig den Gully auf der westlichen Seite bemerkt, hat gute Chancen von einem Auto erfasst zu werden – wenn die Räder des Rollstuhls oder des Rollators im Gully steckenbleiben und man sich nicht schnell genug wieder befreien kann.
Der Gully im Rinnstein ist das gefährlichste, aber nicht das einzige Hindernis für Menschen mit Handicap. Rollstuhlfahrerin Helga Bebensee, die für die Henstedt-Ulzburger Nachrichten den Praxistest der Querungshilfe gemacht hat, schafft es aus eigener Kraft nicht, die quer verlaufenden Rillen , die blinde und sehbehinderten Menschen die Orientierung erleichtern sollen, sowie den nicht vollständig abgesenkten Kantstein, mit dem Rollstuhl zu überwinden. „Ich kann die Querungshilfe aus eigener Kraft nicht nutzen“, sagt Bebensee. Allerdings: Nur zehn Meter weiter, an der Einmündung ‚Neuer Damm‘ , hat die Gemeinde ebenfalls sogenannte taktile Elemente eingelassen, diesmal verlaufen die Rillen aber nicht horizontal, sondern vertikal, also in Fahrtrichtung. Darüber hinaus ist der Kantstein fast vollständig abgesenkt. „Hier würde ich rüberkommen, wenn ich keine Angst haben müsste, von abbiegenden Autos übersehen zu werden“, sagt Bebensee. Und weiter: „Einmal waagerechte, einmal senkrechte Rillen – an einer der beiden Querungen müssen die Dinger falsch verbaut sein.“
Die HU-Nachrichten haben die Verwaltung um eine Stellungnahme zur Querungshilfe gebeten, eine Antwort lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Telefonisch geäußert hat sich die gemeindliche ehrenamtliche Behindertenbeauftragte Uta Herrnring-Vollmer. Ihre Antwort überrascht. Die Blindenhilfen seien nicht falsch eingebaut, sagt sie. Die quer verlaufenden Rillen sollen vielmehr verhindern, dass blinde Personen die Querungshilfe über die Hamburger Straße nutzen. Herrnring-Vollmer: „Die taktilen Elemente sind ja wie eine Informationstafel für Blinde, die in diesem Fall sagt: ‚Gehe bitte nicht hier lang, vermeide das, nehme lieber die Seitenstraße, die ist nicht so gefährlich und führt dich möglichst bis zu einer Ampel.“ Das Problem an der Ecke ist allerdings. Eine Ampel ist weit und breit nicht in Sicht, und Sehbeeinträchtigte, die den Hinweisen der „Informationstafel für Blinde“ Glauben schenken, landen schlimmstenfalls direkt auf Henstedt-Ulzburgs Hauptverkehrsachse. Denn der nach Süden verlaufende Gehweg endet direkt an der Hamburger Straße – ohne irgendeine Barriere vor der Fahrbahn.
Und wie beurteilt die Behindertenbeauftragte den Gully? Der sei eine „blöde Sache“. Sie werde deswegen die Querungshilfe zum Thema im Inklusionsbeirat machen, kündigt Herrnring-Vollmer an. Die HU-Nachrichten sagen: Ein Gully, der zur gefährlichen Falle werden kann, ein Blindenleitsystem, das keine Orientierung bietet, sondern in die Irre führt – diese Querungshilfe ist gefährlicher Murks. Die Bürgermeisterin muss sofort handeln, bevor noch ein Unglück geschieht.
Christian Meeder
5. September 2022
Dieser Bericht ist zuerst in der Druckausgabe vom 1. September erschienen.