In ihrer Einladung zur Lesung ihres neuesten Buches „Starke Frauen“ hatte Dana Horáková angeregt, dass auch Männer erwünscht sind, falls sie sich stark genug fühlen… Nun, im Publikum in der Galerie Sarafand saßen dann auch tatsächlich vier Herren der Schöpfung, die sich „getraut“ hatten, der Ode über die starken Frauen, die aufgrund ihres Denkens und Handelns in die Geschichte eingegangen sind, höchst interessiert zu lauschen. Was die Schriftstellerin und Journalistin mit einem triumphierenden Lächeln quittierte.
Doch bevor Dana Horáková aus ihrem Werk las, zeigte Galeristin Angelika Dubber dem zum größten Teil eingeweihten Auditorium, darunter auch die WHU-Fraktionsvorsitzende Karin Honerlah, einen Querschnitt des bewegten Lebens der Autorin auf. Geboren im Vogtland an der tschechischen Grenze als Kind einer deutschen Mutter und eines tschechischen Vaters erlebte sie schon als junger Mensch einen rasanten Aufstieg. Sie wuchs auf in Prag, studierte dort Philosophie und erhielt 1968 ein Stipendium in New York. 1971 promovierte sie zum Dr. phil. und gehörte zum Freundeskreis um Vaclav Havel und Pavel Juracek.
Aus politischen Gründen muss Dana Horáková 1979 gemeinsam mit ihrem Mann die Tschechoslowakei verlassen. Sie arbeitet zunächst in München, später in Hamburg für mehrere deutsche Tageszeitungen und Zeitschriften, wird stellvertretende Chefredakteurin der „Welt“, setzt sich als parteilose Kultursenatorin für die Internationale Fotografie an den Deichtorhallen ein und befürwortete die Elbphilharmonie. Sie hat nicht nur viele Bücher geschrieben, sondern auch Hörspiele und Drehbücher. Von der Berliner Zeitung erhielt sie den Kulturpreis. Dass sie bei allem Erfolg auch die Schattenseiten des Lebens kennengelernt hat, vor allem in den ersten drei Jahren nach ihrer Flucht, offenbarte sie ihren Zuhörern freimütig nach der Lesung.
Insgesamt sind es 36 Frauenporträts, an deren Thesen die Frauen späterer Generationen Halt gefunden haben. „Die Auswahl für die heutige Lesung zu treffen, ist mir sehr schwer gefallen, weil mir manche doch sehr ans Herz gewachsen sind“, gibt Frau Horáková zu bedenken. Wie zum Beispiel die liebestolle Rosa Luxemburg, die als eine der ersten Frauen in die deutsche Geschichte einging und noch heute aktuell ist.
Ihre ganz große Favoritin ist jedoch Hildegard von Bingen, die zur Blütezeit der Kreuzfahrer als zehntes Kind geboren und der Kirche geschenkt wurde. Sie galt als „Lichtgestalt von höchster Schönheit“. Und bis heute sind ihre Naturheilrezepte gegen verschiedene Leiden berühmt und in vielen Apotheken erhältlich. Sie gründete sogar ein eigenes Kloster für sich und ihre Nonnen und wurde zur ersten Musiktherapeutin Europas. Als Frau fühlte sie sich immer der Kraft der Männer überlegen – heilig gesprochen wurde sie nie.
Hildegard Knef war ebenfalls ihrer Zeit voraus. Ihre Filmkarriere begann im Dritten Reich. Sie drehte insgesamt 110 Filme, die von Milliarden Kinobesuchern gesehen wurden. Henry Nannen war so von ihr fasziniert, „von ihrem intellektuellen Sex“, dass er ihr sein erstes Titelblatt auf dem „Stern“ widmete. Dass er sich ihretwegen sogar scheiden lassen wollte, wurde lange geheimgehalten. Als sie in Amerika in dem Film „Die Sünderin“ acht Sekunden lang nackt auf der Leinwand erschien, galt sie auch in Deutschland als Sünderin…
Marlene Dietrich trat als erste Chansonsängerin in der Philharmonie auf. Ihre Lieder waren kritische Short-Stories. War sie zu emanzipiert für ihre Zeit? Dabei empfand sie ihren Ruf als ausgezeichnete Köchin wichtiger als ihren Filmruhm. Wer sie jedoch kannte, wusste: Sie litt an Deutschland.
Beate Uhse, die interessante Frau aus Schleswig-Holstein, war Pilotin, bevor sie die sexuelle Freiheit der Frauen revolutionierte. Ihr Credo: „Erst die Liebe macht das Leben lebenswert.“
Leni Riefenstahl, ein Vollweib und Erfolgsmensch und eine Ikone im Dritten Reich, war hundertprozentig Frau und hundertprozentig Mann, erfolgreich in jeder Beziehung.
In ihrem Nachwort betont die Autorin Horáková, dass es schon immer starke Frauen gab – lange bevor man das Wort Emanzipation kannte. Damals waren Züchtigungen an der Tagesordnung. Der Stolz aufmüpfiger Frauen sollte gebrochen werden. Und doch liebten sie das Leben, die Männer, und sie genießen das Schöne. Ob sie deshalb glücklicher sind? Sie solidarisieren sich mit anderen Frauen. Manchmal sogar mit der Geliebten ihres Mannes – so wie die Frau von Karl Marx, die zur gleichen Zeit wie sie ein Kind bekam. Dabei ist die Schriftstellerin Esther Vilar bis heute überzeugt: „Der größte Feind der Frau ist die Frau.“
In der Debatte nach der Lesung wird gefragt „Woher kommt denn diese Stärke, und warum bewirkt sie so viel?“ Weil Frauen sich auf die einzelnen Charaktere einstellen, nicht nur aus dem Kopf heraus handeln, sondern vor allem aus dem Bauch. Dass sie dienen und prägen, sich anpassen, treu bleiben, sich hingeben und sich dennoch bewegen. Und sie sind verletzbar. Was ihrem Stolz jedoch nichts anhaben kann.
Das Buch „Starke Frauen“, 255 Seiten, gebunden mit Fotos, ist im Quadriga Verlag erschienen und kostet 16.99 Euro.
Gabriele David