Weiß verhüllt leuchtet die Brücke in den noch braun gefärbten Wiesen der Alsterniederung. Das bröckelige Mauerwerk ist in Tücher – genauer in Folie – gepackt. Aber noch längst ist nichts in trockenen Tüchern, wie von den Aktionisten zu hören ist. Das Schicksal der Brücke sei ungewiss. Mit ihrer spektakulären Verhüllungsaktion der Alsterbrücke machte die Interessengemeinschaft „IG Alsterbrücke Hohnerberg“ auf sich und ihre Bemühungen zum Erhalt des Bauwerks aufmerksam.
Unter dem Motto „Verhüllung ist Verheißung“ nach einem Zitat des Verpackungskünstlers Christo betätigten sich die Brückenretter und schlugen das östliche Geländer samt seiner 15 romantisch anmutenden Bögen in weiße Folie – auch um den Wert des Objekts ins Bewusstsein des Betrachters zu rücken. Denn laut IG kommen hier zahlreiche Menschen vorbei – nicht nur Radfahrer und Wanderer, auch viele Autos fahren durch das geschützte Areal, das doch eigentlich der Naherholung dienen soll.
„Verheißung als Versprechen, um einer Brücke ohne Vergangenheit eine Zukunft zu geben, so hoffen wir“, erklärt Erika Zarbock für die IG und berichtet, dass die rund 80 Jahre alte Brücke, von deren Machart es nur wenige in Deutschland gibt, unter anderem nicht unter Denkmalschutz gestellt werden konnte, weil sie keine Geschichte hat.
Dafür, dass die Brücke keine offizielle Historie hat, weist sie erstaunlich viele Beschädigungen auf: Nach der unsachgemäßen Entfernung von Graffitis, in Auftrag gegeben durch die Gemeindeverwaltung im Winter 2008/09, wird das östliche Geländer immer unansehnlicher. Seit einiger Zeit ist eindeutig zu erkennen, dass „Mauerspechte“ mutwillig mit Hammer und Meißel am Werk sind und so kontinuierlich zum Verfall der knapp zehn Meter langen Brücke beitragen. „Wir haben heute nicht nur verhüllt, wir haben die Wunden verbunden“, kommentiert denn auch IG-Mitglied Angelika Dubber die Aktion.
Inzwischen ist die weiße Folie wieder vom Brückengeländer entfernt worden. Die Brückenretter hatten Angst, dass ihr „Kunstwerk“ a la Christo der „Aktion Saubere Landschaft“ zum Opfer fallen könnte.
Damit die Brücke wieder schön und sicher wird, kann sich die IG eine Grundsanierung vorstellen. Falls diese Variante nicht zum Tragen kommt, könnten sich die Brückenretter auch mit einem neuen Bauwerk anfreunden, das die Form des jetzigen Geländers aufnimmt und mit einer Stahlbetonplatte die ursprüngliche Bogenform des Gewölbes simuliert.
Jörg Schlömann