Gähnende Leere im Henstedt-Ulzburger Rathaus. Wegen Betriebsausflug geschlossen, hieß es heute am Amtssitz des Bürgermeisters. Fast alle Mitarbeiter der Gemeinde waren ausgeflogen, hatten sich in die AKN gesetzt und waren gemeinsam nach Hamburg gedieselt: die Elbphilharmonie und andere Sehenswürdigkeiten der Hansestadt standen auf dem Programm der Gemeindeangestellten, die Vorortbahn hatte extra Waggons angekoppelt, um alle Ausflügler mitzubekommen
Ruhe also heute, Brodelstimmung dagegen gestern Abend im Rathaus. Mit Unverständnis reagierten dort Kindergärtnerinnen und Initiatorinnen des Kita-Bürgerbegehrens auf erstaunlich unbeeindruckte Volksvertreter. Am Montag hatte die Initiative Pro Eigenbetrieb der Öffentlichkeit 2.768 Unterstützer-Unterschriften präsentiert, trotzdem trieben gestern CDU,WHU, BFB und FDP die Ausgliederung der gemeindlichen Kindergärten in eine Anstalt öffentlichen Rechts voran, setzten eine Organisationssatzung für das geplante Kommunalunternehmen durch. Nur die SPD stimmte dagegen.
Das Problem: Die Ortspolitiker handeln damit völlig anders als beim Pinnauwiesen-Bürgerentscheid vor zwei Jahren.
Gleich zu Beginn des Unterschriftenssammelns war damals das Bebauungsplanverfahren auf Eis gelegt worden. Daran erinnerte am Dienstag Nadine Braasch von der Eigenbetrieb-Initiative und warf den Ortspolitikern vor, sie würden mit zweierlei Maß messen. Schon die Ankündigung des Bürgerbegehrens habe vor zwei Jahren ausgereicht, keine weiteren Beschlüsse zu fassen, so Braasch in Richtung der Superkoalition. Aus den Reihen von CDU, WHU , BFB und FDP hieß es dazu, man wolle das Verfahren zur Ausgliederung nicht verzögern, mache deswegen weiter mit dem Projekt. „Hätten wir das nicht entschieden, hätten wir ein Jahr verloren“, meinte WHU-Gemeindevertreter Mariano Cordova. CDU-Fraktionschef Dietmar Kahle und BFB-Chef Jens Iversen distanzierten sich darüber hinaus von ihrem Verhalten beim Pinnauwiesen-Bürgerentscheid von 2015. Kahle sprach von einem Fehler und setzte ein “vielleicht“ davor, Iversen ließ das “vielleicht“ weg, sagte: „Aus heutiger Sicht war das ein Fehler, dass wir damals so schnell auf den Zug aufgesprungen sind.“
Tatsächlich hatte die Politik damals kräftig mitgeholfen, dass der Pinnauwiesen-Bürgerentscheid zustande kommen konnte – nur weil die Politik einen Planungsstopp akzeptierte, hatten Meissner, Pütz und Witte ausreichend Zeit bekommen, um genügend Unterschriften gegen die Vollbebauung der Grünflächen an der Pinnau zu sammeln.
Vor zwei Jahren gab es Unterstützung, diesmal setzt die politische Mehrheit alles daran, den Kindergarten-Urnengang zu verhindern: „Wir haben nach wie vor erhebliche rechtliche Bedenken, mal sehen wie das weitergeht“, sagte CDU-Fraktionschef Dietmar Kahle gestern.
Die rechtlichen Bedenken teilt die Segeberger Kommunalaufsicht bisher allerdings nicht, in vier bis sechs Wochen soll eine abschließende Bewertung von dort vorliegen. Gibt die Behörde dann ihr okay, will Bauer auf der letzten Gemeindevertretersitzung vor der Sommerpause vorschlagen, den Bürgerentscheid am Tag der Bundestagswahl abzuhalten.
Ob es dafür dann eine Mehrheit geben würde, ist unklar, denkbar wäre auch, dass die Gemeindevertreter gegen eine Zulässigkeit des Bürgerentscheids Widerspruch einlegen, der 24. September wäre dann als Wahltermin kaum zu halten.
cm
17. Mai 2017