Als erste berichteten die Henstedt-Ulzburger Nachrichten über die Vergabepraxis der Gemeinde – öffentliche Aufträge an Ingenieur- und Planungsbüros gehen meist an immer dieselben Firmen, ohne Ausschreibung. Jetzt greift auch die Norderstedter Zeitung das Thema auf unter der Überschrift: „Aufträge gehen immer an dieselben Büros“. In dem Beitrag von NZ-Redakteur Frank Knittermeier mahnt der Bund Deutscher Architekten (BDA) mangelnde Transparenz in der Vergabepraxis an.
Laut NZ nennt Jan O. Schulz, BDA-Vorsitzender in Schleswig-Holstein, das in Henstedt-Ulzburg angewandte Verfahren „fatal“. Nach den Recherchen Knittermeiers gehört zu den Auftragsempfängern unter anderem auch das KSK-Ingenieurbüro des langjährigen CDU-Ortsvorsitzenden Wolfgang Horstmann. Und dazu stellt Jan O. Schulz fest: Eine gehäufte Auftragsvergabe an einen Ortspolitiker sei besonders heikel. Die NZ zitiert den Architekten: „Schon das kollegiale Selbstverständnis sollte es ihm verbieten, mehr Aufträge als andere für die Gemeinde auszuführen.“
Doch Horstmann kann nach dem Bericht der NZ bei der Vergabe an sein Büro nichts Unlauteres finden. Er wird mit den Worten zitiert: „Die Behörde weiß, dass es schnell und unkompliziert läuft. Es ist vernünftig, Aufträge im Ort zu belassen.“ Dazu Jan O. Schulz: Zwar sei es sinnvoll, die Aufträge in der Region zu belassen, aber keinesfalls dürften sie nur an bestimmte Ingenieur- und Architektenbüros vergeben werden. Der Architekt: „Das funktioniert nur mit einer Liste von Büros aus der Region, die reihum alle berücksichtigt werden.“
In seinem Kommentar zu dem Thema stellt Redakteur Frank Knittermeier unter der Überschrift „Dörfliche Strukturen“ fest: „E-Mails werden immer noch von der Firma eines CDU-Vortsandsmitglieds gecheckt. Statik-Prüfaufträge bekommt die Firma des langjährigen CDU-Vorsitzenden. Architektenaufträge gelangen stets in die Büros derselben Architekten. Das mag alles legitim sein, aber was in Henstedt-Ulzburg seit Jahren praktiziert wird, ist anrüchig…“ Der Kommentator kommt zu dem Schluss: „Alles zusammen zeigt, dass in der größten Gemeinde des Landes immer noch dörfliche Strukturen herrschen. Im Rathaus sollte jemand mit der Faust auf den Tisch schlagen.“
Recht hat Frank Knittermeier, meinen die Henstedt-Ulzburger Nachrichten. Aber wer soll auf den Tisch hauen? Elisabeth von Bressensdorf (CDU), amtierende Bürgermeisterin, bestimmt nicht – schon wegen ihrer politischen Nähe zu gewissen Personen. Und auch sonst zeigt sie kein besonderes Interesse, Mängel abzustellen, wie sie demonstriert hat: Mehrfach wollten wir von ihr Aufklärung zur Auftragsvergabe, aber unsere Anrufe blieben unbeantwortet. Aussitzen – scheint ihre Devise! Das war auch in der hu-Logo-Angelegenheit so. Erst Gemeindevertretung und Hauptausschuss mussten ihr auf die Sprünge helfen. Vielleicht wird das ja bei der Vergabepraxis auch so sein.
Der Hauptausschuss beschäftigt sich damit am Dienstag, 12. Juni, ab 18.30 Uhr im Rathaus.
Jörg Schlömann
10. Juni 2012