Henstedt-Ulzburgs Kindergärten: Aggressive Kinder, beengte Raumsituation, überlastete Mitarbeiter, Einsatz von Langzeitpraktikanten

Bericht der Gemeindeverwaltung Henstedt-Ulzburg zur aktuellen Situation in den gemeindlichen Kindertagesstätten

In den vergangenen Jahren hat sich die Arbeit in den Kindertagesstätten stark gewandelt. Die Anforderungen sind stetig gestiegen (erhöhte Qualitätsanforderungen, Umsetzung von Bildungsauftrag und Schutzauftrag, Aufnahme von Kindern mit Behinderung, Zunahme von Kindern mit Migrationshintergrund, Ausweitung der Krippenbetreuung, gestiegener Pflege- und Dokumentationsaufwand), gleichzeitig haben sich bestimmte Problematiken verschärft, insbesondere durch die wachsende Zahl von Kindern mit erhöhtem Betreuungsaufwand.

Viele Kinder zeigen Auffälligkeiten wie aggressives Verhalten, starke motorische Unruhe, aber auch ängstliches und überangepasstes Verhalten. Dadurch benötigen sie eine wesentlich höhere Aufmerksamkeit der Fachkräfte und immer mehr besondere Förderung. Die Situation wird erschwert, wenn Eltern die Empfehlungen der Kita (z.B. eine Beratung oder Behandlung in Anspruch zu nehmen) ignorieren oder sich einer Zusammenarbeit verweigern.

Die häufig beengte Raumsituation und die hohe Lärmbelastung sind weitere Beanspruchungen am Arbeitsplatz, insbesondere in den großen Einrichtungen. Die Betreuungszahlen sind kontinuierlich angestiegen, auch mussten vermehrt Container angemietet werden. Erst im Kita-Jahr 2013/2014 ist es bisher gelungen, in den Kindergartengruppen eine Belegung im Ausnahmebereich zu vermeiden bzw. in einigen Fällen nur geringfügig zu überschreiten (21. und 22. Platz).

Die Belastungen der päd. Fachkräfte sind somit um ein Vielfaches gestiegen. Die Folge ist ein hoher Krankheitsstand, sowohl mit häufigen Kurzzeiterkrankungen wie auch langfristigen Personalausfällen. Inzwischen ist jede Einrichtung durch Langzeiterkrankte, akut Erkrankte sowie Urlaubs- und Überstundenausfälle chronisch unterbesetzt. Diese Situation führt zwangsläufig zur Überlastung der verbleibenden Kräfte, was wiederum krankheitsbedingte Ausfälle nach sich zieht.

Es ist schwierig, kurzfristige Vertretungen (z.B. bei Urlaub oder Fortbildung) durch die Normalbesetzung abdecken zu können. Durch die starke Zunahme des Verwaltungsaufwandes ist es den Leiter/innen nicht mehr wie in früheren Jahren möglich, in den Gruppen zu vertreten und wenn, dann leidet die Leitungstätigkeit darunter. In allen Einrichtungen führt dies zu Problemen; die Beschäftigten bauen weiter Urlaubsrückstände und Überstunden auf.

 Aufgrund der Personalausfälle besteht häufig eine schlechte Fachkraft-Kind-Relation weit unter dem rechnerischen Personalschlüssel. Die Einrichtungen stehen hierdurch unter erheblichem Druck, auch durch den berechtigten Anspruch der Eltern, die ihre Kinder unter bestmöglichen Bedingungen betreut wissen wollen. Die Erzieher/innen tun ihr Bestes und gehen bis an ihre physischen und psychischen Belastungsgrenzen. Eine qualitative Arbeit, wie es den geforderten Ansprüchen und Vorgaben nach notwendig wäre, lässt sich in der Form jedoch kaum erfüllen. Hinzu kommt chronischer Zeitdruck mit wenig Zeit für die Kinder und für die mittelbare pädagogische Arbeit (z.B. für Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche, Beobachtung und Dokumentation, Erstellung von Entwicklungsberichten, Kooperation mit anderen Institutionen wie Jugendamt etc.).

Gleichzeitig wird die geforderte Qualitätsentwicklung und -sicherung immer wichtiger, da die gemeindlichen Kitas mit steigenden Platzzahlen bei anderen Trägern auch um die Aufnahme von Kindern konkurrieren werden. Hier stellt sich dann für Eltern womöglich nicht nur die Frage, wer das bessere Konzept hat, sondern auch, welcher Träger ein ‚guter‘ Arbeitgeber ist, denn entscheidend für die Qualität einer Einrichtung (neben gut ausgestatteten Räumlichkeiten) ist vor allem eine angemessene Ausstattung mit qualifiziertem Personal.

Die Situation hat sich mittlerweile verschärft durch den deutlich spürbaren Fachkräftemangel. Unabhängig von der großen Herausforderung für die Kommunen, die Krippenplätze zeitlich und finanziell umzusetzen, ist es für alle Träger bereits jetzt ein großes Problem, ausreichendes und qualifiziertes Personal zu finden. Dies gilt für alle Betreuungsformen, insbesondere aber im Hortbereich wegen der häufig geringen Arbeitszeiten. Häufig sagen Bewerber/innen für eine Stelle zu und kurzfristig wieder ab, da Teilzeitstellen weniger attraktiv als Vollzeitstellen sind. Viele Städte und Gemeinden sind inzwischen dazu übergegangen, über sog. Springerkräfte den laufenden Betrieb zu entlasten bzw. aufrecht zu erhalten, wie eine Anfrage der Gleichstellungsbeauftragten im Jahr 2012 deutlich machte (siehe Anlage).

Durch den Krippenausbau dürfte sich dieser Personalmangel noch weiter verstärken, weshalb es bei den Einstellungen immer häufiger zu Kompromissen kommt. Inzwischen werden statt ausgebildeter Kräfte mit Ausnahmegenehmigung des Kreises Segeberg Quereinsteiger/innen eingestellt, z.B. Lehrkräfte, teilweise aber auch praxisfremde Personen, die umgeschult wurden oder nachzuqualifizieren sind. Fachlich nicht ausgebildetes Personal bindet wiederum Ressourcen in den Einrichtungen, da diese Kräfte nicht allein arbeiten dürfen bzw. auch nicht können. Fälle häufen sich, in denen das Arbeitsverhältnis noch während der Probezeit gekündigt werden musste oder eine Übernahme nach der Probezeit nicht erfolgen konnte.

Unter den Beschäftigten herrscht große Unzufriedenheit, was auch eine teilweise hohe Fluktuation des Personals zur Folge hat, die inzwischen zu anderen Trägern abwandern oder wegen dauerhafter gesundheitlicher Probleme (psychisches Erschöpfungssyndrom bzw. neurologische Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen, Erkrankungen der Atemwege, Hörschäden etc.) ganz ausfallen.

Einzelne Gruppen oder die gesamte Einrichtung wegen Personalmangels zu schließen, ließ sich bisher verhindern, allerdings nur unter größten organisatorischen Anstrengungen. Die geschilderte Personalsituation und die notwendige flexible Reaktion darauf bereitet einen immensen und zeitlich steigenden Aufwand, sowohl in der Verwaltung wie in den Kitas. Die Personalabteilung ist sehr darum bemüht, Unterstützung durch Vertretungen aus anderen Einrichtungen zu organisieren, die dortigen Kräfte sind jedoch nur bedingt abkömmlich und reichen bei weitem nicht aus.

Die Leitungskräfte haben die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wiederholt thematisiert. Seit mehreren Jahren suchen Verwaltung und Einrichtungen nach Lösungsmöglichkeiten, wie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erzielt werden kann.

Um überhaupt Kräfte zu bekommen, wird dazu übergegangen, Quereinsteiger/innen über die nebenberufliche Ausbildung einzustellen. Außerdem erfolgte in den beiden größten Einrichtungen Schulstraße und Theodor-Storm-Straße die Neueinstellung von Hortkräften in Vollzeit, um sie am Vormittag im Elementarbereich und im Notfall vertretungsweise in der jeweils anderen Einrichtung einsetzen zu können. Ebenso wurden zum 01.09.2013, wie seitens der Politik beschlossen, wieder drei FSJ-Kräfte (Beckersberg, Schulstraße, Am Wöddel) sowie in den anderen Einrichtungen (außer Hort Abschiedskoppel) sechs Langzeitpraktikanten eingesetzt.

Diese Maßnahmen reichen jedoch nicht aus. Um die Ausfälle zu kompensieren, ist es aus Sicht der Verwaltung notwendig, dass in jeder Einrichtung eine feste Springerkraft in Vollzeit zur Verfügung steht.

Eine Springerkraft für mehrere Kitas in Form einer sog. Poolbildung stellt keine Lösung dar, da sich der Wechsel zwischen den einzelnen Einrichtungen regelmäßig problematisch gestaltet. In der Praxis ergeben sich häufig Reibungspunkte, besonders in Bezug auf die verschiedenen Dienstpläne, Terminierungen für notwendige Dienstbesprechungen, konzeptionelle Unterschiede oder Beschwerden von Eltern wegen wechselnder Bezugserzieher/innen. Gleichzeitiger Einsatzbedarf in verschiedenen Einrichtungen würde wieder einen enormen Koordinierungsaufwand in der Personalabteilung verursachen, abgesehen von der Schwierigkeit zu entscheiden, welcher Betreuungsnotstand der dringlichere ist.

Befriste Einstellungen oder eine Arbeitszeit unterhalb von Vollzeit bietet potentiellen Bewerber/innen keine ernsthaften beruflichen und existenzsichernden Perspektiven. Außerdem trägt eine geringe Stundenzahl oder kurze Vertretungsdauer wenig zur Identifikation mit dem Arbeitgeber bei; das Risiko des Wechsels, sobald sich eine verlässliche Stelle bietet, ist groß. Befristete Arbeitsverhältnisse sind nicht motivierend und schaffen auch nicht die notwendige Bindung zwischen Kindern und pädagogisch Fachkräften – die Qualität der Betreuung darf nicht darunter leiden.

Durch feste Springerkräfte, die grundsätzlich einer ‚Stamm-Kita‘ zugeordnet sind, muss bei akuten Ausfällen nicht erst mühselig nach einer kurzfristigen Vertretung gesucht werden. Bei personellen Notfällen in einer anderen Einrichtung könnten diese in Absprache eingesetzt werden – diese Flexibilität wird erforderlich sein.

Eine solche Maßnahme hätte langfristig positive Effekte bei der Personalrekrutierung (Stichwort ‚attraktiver Arbeitgeber‘): die Belastung des Stammpersonals reduziert sich, feste Pausenzeiten sind möglich, Handlungsspielräume erhöhen sich, das Teamklima kann sich verbessern, die Teilnahme an Fortbildungen etc. ist wieder besser möglich. Ebenso erfolgt eine Entlastung der Personalabteilung bzw. der Verwaltung insgesamt.

Bereits seit Jahr 2010 wurde immer auch wieder von Elternvertretern u.a. im Kita-Beirat die Frage gestellt, ob die Gemeinde feste Springerkräfte einsetzen könnte. Aufgrund der hohen Kosten hat die Verwaltung bisher hiervon zunächst Abstand genommen.

Aus Sicht der Verwaltung ist dies aber nun trotz der angespannten Haushaltslage und den Vorgaben des Finanz- und Wirtschaftsausschusses an die Fachausschüsse, Einsparvorschläge zu unterbreiten, nicht mehr vertretbar.

Die Personalkosten für eine Vollzeiterzieherstelle betragen etwa 45.000 – 50.000 € jährlich, für 10 Kindertagesstätten wäre dies demnach zusätzliche Personalkosten von etwa 450.000 – 500.000 €.

Die Betriebskosten von Kindertageseinrichtungen werden u.a. durch Zuschüsse des Landes und Kreises gefördert. In früheren Jahren erfolgte noch eine Personalkostenförderung, seit dem 01.01.2011 ist die Förderung umgestellt in eine Betriebskostenförderung, die ein Punktesystem als Grundlage hat. Landes- und Kreismittel bilden das insgesamt zu verteilende Budget. Kriterien für die Ermittlung der Leistungspunkte sind u.a die genehmigten Plätze und die tägliche Betreuungszeit je Gruppe, nicht aber die Personalkosten oder ein höherer und nicht genehmigter Betreuungsschlüssel. Eine Erhöhung der Personalkosten führt demnach leider nicht zu einer Erhöhung der Betriebskostenzuschüsse.

Die Kosten für die Springerkräfte müssen in zukünftige Kita-Gebührenkalkulationen einfließen. Da die Personalkosten in der Kalkulation den größten Anteil bilden, könnte es erforderlich werden, die Gebühren anzuheben. Dieses bleibt allerdings eine politische Entscheidung. Außerdem muss ggf. geprüft werden, welche Auswirkung, u.U. auch finanzieller Art, die Bereitstellung zusätzlichen Personals in Form von Springerkräften auf die Kita-Finanzierungsverträge mit den externen Trägern hinsichtlich der hierin zu berücksichtigenden Kostenrahmen und Personalschlüssel hat.

Trotz dieser grundsätzlichen Problematik und der aktuellen Haushaltslage erachtet es die Verwaltung für dringend notwendig, für jede Einrichtung eine feste Springerkraft in Vollzeit mit der Qualifikation einer Erzieherin/eines Erziehers einzustellen und zwar schnellstmöglich. Nur so kann gewährleistet werden, dem belasteten Gesundheitszustand der Beschäftigten entgegenzuwirken und die Qualität der pädagogischen Arbeit zu sichern und weiterzuentwickeln.

H-UN

26.11.2013

 

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