„Das ist doch so üblich in der Gemeinde“

„Nicht mal über den neuen Bauhof haben die Henstedt-Ulzburger Nachrichten berichtet“, führte die stellvertretende Bürgermeisterin in ihrer Rechtfertigungsrede auf der jüngsten Gemeindevertretersitzung unter anderem als Grund dafür an, warum sie die Henstedt-Ulzburger Nachrichten nicht mehr bei den Pressegesprächen dabeihaben wollte. Am Mittwoch sind wir allerdings wirklich nicht mehr drum herum gekommen, über den neuen gemeindlichen Lagerplatz für Maschinen und Baumaterial zu berichten. Denn der soll glatte 250.000 Euro teurer werden!

Nicht weil irgendwelche unvorhergesehenen Schwierigkeiten aufgetreten sind. Sondern einfach, weil das Außengelände noch fertiggestellt werden muss.

Das Problem: Die Verwaltung hat offenbar die ehrenamtlichen Politiker über die wahren Kosten des Neubaus nicht richtig informiert. Denn in der Kostenvergleichsrechnung, in der die Verwaltung den Gemeindevertretern vorrechnete, dass ein Neubau langfristig vorteilhafter sei als die Weiternutzung des bisherigen Standorts zur Miete, tauchen die Kosten für das Außengelände nicht auf.

Entsprechend verwundert waren die Ausschussmitglieder: Es gab wütende Zwischenrufe aus der zweiten Reihe und BFB-Mann Jens Iversen griff die Verwaltung scharf an: Die Begründung lese sich wie Hohn, zudem hätten die Kosten doch mit eingerechnet werden müssen.

Doch der entrüstete Aufschrei der Politiker, er war nicht mehr als ein laues Lüftchen. Denn am Ende blieben die von der Verwaltung angemeldeten 250.000 Euro für die Außengestaltung des Baubetriebshofs kurioserweise einfach drin im Haushalt 2013.

Niemand kam auf die Idee einfach mal „Stopp!“ zu rufen. Und erst einmal eine gründliche Untersuchung des Vorgangs zu fordern. In der Fragen beantwortet werden – nach der Verantwortung, nach Konsequenzen.

Vielleicht ja deswegen, weil die Mandatsträger schon vollkommen desillusioniert sind – über die Macht, die ihnen die Bürger und Bürgerinnen alle vier Jahre verleihen. Und gar nicht mehr glauben, etwaige Missstände beseitigen zu können.

Oder manche Absurdität für die Politik einfach schon zur Gewohnheit geworden ist.

Diesen Eindruck gewann man jedenfalls direkt im Anschluss an die Haushaltsberatungen: Da sollten die Politiker über einen Bauantrag befinden. Es ging um einen Anbau an ein Einfamilienhaus im Buchenweg mit zusätzlichem Wohnraum im Erd– und im Obergeschoss.

Bei der Beurteilung eines solchen Antrags geht es um ganz grundsätzliche Dinge: Ist das Vorhaben bei gegebener Grundstücksfläche zulässig, fügt es sich in die nähere Umgebung ein, bleibt das Ortsbild unbeeinträchtigt?

Ein Mann hatte sich tatsächlich kundig gemacht: ein Ausschuss-Hinterbänkler, der gar nicht Ausschussmitglied ist, aber als Gemeindevertreter Rederecht hat – Bürgervorsteher Carsten Schäfer.

Er war im Buchenweg vorbeispaziert, und die Informationen, die er mitbrachte, hatten verblüffenden Neuigkeitswert: „Der Anbau ist doch schon fertig“, rief Schäfer in die Ausschussrunde. Wow – was für eine Mitteilung, und was für ein Pech für den Antragsteller. Denn jetzt werden die Entscheider den Antrag schon aus Prinzip ablehnen….sollte man annehmen.

Doch Schäfer erntete für seine Beobachtung nicht mehr als ein müdes Achselzucken. Und eine erstaunliche Antwort von SPD-Mann Siegfried Ramcke, der seit März auch das Amt des zweiten stellvertretenden Bürgermeisters inne hat: „Das ist doch so üblich hier in der Gemeinde.“

Dem „Bauantrag“ wurde ohne Diskussion zugestimmt. Einstimmig.

Christian Meeder

7.9.2012

2 thoughts on "„Das ist doch so üblich in der Gemeinde“"

  1. Kleine Korrektur, Herr Meeder: Die Kosten für die Außengestaltung waren sowohl im Kostenvergleich „Mieten-Kaufen-Neubauen“ mit 250.000 € als auch in der ersten Kostenschätzung der Architektin mit 300.00 € enthalten. Die Gesamtkosten sollten hiernach 1,6 Mio.€ betragen. Zu viel für die Kommunalpolitiker, die Einsparmöglichkeiten überprüft haben wollten. Das Ergebnis war: Reduzierung auf 1,35 Mio €, „Kosteneinsparungen konnten vor allem beim Bau der Außenanlagen und….erzielt werden. Die Planung für die Herrichtung der Außenanlagen wurde dabei auf das absolut Wesentliche beschränkt. Ergänzungen sollten hier nur erfolgen, wenn als Resultat praktischer Erfahrungen mit dem Gelände ein zusätzlicher Bedarf notwendig werden sollte.“ So wurde im Mai 2011 die reduzierte Bausumme beschlossen, die für die Außenanlagen 124.200 € vorsah.
    Weshalb hiervon abweichend – ohne den Beschluss über den abgespeckten Kostenrahmen zu erwähnen – nun zusätzlich 250.000 € in den 1. Haushaltsentwurf eingestellt wurden, wird die Verwaltung beantworten müssen. Als Begründung war zu lesen: „Nach Fertigstellung der Hochbaumaßnahme soll auch das Außengelände entsprechend den Erfordernissen an einen geordneten und funktionalen Betriebsablauf hergerichtet werden.“
    Die Ausschussmitglieder können nicht zu allen Haushaltspositionen die komplette Historie im Kopf haben, werden sich jetzt aber sicherlich wieder an den Hergang erinnern und können in der zweiten Besprechung derartige Haushaltsansätze ändern.

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