„Das Niveau sinkt“, behauptet Professor Dr. Gerhard Wolf von der Universität Bayreuth im vorvergangenen SPIEGEL und meint damit die heutige Studentengeneration. Unter anderem sei verstehendes Lesen eine Kunst, die kaum ein Erstsemester beherrsche, so der Altphilologe zum Hamburger Nachrichtenmagazin. Henstedt-Ulzburgs CDU-Parteichef Michael Meschede zeigt nun allerdings eindrucksvoll, dass auch in früheren Jahrzehnten ausgebildete Akademiker offenbar so ihre Schwierigkeiten mit dem Textverständnis haben.
Der Diplom-Kaufmann Meschede versuchte sich an der Interpretation einer Presserat-Information, scheiterte bei dem Vorhaben allerdings kläglich. In dem Presserat-Schreiben von Arno H. Weyand geht es darum, dass sein Gremium für Beschwerden über die Berichterstattung der Henstedt-Ulzburger Nachrichten nicht zuständig ist.
Meschede folgerte nun aus dieser Feststellung des Deutschen Presserats, „dass es sich bei den Ulzburger Nachrichten um kein Medium der Presse handelt, sondern vielmehr um eine privat betriebende Webseite von Einzelpersonen.“
Doch der Mann, auf dessen Aussagen sich Meschede bezog, schüttelt über die Interpretation des CDU-Ortsvorsitzenden nur den Kopf. Presserat-Referent Arno H. Weyand zu den Henstedt-Ulzburger Nachrichten: „Dass die Henstedt-Ulzburger Nachrichten kein Medium der Presse sind, hat der Presserat eben nicht festgestellt, das ist eine Fehleinschätzung seitens der CDU. Das werde ich auch der CDU noch mal mitteilen.“
Der Presserat habe stattdessen nur festgestellt, dass die Henstedt-Ulzburger Nachrichten kein Presse-Medium im Sinne des Paragrafen neun der Satzung des Deutschen Presserats seien. Danach prüfe der Presserat nur Beschwerden gegen Printmedien und deren Online-Ableger, erklärt Weyand.
Und das ist sogar schon mehr als früher, bis 2009 hat der Presserat sich nämlich ausschließlich um Druckerzeugnisse gekümmert. Wer sich bis zu dem Zeitpunkt also beispielsweise über einen Bericht von BILD.DE oder SPIEGEL-ONLINE beschweren wollte, hatte Pech. Weyand: „Wir haben dann immer abgefragt, ob es dazu eine Printveröffentlichung gibt, gab es die nicht, waren wir nicht zuständig.“
Mittlerweile kann man sich also beim Presserat auch über Berichte in den Online-Ablegern der traditionellen Medien beschweren.
Über reine Onlinemedien wie die Henstedt-Ulzburger Nachrichten aber nicht, weil – so Weyand – dafür die organisatorischen Voraussetzungen nicht gegeben sind: „Wir werden ja getragen von den Verlegerverbänden VDZ und BDZV und dadurch haben wir natürlich eine Zuständigkeit für die Mitglieder dieser Organisationen. Reine Onlinemedien haben keinen Dachverband, den wir ansprechen könnten. Wir müssten also quasi die Onlinemedien einzeln abfragen, ob sie unsere publizistischen Grundsätze anerkennen wollen und auch, ob sie sich mit einem kleinen finanziellen Obolus an der Finanzierung des Presserats beteiligen würden.“ Damit sei der Presserat aber derzeit personell überfordert: „Wir haben acht Leute auf unserer Geschäftsstelle und wir haben 1.200 Beschwerden im Jahr zu bearbeiten, es sprengt im Moment einfach unsere Möglichkeiten.“
Mit der Nichtzulassung einer Beschwerde über die Berichterstattung der Henstedt-Ulzburger Nachrichten hat der Presserat also keine Aussage darüber getroffen, ob die Henstedt-Ulzburger Nachrichten „Presse“ sind. „Das sind zwei Paar Schuhe“, stellt Weyand klar.
Bleibt die Frage, wer oder was den Henstedt-Ulzburger-Nachrichten-Leser Michael Meschede nun davon überzeugen könnte, dass das, was er offenbar jeden Tag mit Interesse liest, tatsächlich „Presse“ ist? Die Pressekammer des Landgerichts Kiel, die über unsere Berichterstattung zur PIPI-Party befinden musste? Die Henstedt-Ulzburger Polizei, die uns mit Pressemeldungen versorgt? Vielleicht kann ihn ja Altbürgermeister Volker Dornquast überzeugen. Denn dessen erster eingestellter Pressebericht in seinem Pressespiegel auf Volker Dornquast.de stammt – na klar – von den Henstedt-Ulzburger Nachrichten.
Christian Meeder
23. Oktober 2012