Die Spannung wird greifbar sein, wenn am kommenden Mittwoch, 14. September, die Wahlkreis-Mitgliederversammlung der CDU im Bürgerhaus ihren Kandidaten für die vorgezogene Landtagswahl im kommenden Jahr nominiert. Zur Wahl im Bereich Segeberg-West stehen der bisherige Mandatsträger Wilfried Wengler und Volker Dornquast, seit 2009 Staatssekretär im Kieler Innenministerium und vorher 21 Jahre Bürgermeister in Henstedt-Ulzburg.
Der Stratege Dornquast hatte im Frühjahr überraschend seinen Hut in den Ring geworfen – wohl aus Angst davor, dass die CDU angesichts der politischen Großwetterlage beim nächsten Urnengang in Kiel die Regierungsmehrheit verlieren und er seinen Job samt Dienstwagen und Fahrer einbüßen könnte. Mit 60 Jahren wäre der Jurist pensionsberechtigt. Aber der Ex-Bürgermeister braucht den Unruhestand, kann wohl nicht ohne Einflussnahme.
Und für einige Unruhe sorgte die Art, wie er seine Kandidatur anging: Nur fünf Leute kannten seine Absicht, darunter Kreisvorsitzender Gero Storjohann (MdB) und der frühere Ortsvorsitzende Wolfgang Horstmann. Der wollte seinen designierten Nachfolger Michael Meschede dazu verpflichten, Dornquasts Kandidatur bei seiner Wahl zum neuen CDU-Chef in Henstedt-Ulzburg bekannt zu geben. Der überrumpelte Meschede, der erst mittags durch die Henstedt-Ulzburger Nachrichten von dem Dornquast-Coup erfahren hatte, lehnte ab, missbilligte die Nacht-und-Nebel-Aktion, so dass Horstmann selbst die Nachricht der Mitgliederversammlung als Abschiedsgeschenk präsentieren musste.
Bei der Landespartei war man von Dornquasts Vorgehen ebenfalls „not amused“: Zu offenkundig war das Vorsorge-Verhalten des Staatssekretärs für den Fall einer CDU-Wahlniederlage vielen Parteifreunden, von denen denn auch einige sogleich tuschelten, dass der Henstedt-Ulzburger bei seiner Nominierung ohnehin nur zweite Wahl gewesen sei. Diese Tatsache dürfte dem Netzwerker Dornquast vor zwei Jahren nicht entgangen sein. Und doch folgte der gebürtige Greifswalder dem Ruf in die Landeshauptstadt, bestätigte damit sein Image, ein Machtmensch zu sein.
Sein Konkurrent ist jetzt Wilfried Wengler, 67 Jahre alt, von Beruf Unternehmensberater und zweimal direkt in den Landtag gewählt. Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion ist eher ein Mann der leisen Töne, ein Feingeist, der fleißig im Hintergrund arbeitet: an Schulgesetzen, an den Problemen von AKN und A 20, am neuen Denkmalschutz-Gesetz. Er genießt hohes Ansehen in seiner Fraktion, erwarb sich hohes Ansehen im gesamten Parlament als Vorsitzender des HSH-Nordbank-Untersuchungsausschusses.
Wengler und Dornquast sind am Mittwoch nicht nur Konkurrenten, sondern seit langem schon Kontrahenten: Die einstige Nähe der beiden endete, als Wilfried Wengler, damals Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Gemeindevertretung, dem Bürgermeister die Gefolgschaft verweigerte: Dornquast wollte am Rathaus einen Brunnen bauen lassen, gestiftet und recht laienhaft konzipiert von Möbelhaus-Chef Werner Hesebeck. Der heroisch anmutende Brunnen fiel ins Wasser, weil Wengler Geschmack nicht verordnen wollte und den Fraktionszwang aufhob: Prompt stimmten zahlreiche CDU-Gemeindevertreter mit SPD und WHU gegen das Vorhaben. Das war Reserveoffizier Dornquast, Gehorsam gewohnt, zuviel: Er boykottierte die CDU-Fraktionssitzungen, an denen er sonst regelmäßig teilgenommen hatte.
Das Zerwürfnis zwischen Dornquast und den Brunnenverhinderern in der CDU-Fraktion war perfekt, die absolute Mehrheit der Partei in der Gemeindevertretung bestand fortan nur noch auf dem Papier. Die unschönen Querelen führten schließlich dazu, dass der gesamte Fraktionsvorstand mitten in der Legislaturperiode die Brocken hinschmiss. Wengler wurde vom linientreuen Folker Brocks abgelöst.
Die zweite schwere Schlappe erlitt Dornquast dann, als sein Lieblingskind Beckershof zu Grabe getragen werden musste: Eine Bürgerinitiative machte binnen weniger Tage gegen den neuen Ortsteil mobil und das Projekt zum Wahlkampf-Thema. Die Folge: Die CDU ging bei der anschließenden Kommunalwahl 2008 baden, die absolute Mehrheit war futsch durch Dornquasts hartnäckiges Festhalten an dem Großprojekt.
Die dritte Pleite erlebte der angefressene Bürgermeister, als er das lange leer stehende Rathaus-Restaurant zur Geschäftsstelle des SVHU machen wollte: Die Gemeindevertretung spielte nicht mit. So fiel es ihm dann nicht so schwer, dem Ruf nach Kiel zu folgen, und Dornquasts einstige vollmundige Äußerung, Bürgermeister in Henstedt-Ulzburg zu sein, sei für ihn der schönste Job der Welt, relativierte sich.
Jörg Schlömann