„The administration does not have the habit of keeping records“ heißt es in einer Studie des Jahres 2011. Auf deutsch: „Die Verwaltung hat nicht die Gewohnheit, Akten zu führen.“ Der Satz steht in einem OECD-Bericht zur Lage in Griechenland, ganz ähnliches haben jetzt allerdings auch Henstedt-Ulzburgs Freizeitpolitiker über das gemeindliche Verwaltungshandeln festgestellt. Ob es daran liegt, dass Henstedt-Ulzburg seit nun gut einem Jahr ohne hauptamtlichen Bürgermeister auskommen muss? Der aus vier ehrenamtlichen Politikern bestehende Rechnungsprüfungsauschuss hat gestern jedenfalls schwarz auf weiß zu Protokoll gegeben, dass in der Henstedt-Ulzburger Verwaltung griechische Verhältnisse herrschen:
So heißt es im Prüfbericht zur Jahresrechnung: „Die Mitglieder des Prüfungsausschusses tragen die Prüfungsfeststellungen zur Umbaumaßnahme an der Olzeborchschule vor. Trotz des lange bekannten Prüfungstermins werden Akten vorgelegt, die jegliche Ordnung vermissen lassen und für keinen nachvollziehbar sind. Gewählte Verfahrensweisen und das Handeln der Gemeinde sowie notwendige Abgleiche im laufenden Verfahren sind – wie in Vorjahren – nicht oder nur mangelhaft begründet und dokumentiert. Die Sachverhalte sind nicht schlüssig. Die entsprechenden Berichte an den Umwelt- und Planungsausschuss gemäß Berichtswesen zu Abweichungen bei Investitionsmaßnahmen von mehr als 10% – auch bei Einzelgewerken – sind nicht erstellt.“
Der Rechnungsprüfungsausschuss sollte die gemeindliche Jahresrechnung prüfen, mangels verfügbarer Akten und wirrer Angaben der Verwaltungsmitarbeiter waren die ehrenamtlichen Prüfer allerdings mit ihrem Latein am Ende. Die Rechnungen der 900.000 Euro schweren Umbaumaßnahme an der Olzeborchschule wurden aus der Stichprobenprüfung herausgetrennt und sollen nun extern von professionellen Wirtschaftsprüfern untersucht werden. „Es ist eine Zumutung, eine derart geführte Akte zur Rechnungsprüfung zu geben“, heißt es beispielsweise ziemlich verzweifelt zu von der Verwaltung vorgelegten Rechnungsunterlagen, die belegen sollen, warum allein für Glaser- und Metallbauarbeiten an der Olzeborchschule am Ende 111.000 Euro statt der ursprünglich vereinbarten 47.000 Euro fällig wurden.
Gestern fand nun die Aussprache über den Prüfbericht im Gemeinderat statt. Wir haben schon kurz darüber berichtet. Den Anfang machte CDU-Gemeindevertreter Dietmar Kahle. Der promovierte Naturwissenschaftler sprach im Zusammenhang mit dem Prüfergebnis der Olzeborchschule von Schlamperei und Überforderung, erklärte aber auch, dass die übrigen Stichproben seiner Meinung nach positiv ausgefallen seien.
Für WHU-Prüfmitglied Christiane Schwarz waren die festgestellten Misstände gleichwohl so gravierend, dass sie sich weigerte, der Verwaltung grundsätzlich für das Haushaltsjahr 2011 eine ordentliche Haushaltsführung zu bescheinigen. „Wenn wir in einer Stichprobe so gravierende Verstöße feststellen, muss man davon ausgehen, dass auch bei anderen Ausgabenpositionen Fehler stattgefunden haben“, so Schwarz in der Aussprache zum Prüfungsbericht.
Eine Argumentation, die SPD-Gemeindevertreterin Edda Lessing partout nicht teilen wollte. Sie störte sich offenbar schon daran, dass überhaupt der Ausbau der Olzeborchschule genauer unter die Lupe genommen worden war. Jedenfalls monierte Lessing, dass Christiane Schwarz immer wieder Maßnahmen aus dem Bereich Hoch- und Tiefbau zur genaueren Begutachtung vorschlage. Dazu muss man wissen, dass sich jedes Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses eine Maßnahme aussuchen darf, die es gerne geprüft wissen möchte.
Dann warf Edda Lessing Christiane Schwarz vor, mit ihren generellen Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit der Jahresrechnung dem gemeindlichen Image zu schaden. Die Gemeinde sei seit einem Jahr in einer schwierigen Situation, „statt dass sie mithelfen, wollen sie der Gemeinde immer nur eins reinwischen. Das ist menschlich daneben.“
Ob Gemeindevertreterin Lessing unter Mithelfen versteht, Misstände am liebsten unter den Teppich zu kehren, ließ sie offen.
Als ihr Karin Honerlah allerdings widersprach und erklärte, wenn man in den Stichproben so massive Ungereimtheiten entdecke, dann „ist das schlimm“, und ihr auch klarmachte, dass im Hoch- und Tiefbau die Musik spiele, „denn da werden die Millionen ausgegeben“, knallte Lessing regelrecht durch: „Sie sind doch bekloppt“, keifte sie Honerlah entgegen. Und machte so jedermann klar, dass die Henstedt-Ulzburger Sozialdemokratie sich dringend personell erneuern muss. Immerhin, nach einer klaren Zurechtweisung durch Bürgervorsteher Carsten Schäfer entschuldigte sich die Genossin.
Schäfer schlug sich im übrigen auch inhaltlich auf die Seite seiner früheren politischen Weggefährten. Neben den sieben WHU-Mitgliedern war er der Einzige der mit Nein votierte, als über die Rechtmäßigkeit der Jahresrechnung abgestimmt wurde.
Christian Meeder
12.12.2012