Im April hatte die Gemeindevertretung mit den Stimmen von CDU, SPD, BFB und FDP beschlossen, die Entscheidungsgewalt bei Bauanfragen auf Gemeindeseite allein der Verwaltung zu übertragen. Damit Bauvorhaben zügiger umgesetzt werden können. Entscheide die Verwaltung alleine, könne über Bauanfragen schon nach einer statt nach mehreren Wochen entschieden werden, hatte SPD-Fraktionschef Horst Ostwald den von seiner Partei eingebrachten Antrag begründet. Dazu muss man wissen, dass zwar über Baugenehmigungen die Segeberger Kreisverwaltung entscheidet, die Gemeinde aber vorab immer erst das sogenannte gemeindliche Einvernehmen erteilen muss. Geregelt sind die Zuständigkeiten für das gemeindliche Einvernehmen in der Hauptsatzung der Gemeinde.
Die Änderung der Hauptsatzung wurde nun am Mittwoch voriger Woche in einem Anzeigenblatt bekannt gemacht – drei Tage zu spät. Da Satzungsänderungen immer erst am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten, durften die Freizeitpolitiker im jüngsten Umwelt- und Planungsausschuss doch noch ein letztes Mal beim gemeindlichen Einvernehmen mitreden. Kurios: Ausgerechnet Vertreter der beiden Volksparteien, die politische Mitbestimmung bei Baugenehmigungen doch gerade für verzichtbar erklärt hatten, machten von dieser unverhofften Möglichkeit nun eifrig Gebrauch.
Als es um den Bauantrag zur Errichtung eines Wohnblocks mit sechs Wohneinheiten an der Maurepasstraße ging, wollte etwa CDU-Mann Johann Schümann wissen, wie denn der Lärmschutz geregelt sei. Und bei einem Antrag zur Nutzungsänderung eines Wohnhauses im Meisenweg zu einer psychologischen Praxis, fragte Horst Ostwald (SPD) nach, ob auch auf genügend Stellplätze geachtet worden sei. Ortsplaner Volker Duda konnte beide Fragen zufriedenstellend beantworten, insgesamt gab der Ausschuss für acht vorgelegte Bauanträge sein okay.
Das war in den vergangenen Monaten allerdings nicht immer so: Am Rhinkatenweg auf dem Rhen oder an der kleinen Sabiner Straße im Ortsteil Ulzburg verweigerten die Freizeitpolitker zunächst ihre Zustimmung zum Bau von Mehrfamilienhäusern. Sie gaben erst dann grünes Licht, nachdem bei der Stellplatzanzahl nachgebessert worden war.
Auch keine Zustimmung gab es zunächst zu einer Wohnbebauung an der Schulstraße/Ecke Eschenweg. Zwar empfahl die Verwaltung den Politikern, das Einvernehmen zu erteilen, die Ausschussmitglieder waren aber auch hier anderer Meinung, untersagten im September 2012 die Baugenehmigung für eins von drei gewünschten Mehrfamilienhäusern, auch weil sich Anwohner über die zu dichte Bebauung an ihrer Grundstücksgrenze beschwert hatten. Später gab es zwar die Genehmigung für das dritte Gebäude, die Politik setzte aber durch, dass es etwas weiter versetzt als ursprünglich geplant gebaut werden muss.
Dass die bisherige Praxis zudem nicht nur dazu geführt hat, dass die Politiker die Verwaltung kontrollieren und Fehler verhindern konnten, sondern auch die Bürger die Möglichkeit dazu hatten, erläutert WHU-Gemeindevertreter Uwe-Köhlmann-Thater: „Dadurch dass die Eschenweg-Bebauung auf der Tagesordnung war, sind überhaupt erst Nachbarn aufmerksam geworden – ach da soll gebaut werden – und aufgrund dieser Tatsache haben sie dann die Pläne eingesehen und festgestellt, wie nah die neue Bebauung an ihrer Grundstücksgrenze ist. Wenn die Verwaltung das Einvernehmen stillschweigend erteilt hätte, wären die Anwohner vor vollendete Tatsachen gestellt worden.“
Zukünftig entfällt nun also die Kontrollfunktion von Politik und Anwohnern – allein die WHU hatte im April gegen die Kompetenzabtretung an die wohl noch längere Zeit führungslose Verwaltung gestimmt.
Christian Meeder
13. Mai 2013