Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Wiking-Rezeptionist Otterstetter: Meine Treffen mit Castro, meine 5 Pässe, mein Philosophie-Club

Klaus Otterstetter (73)

Es gibt wohl kaum einen Henstedt-Ulzburger seiner Generation, der Klaus Otterstetter nicht kennt. Denn der 73-Jährige hat so viele Kontakte und Termine, dass ihm die Zeit tagtäglich davonrennt. Hier ein Treffen, da eine Besprechung, abends ein Essen – da kommt er nur selten dazu, sein schönes Haus in Henstedt zu genießen. Und er ist nicht nur eins von elf Mitgliedern im Seniorenbeirat (und das schon in der zweiten Wahlperiode), sondern auch im kommunalen Rat für Kriminalitätsverhütung. „Jetzt überlege ich, ob ich mein Leben nicht als Buch veröffentlichen sollte. Noch sind die Erinnerungen so frisch, dass ich selbst staune, wie viel mir einfällt, sobald ich darüber nachdenke.“ Ein Glücksfall, dass Klaus Otterstetter den Lesern der Henstedt-Ulzburger Nachrichten einen amüsanten Einblick in seinen riesigen Erinnerungsfundus gewährte.

Als alter Hase vom MTV-Henstedt, bei dem er über 20 Jahre im Vorstand war, rief er mit acht gleichgesinnten Männern einen Club ins Leben, der sich „Die Philosophen vom MTVH im SVHU“ nennt und sich alle 14 Tage im Tennisheim trifft. „Neben den aktuellen Themen nehmen wir uns jedes Mal einen Philosophen vor, über den wir debattieren“, sagt Otterstetter schmunzelnd und fügt hinzu, dass es immer um 19 Uhr Essen gibt. „Da muss alles seine Ordnung haben.“ Doch damit nicht genug: Seit nunmehr 15 Jahren kennen ihn die Gäste des örtlichen Wiking-Hotels als den „Mann hinter der Rezeption“, wo er immer wieder aushilft – meistens drei, manchmal auch fünf Tage in der Woche. „Ich bin so oft und so lange durch die Welt gereist, dass mir die Arbeit im Hotel überhaupt nicht fremd ist.“ Außerdem gehört er zu den Vorlesern im Kindergarten in Henstedt und Kisdorf und nimmt sich obendrein noch genügend Zeit für seine Enkelkinder, einem Zwillingspärchen, die mehr von ihm haben sollen als seine beiden Kinder, die den größten Teil ihrer Kindheit und Jugend auf ihren Vater verzichten mussten.

 

Dieses Foto mit Klaus Otterstetter (r. neben ihm) ließ Fidel Castro
eigens von seinem Hoffotografen aufnehmen.

Aufgewachsen in Sao Paulo in Brasilien, wohin sein Vater mit Frau und fünf Kindern 1940 ausgewandert ist (sein Portugiesisch sei besser als sein Deutsch – meint er), kehrte Klaus Otterstetter erst Anfang der 60er Jahre nach Deutschland zurück, um seine Studien zu beenden. Seine Laufbahn reichte danach vom Maschinenbautechniker am Reißbett bis zum Area-Manager im Export-Marketing. „80 Prozent meiner Tätigkeit bin ich nur gereist, war vorwiegend im Ausland und blieb durch die verschiedenen Aktivitäten meiner Familie fern.“

Aber es ging beruflich einfach nicht anders. Bis seine Ehe wegen der ständigen Abwesenheit 1990 zerbrach.

Im Süden von Sao Paulo lebten vorwiegend deutschsprachige Auswanderer, auch Schweizer und Österreicher. Sie hatten einen gemischten Chor gegründet, „in dem auch meine Schwester und ich sangen.“ So kam es, dass die Deutschen für die Brasilianer sangen und umgekehrt. „Da wir nie in einem Hotel übernachten konnten, sondern privat unterkamen, wurden wir Männer immer zu Familien mit Töchtern geschickt“, erinnert sich Otterstetter mit einem verschmitzten Lächeln. Als die Konzertreisen uns nach Deutschland führten, sind wir da geblieben.“ In den ersten drei Jahren lebte er in Rheinland-Pfalz, dann in Hamburg und schließlich in Henstedt-Ulzburg, wo er sich 1982 ein Haus baute.

Inzwischen hatte er in verschiedenen Firmen in Hamburg, Norderstedt und Lübeck gearbeitet, wo er medizinisch-technische Investitionsgüter herstellte. Diese Arbeit führte ihn 1991 auch nach Havanna. Hier lernte er den „Commandante“ Fidel Castro kennen lernte. „Wir haben uns später noch drei- bis viermal getroffen, anfangs auf der Messe als Repräsentant. Ich war für Pipetten und Zentrifugen zuständig, für die wir sogar eine Goldmedaille erhielten“, sagt Klaus Otterstetter nicht ohne Stolz. Und fügt hinzu: „Ich bin mir übrigens hundertprozentig sicher, dass ich wegen dieser Treffen mit Fidel Castro auch in der NSA aufgeführt bin.“

 

So viele Pässe, Fahrlizenzen und Ausweise wie Klaus Otterstetter
können wohl nur wenige aufweisen.

Fidel Castro war so angetan von der spontanen Herzlichkeit des Deutschen, dass er ihn in seinen Palast der Revolution einlud. „Als wir vor dem Bus standen, der uns zum Palazzo bringen sollten, durften wir nur einsteigen, wenn wir Einladung und Reisepapiere sowie unsere Pässe vorzeigten. Beim Palast angekommen, stiegen wir eine große Freitreppe hinauf, wo uns am Eingang alles abgenommen wurde – vom Fotoapparat bis zur Handtasche. Dann wurden die „Gäste“ aussortiert: die einen links, die anderen rechts.“ Dann wurden sie abgeholt – ohne die „Aussortierten“, die in einem Extraraum sehr bescheiden beköstigt wurden – und nach unten in einen Urwald geführt. „Hier, mitten im grünen Dschungel, fand der Empfang statt. Es gab ein großes Büfett mit allen Köstlichkeiten, die man sich nur vorstellen konnte, und Spanferkel am Spieß mit Remy Martin. Nach etlichen Stunden des Schlemmens wollte der Gast aus Deutschland schon gehen, da wandte sich Fidel Castro, der mitten in einer Traube von Menschen stand, direkt an Klaus Otterstetter: „ Mit dir möchte ich ein Foto haben.“ Er rief seinen Hoffotografen herbei, der das Foto mit dem Commandante und Otterstetter in seinen besten Jahren schoss.

Das war die Gelegenheit, an ein früheres Treffen auf einer der vielen Messen zu erinnern. Da war Fidel Castro ganz begeistert von dem Poster, das Hamburg „und diesen großen See“ zeigte. „Es war die Alster, die ihm so gefiel. Und als ich Castro das nächste Mal traf, übergab ich ihm genau dieses Bild – natürlich gerahmt, das später einen Ehrenplatz in seinen Gemächern erhielt.“ Und immer, wenn Otterstetter beruflich nach Havanna kam, stieg er im „Hotel Havanna Libre“ ab, das zum Hilton-Konzern gehörte. „Es befanden sich dort stets drei bis vier Deutsche, mit denen ich nach der Arbeit gern ein Bier trank. Dann ließen wir uns von der freundlichen Fahrstuhlführerin hinauf in den Tower zur Bar geleiten. Der Barkeeper kannte uns schon, und er machte sich einen Spaß daraus, die Touristen wegzuscheuchen, die angeblich auf unseren „Stammplätzen“ saßen …“

Ein Kongress in Havanna führte zu einem völlig überraschenden Familientreffen. „Mein Bruder arbeitete damals bei der WHO in Washington. Wir hatten uns fünf Jahre nicht gesehen und keiner wusste vom anderen, dass er sich gerade in Havanna aufhielt. Die Fahrstuhltür des Hotels öffnet sich, mein Bruder sieht mich und sagt laut zu den anderen im Fahrstuhl: „Das ist der Verrückte, von dem ich Euch so oft erzählt habe!“ Darauf folgte natürlich ein feuchtfröhlicher Abend, an dem die Otterstetters ihr unverhofftes Wiedersehen feierten.

Gabriele David

17. Januar 2014