Als ich nach drei Stunden das Haus von Doris Baum, Bürgermeister-Kandidatin von WHU und SPD verlasse, ist mir klar: Diese Frau will nicht um jeden Preis die Menschen begeistern, sie will in erster Linie ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger überzeugen. Sie will ihr Gegenüber nicht für sich gewinnen, sie will mit ihrem Gesprächspartner eine Lösung des gerade angesprochenen Problems erarbeiten. Sie ist nicht everybody`s darling, nicht die (Bau-)Wirtschaftslobbyistin. Sie buhlt nicht mit großen Worten um die Wählergunst. Sie ist kein Schnacker, Doris Baum ist eine Macherin.
Ihre nüchtern-sachliche Art spiegelt sich in der Einrichtung ihres Wohnzimmers wider: eine schlichte lederne Couchecke, zentral der große ovale Esstisch, um den sich die Baumsche Sippe versammelt, die Ereignisse des Tages erörtert. Der Mittelpunkt des Familienlebens ist aus blondem Holz, solide, schnörkellos, aber mit den bequemen Sitzmöbeln durchaus einladend. Da kann man sich schon mal drei Stunden lang mit dröger Kommunalpolitik beschäftigen.
Aber man findet nicht innerhalb weniger Minuten den „Draht“ zu Doris Baum. Smalltalk ist nicht ihr Ding. Erst nach einer halben Stunde ist die „Schnupperphase“ vorbei, als ich sie ganz konkret frage, was sie als erstes macht, wenn sie Bürgermeisterin von Henstedt-Ulzburg ist. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ich werde mir sehr viel Zeit für ein Gespräch mit Jens Richter nehmen, dem büroleitenden Beamten im Rathaus. Ich will seine Eindrücke mitnehmen, wo die Baustellen in der Gemeinde aus Sicht der Verwaltung sind.“ Erfassung des Ist-Zustandes, bevor die Arbeit beginnt.
Als nächstes wird sich Doris Baum mit den Abteilungsleitern zusammensetzen, um zu erfahren, wo in deren Bereich der Schuh drückt, aber auch um sie von ihrem Wunsch nach mehr Transparenz in der Verwaltung zu überzeugen. „Dazu gehört, dass auch interne Dienstanweisungen veröffentlicht werden, dass Vorgänge ohne Ansehen der Person nach sachlichen Kriterien behandelt werden, dass unsere Kunden auch individuell Termine mit den Rathaus-Mitarbeitern vereinbaren können – offene Sprechzeiten. Solche Neuerungen erfordern Überzeugungsarbeit, man muss bereit sein, sie auch vorzuleben.“
Jetzt ist die Verwaltungsfachfrau so richtig in ihrem Element, merkt aber, dass sie zu sehr ins Detail gerät. Schmunzelnd und fast entschuldigend erklärt sie: „Na ja, der Bürgermeister leitet eben die Verwaltung. Das steht so in der Gemeindeordnung. Da steht nichts davon, dass er nach außen blenden soll…“ Und darum will sie auch nicht alle Repräsentationstermine wahrnehmen. Sie wird den Bürgervorsteher stärker beteiligen und ihre Stellvertreter, sie will mit den Fraktionsvorständen erörtern, was in Henstedt-Ulzburg machbar ist. „Denn“, gibt Doris Baum zu bedenken, „die Gemeinde hat die höchste Verschuldung aller Zeiten: 25 Millionen Euro. Und es wären sogar 35 Millionen Euro Schulden. Aber die Verwaltung ist mit den Investitionen nicht hinterher gekommen.“
Natürlich spricht die Praktikerin auch über die Verkehrsprobleme – „mit der nötigen Ehrlichkeit gegenüber dem Bürger, auch wenn es weh tut.“ So beurteilt sie den Bau einer Umgehungsstraße, wie sie immer wieder ins Gespräch gebracht wird, durchaus skeptisch: „Wir haben gar keinen Platz dafür. Im Osten hindert uns der Naturschutz am Bau, im Westen haben wir selbst alles zugebaut.“ Und von eventuellen Fertigstellungsterminen sowie den Kosten wolle sie lieber gar nicht erst reden. Im übrigen seien 70 Prozent des innerörtlichen Verkehrs hausgemacht, das CCU werde weitere Autos anziehen. Und so macht Doris Baum klar, dass die Autofahrer sich daran gewöhnen müssten, keinen „Rechtsanspruch“ auf eine Geschwindigkeit von 50 Kilometern in der Stunde zu haben. Der A-7-Ausbau werde sogar zu einer richtigen „Durststrecke“ im Ort führen. Sie macht sich in diesem Zusammenhang für den Ausbau des öffentlichen Personen-Nahverkehrs stark mit größeren P+R-Plätzen in Ulzburg-Süd und Meeschensee. Dort müsse man aber Norderstedt und Quickborn mit „ins Boot“ bekommen.
Die Kandidatin für das Bürgermeisteramt spricht über die von der Kommunalpolitik selbst verschuldeten Verkehrsprobleme ganz unbefangen, sehr sachlich. Sie will „nicht immer alles verstecken“, will „auch morgen noch sagen können, was sie auch gestern gesagt hat“. Und sie hat nach eigener Aussage ein gutes Gedächtnis. Zu ihren weiteren Stärken zählt Doris Baum neben Ehrlichkeit und Offenheit auch Beständigkeit, Direktheit und Sachlichkeit. Ins Schwärmen gerät sie allerdings, als das Gespräch auf den SVHU kommt. Sie ist „bekennender Fan“ der Frogs, der Ligahandballer des Sportvereins. Sie und weitere Familienmitglieder sind Dauerkarten-Inhaber und werden es bleiben – egal ob zweite Bundesliga oder nicht. Und nach weiteren Fördermöglichkeiten für den Verein sucht die mögliche neue Verwaltungschefin auch schon.
Jörg Schlömann
9. März 2014