Höhere Steuern für Hausbesitzer, Hundehalter und Unternehmer, Einführung von Straßenreinigungsgebühren und Sporthallengebühren – es sind heftige Forderungen und Ideen des überparteilichen Konsolidierungsarbeitskreises, die am vergangenen Donnerstag von Henstedt-Ulzburgs Entscheidern präsentiert worden sind.
HU-Nachrichten-Chef Jörg Schlömann klingelte gestern von seinem Urlaubsort in Sachsen beim Verfasser dieser Zeilen durch, sagte mit Blick auf die mittlerweile im Internet komplett von der Verwaltung eingestellte Giftliste: „Das wäre die größte gemeindliche Steuer- und Abgabenerhöhung aller Zeiten.“
In der vergangenen Woche schrieben die HU-Nachrichten, dass die Verwaltung Familien mit kleinen Kindern stärker zur Kasse bitten will. Jetzt zeigt sich, dass nicht nur mit einer Anhebung von Kita-Gebühren geliebäugelt wird. Erstmals seit dem vergangenen Jahrhundert könnte in der Großgemeinde wieder Schulgeld eingeführt werden: geprüft wird, Nachmittagsunterricht an den beiden Gemeinschaftsschulen kostenpflichtig zu machen. Dasselbe gilt für nachmittägliche Sport- Musik- oder Englischkurse an Grundschulen sowie für die bisher kostenlose Hausaufgabenbetreuung. Beim Schulessen werden zudem höhere Preise angestrebt. Derzeit wird eine Mahlzeit Schülern für 2,50 Euro angeboten. Begründet wird eine mögliche Preisanhebung bei der Schulverpflegung auch damit, dass ja im Kindergarten stärker zugelangt werde. Dort kostet ein Essen 2,86 Euro – jedenfalls zur Zeit: Bürgermeister Bauer und die übrigen Teilnehmer des Arbeitskreises monieren in ihrem Bericht, dass die Preise seit 2004 gleichgeblieben seien.
Auch der Sport bleibt wohl nicht von höheren Gebühren verschont. Die Idee: Die Einführung von Hallenbenutzungsgebühren für Erwachsene. Ob demnächst ein Kassenhäuschen an den Hallen aufgebaut wird, oder der Sportverein die Gebühr auf seine Mitglieder umlegen soll, ist unklar. Wie auch immer die Bezahlprozedur ablaufen könnte, Fakt ist: Schon jetzt ist Sporttreiben richtig teuer in der Großgemeinde. Die HU-Nachrichten kennen in der näheren Umgebung kaum einen Verein mit höheren Mitgliedsbeiträgen als den SV-HU.
Tatsächlich gibt es so gut wie keine kommunale Steuer oder Gebühr, die nicht erhöht werden soll. Selbst die Einführung von Parkgebühren steht zur Debatte – mit Verweis auf die neuen Gebühren für P&R-Plätze in der benachbarten Hansestadt.
Und auch die gemeindliche Jugendstiftung könnte aufgelöst werden – um Verwaltungskosten zu sparen. Einstimmig hat die Konsolidierungstruppe beschlossen, die Auflösung der Stiftung zu prüfen. Der Kapitalstock der Stiftung war vor 10 Jahren durch die Rodung eines gemeindeeigenen Waldstücks und dem anschließenden Verkauf von Baugrundstücken gebildet worden.
Aus der Politik gab es am Donnerstag die Mahnung, die Ergebnisse aus den Haushaltsberatungen nicht nur als ein Sammelsurium von Steuererhöhungen darzustellen. Tatsächlich war im Bürgermeisterzimmer vor drei Tagen viel von einem künftig effizienteren und damit kostengünstigeren Verwaltungshandeln die Rede. Die Grundlage dafür soll die Einführung kaufmännischer Rechnungsregeln sein: Von der Kameralistik soll „schnellstmöglich“ auf die doppelte Buchführung umgestellt werden. Die ‚Firma’ Henstedt-Ulzburg könne dann in einer Bilanz Schulden und Vermögen gegenüberstellen und am Ende des Jahres per Gewinn- und Verlustrechnung ein nachvollziehbares Unternehmensergebnis ausweisen. Doch wann könnte damit zu rechnen sein? Kämmerin Bärbel Brix am Donnerstag: Für eine Umstellung bräuchte die Verwaltung bis zu sechs Jahre Zeit.
Eine andere Idee mehr Geld hereinzubekommen klingt da schon greifbarer. Bürgermeister Bauer sprach von milliardenschweren Brüsseler Fördertöpfen, die Henstedt-Ulzburg bisher nicht auf dem Schirm gehabt habe. So habe der ehemalige Flensburger Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner den Arbeitskreisteilnehmern klargemacht, dass selbst Planungskosten bei der Ausweisung von Gewerbegebieten zuschussfähig seien. Tscheuschner hatte die Arbeitsgruppe beraten. Als sofortige Konsequenz zu Tscheuchners Fördermittel-Nachhilfe hat Bauer zunächst die Einrichtung eines 20.000 Euro teuren Kulturworkshops verschoben. Auch dafür gebe es wohl Zuschüsse aus EU-Fördertöpfen. Doch auch die Idee bislang unbeachtete Fördertöpfe anzuzapfen, ist für die derzeitig Rathausmannschaft kurzfristig schwer umsetzbar. Es fehlt einfach das personelle Know-how. Niemand kennt sich im Rathaus damit richtig aus und weiß, was man in die EU-Formulare eintragen muss. Die Verwaltung will deswegen einen Mitarbeiter als Fördermittelspezialisten weiterbilden oder zusammen mit Nachbarkommunen einen Fördermittelexperten einstellen.
Der Gemeinde droht ein Anstieg der Schulden auf über 40 Millionen Euro in den kommenden Jahren, nach Angaben der Verwaltung unter anderem deswegen, weil sie hohe Investitionen in den Ausbau und die Erhaltung der gemeindlichen Infrastruktur stemmen muss. Tatsächlich war Henstedt-Ulzburg auch noch in der jüngeren Zeit landesweit der Ort, mit dem größten Einwohnerwachstum. Erstmals wachsen nun parteiübergreifend Zweifel, ob das gemeindliche Geschäftsmodell, immer weitere Wohn- und Gewerbeflächen auszuweisen, überhaupt das richtige war und ist. Es ist vielleicht die größte Überraschung, was Bürgermeister Stefan Bauer, CDU-Fraktionschef Dietmar Kahle, WHU-Fraktionschefin Karin Honerlah, SPD-Fraktionschef Horst Ostwald, BFB-Fraktionschef Tile Abel und FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Eberhard jetzt gemeinsam fordern: Es soll, so heißt es schwarz auf weiß im Konsolidierungspapier, „intensiv geprüft und erörtert werden, ob Henstedt-Ulzburg auch in Zukunft das Ziel einer ‚wachsenden Gemeinde’ weiter verfolgen will oder die Grenzen des Wachstums (z.B. durch die verkehrliche Situation, Kosten notwendiger Infrastruktur etc.) bereits heute erreicht sind“.
Christian Meeder
7. September 2014