Alle Achtung. Henstedt-Ulzburgs Ortsentscheider wollen hoch hinaus. Ihre neueste Vision: Ein neuer Ortsteil namens „Neue Mitte Ulzburg-Süd.“ Eine Mehrheit der Freizeitpolitiker stimmte im jüngsten IGEK-Ausschuss einem Vorschlag der Verwaltung zu, westlich der AKN-Gleise aus Ackerfläche Siedlungsfläche zu machen – bis zum Jahr 2030. Ortsplaner Volker Duda sagte: „Die Flächen direkt angrenzend an der Bahn und die Flächen westlich der Straße Beckershof sind Bauerwartungsland.“
Und was konkret soll gebaut werden? Duda im Ratsaal zu den Ortspolitikern: „Das Gebiet eignet sich für Einzelhandel“, zudem brauche die Gemeinde Wohnraum. Duda: „Denken Sie an die 500 Sozialwohnungen, die wir haben wollen.“
Zuletzt gab es Pläne, Hunderte neue Einwohner am Henstedter Friedhof sowie auf dem Rhen auf dem Wagenhuber-Gelände anzusiedeln – weil es dort jedoch mit der Verkehrsanbindung Probleme gibt, stocken derzeit die Vorhaben. Bauen an der Bahn hätte natürlich, was den Verkehr angeht, seine Vorteile. Die messerscharfe Analyse von CDU-Ratsfrau Simone Brocks: „Der Bahnhof bietet Möglichkeiten für Leute, die ohne Auto unterwegs sind.“ Damit der neue Ortsteil aber auch gut mit dem Auto erreichbar ist, will sie die Gleise in die Erde versenken: der Bahnhof müsse tiefergelegt werden, forderte Brocks.
Unzweifelhaft also große Städtebaupläne ganz im Westen der Gemeinde. Doch so richtig neu, sind die Pläne nicht, oder?
Nein, dort wurde schon vor 15 Jahren ein neuer Ortsteil namens Beckershof für 5.000 zusätzliche Einwohner ausbaldowert – bis die Planungen dann plötzlich ein abruptes Ende fanden. Warum? Ortsplaner Duda erinnert sich:“ Der Prozess ist 2008 ausgesetzt worden, das war das Ergebnis der Kommunalwahl.“ Damals hatte es einen Erdrutschsieg der WHU ergeben, die einen neuen Ortsteil ganz im Westen vehement abgelehnt hatte.
Wie ist die Lage heute?
SPD-Fraktionschef Horst Ostwald deutete im Ratssaal eine überwältigende Mehrheit für das Bauen am Bahnhof an, sagte: „Es gibt fünf Fraktionen, die den Beckershof wollen.“ Tatsächlich sind es aber nur vier: Bei der Abstimmung sagten CDU, SPD, BFB und FDP ja zur „Neue Mitte Ulzburg-Süd“ , neben der WHU schüttelten aber auch die Grünen um Kurt Göttsch mit dem Kopf und votierten mit Nein. Verena Grützbach, zweite WHU-Vorsitzende begründet ihre Ablehnung so: “ Wir können unsern Ort doch nicht weiter zupflastern und sagen, wir brauchen mehr, mehr, mehr und wissen dabei gar nicht. wie wir das verkehrlich und überhaupt infrastrukturell – Stichwort Kita-Plätze, ärztliche Versorgung – wuppen können.“
Ganz unabhängig von einer aktuellen Mehrheit bei den Freizeitpolitikern – wie realistisch ist die „Neue Mitte Ulzburg-Süd“ wirklich? Naja, mit Einzelhandel am Bahnhof macht die Gemeinde ja gerade mit dem City-Center so ihre eigenen Erfahrungen. Und eine Tieferlegung der Gleise ist von den Planern der S-Bahn, die in vier Jahren auf der AKN-Strecke nach Hamburg fahren soll, gerade aus Kostengründen abgelehnt worden. Ganz grundsätzlich könnte eine Bebauung westlich der Gleise zudem heftige Gegenwehr bei den heutigen Bewohnern östlich der Gleise provozieren. Denn der Bahnverkehr fungiert als eine Art natürliche Barriere gegen Durchgangsverkehr: Die AKN-Linie hat dazu geführt, dass es auf einem langen Bereich keine Ost-West-Verbindung gibt: wer nach Alveslohe oder Quickborn möchte, muss „außenrum“ über die Kadener Chaussee oder am Bahnhof Meeschensee vorbeifahren. Bei einem Brückenschlag über die Gleise zu Neubauten hinweg, sähe das anders aus. Verkehrsplaner, die 2008 die Auswirkungen des geplanten Ortsteils verkehrlich untersuchten, prognostizierten etwa für die Kranichstraße 8500 Fahrzeuge täglich.
Christian Meeder
28. Oktober 2020