Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Oldschool und unangepasst – Henstedt-Ulzburgs Straßen- und Wegenetz

Beckersbergstraße Höhe Olzeborchschule kurz vor Schulbeginn – Sicherheitsabstand zum rollenden Verkehr ist illusorisch

Wer zwischen Weihnachten und Silvester morgens zur Arbeit fährt, genießt die freie Fahrt auf Henstedt-Ulzburgs Straßen. Viele Alteingesessene fühlen sich sogar an vergangene Zeiten erinnert, als die Straßen der Großgemeinde noch staufrei genutzt werden konnten.

Ausgelegt auf den damaligen Verkehr und die Einwohnerzahl, wurden die Hauptverkehrsachsen im Wesentlichen in den 1960er und 70er Jahren angelegt. Für seinerzeit gut 12.000 Einwohner, die den Krämer um die Ecke bequem zu Fuß erreichen konnten, waren schmale Gehwege zeitgemäß und völlig ausreichend. Wer mit dem Fahrrad fuhr, nutzte die ohnehin durch Autoverkehr wenig befahrenen Straßen der Gemeinde. Und wer ein Auto hatte, parkte dieses stets auf dem eigenen Grundstück.

Heute sieht es ein wenig anders aus: Neben der deutlich gestiegenen individuellen Mobilität, hat sich die Einwohnerzahl Henstedt-Ulzburgs innerhalb von etwa 40 Jahren verdoppelt. Die Krämer um die Ecke gibt es nicht mehr, die durch den Supermarkt auf der grünen Wiese abgelöst wurden. Auch zur Post oder Bank müssen nach diversen Filialschließungen weitere Wege in Kauf genommen werden. Gleichauf stieg der Anteil älterer Menschen kontinuierlich, die die mittlerweile erforderliche Mobilität aus gesundheitlichen Gründen hinter das Lenkrad verlegen müssen. Und auf den Straßen, die eigentlich dem fließenden Verkehr dienen sollten, sind parkende Autos mittlerweile schon ortsbildprägend.

Alles in allem hat Henstedt-Ulzburg in allen Punkten deutlich zugelegt. Nur das Straßen- und Wegesystem scheint vor 40 Jahren vielfach stehengeblieben zu sein. Die wenigen Durchgangs- und Verbindungsstraßen wie beispielsweise die Hamburger Straße, Maurepasstraße, Beckersbergstraße, Kirchweg in Ulzburg oder die Kisdorfer Straße in Henstedt. Sie alle ächzen nicht nur unter der täglichen Blechlawine, sondern werden letztlich auch den modernen Anforderungen einer städtisch geprägten und zersiedelten Großgemeinde längst nicht mehr gerecht. Insbesondere die antiquierten schmalen Geh- und Radwege fallen dabei mit Breiten von teilweise nicht einmal 1,50 Meter Breite auf.

Am meisten zu leiden haben die Jüngsten der Gemeinde unter der vermeintlichen Straßenenge. Darauf angewiesen, ihre Ziele zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen, wird es für Kinder und Jugendliche besonders zur „Schul-Rushhour“ schon mal eng. So drängen sich über 3.000 Schülerinnen und Schüler zwischen 07:10 und 07:40 Uhr Ranzen an Ranzen an Henstedt-Ulzburgs dicht befahrenen Straßen und auf engen, lichtarmen Wegen.

Zumindest die sogenannten Helikoptereltern brauchen da nicht lange nach Gründen zu suchen, ihre Kinder per Familienkutsche risikoarm über Henstedt-Ulzburgs verstopfte Vintage-Straßen zur Schule zu bringen. Letztlich aber auch probat, wenn man bedenkt, dass durch innerörtliches Wachstum zukünftig immer mehr Verkehr aus Henstedt-Ulzburgs Bauch herausquellen wird.

Gernot Willsch

29. Dezember 2017