Wer beim Neujahrsempfang im Rathaus einen Eklat wegen der von Bürgervorsteher Carsten Schäfer initiierten Unterschriften-Aktion im „Fall Thormählen“ erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Listen lagen unschuldig im Foyer des Ratssaales und waren anfangs lediglich von 110 Besuchern genutzt worden. Und das, obwohl zwei Tage zuvor noch die FDP-Fraktion Carsten Schäfer in einem offenen Brief scharf kritisiert und ihn aufgefordert hatte, von der Unterschriftenaktion Abstand zu nehmen.
Zum Schluss war die Ausbeute allerdings ordentlich: „180 Unterschriften habe ich mit nach Hause genommen“, mailte Carsten Schäfer am Nachmittag den Henstedt-Ulzburger Nachrichten.
Prominentester Besucher war zweifellos Henstedt-Ulzburgs Alt-Bürgermeister Volker Dornquast, inzwischen zum Landtagsabgeordneten in Kiel aufgestiegen („Regieren macht allerdings mehr Spaß“), der seine ehemalige Wirkungsstätte mit seiner Frau Birgit beehrte. Zur aktuellen Situation befragt, meinte er nachdenklich: „Die Justiz ist unabhängig, und das soll sie auch bleiben. Aber sie hätte hier Prioritäten setzen müssen. Welche Auswirkungen diese Verzögerung im Fall Thormählen inzwischen hat, zeigt sich ja jetzt. Ab einer bestimmten Größenordnung kommt eine Gemeinde einfach nicht mehr ohne hauptamtlichen Bürgermeister aus – bei allem Respekt vor dem Ehrenamt. Dass eine solche Stelle so lange unbesetzt bleibt, hat es bisher auch noch nie gegeben.“
Deshalb fände er die Unterschriften-Aktion gut und legitim. „Das ist keine Justizschelte, sondern ein Hilferuf. Die Zeit ist reif.“ Außerdem müsse eine Gemeinde in einer solchen Situation zusammenhalten. „Leider haben wir immer noch zu viele Nörgler und zu wenig Hoffnungsträger.“ Zu einer Prognose, wie es mit seinem Nachfolger Thormählen wohl weitergehen könnte, wollte der erfahrene Politiker sich jedoch nicht hinreißen lassen: „Ich will weder vorverurteilen noch vorfreisprechen.“
Dass nicht alle so interessiert am Geschehen in ihrer Gemeinde teilhaben, zeigte sich, als ahnungslose Bürger fragten, wofür sie denn da ihren „Kaiser Wilhelm“ hinsetzen sollten. Keine Ahnung? Grund genug, die Namensliste noch bis Mittwoch nächster Woche im Vorzimmer der stellvertretenden Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf zur Unterschrift auch für jene auszulegen, die nicht am Neujahrsempfang teilnehmen konnten.
Aber wie es schien, waren die rund 400 Besucher der Großgemeinde keineswegs auf Krawall gebürstet, sondern wollten vor allem eines: einen harmonischen Neujahrsempfang erleben. Was nicht zuletzt den „Veranstaltern“ Carsten Schäfer und Elisabeth von Bressensdorf zu verdanken war. Mit ihren Rückblicken auf das vergangene Jahr, das mit Recht als turbulent bezeichnet werden darf, rollten sie noch einmal alles Positive aus, aber auch die Aufreger, Kritiken und Pannen, die sich letztlich doch mehr oder weniger in Wohlgefallen aufgelöst hätten wie, um nur ein Beispiel zu nennen, das „doppelte“ Logo von Henstedt-Ulzburg, das heute sehr erfolgreich genutzt werde.
Gleich dreimal ging der Bürgervorsteher ans Rednerpult, um all das los zu werden, was die Gemeinde im vergangenen Jahr in Atem hielt. Ob Auftragsvergabe oder E-Mail-Affäre, CCU oder Verkehrskollaps – am meisten betroffen zeigte sich Carsten Schäfer jedoch von dem „komplizierten Miteinander von Online-Zeitung, Politik und Verwaltung“. „Für uns eine völlig neue Erfahrung. Jemand berichtet brühwarm über politische Entscheidungen und stellt sie ins Netz. Und wartet, was Volkes Meinung dazu sagt.“ Danach habe es immer wieder Verdächtigungen und Vermutungen gegeben, die nur schwer zu ertragen seien. Und die sich letztlich fast immer als haltlos herausstellten. Gleichzeitig wünscht er sich jedoch, dass noch viel mehr über Henstedt-Ulzburg berichtet wird. „Es gibt so viele Dinge von allgemeinem Interesse, die wirklich berichtenswert wären.“ Deshalb habe die Verwaltung angekündigt, künftig eine Person mit der Wahrnehmung der Öffentlichkeitsarbeit zu beauftragen.
Es gab viel Applaus für seine Bemühungen, die Verwaltung im neuen Jahr mit blütenreiner Weste dastehen zu lassen. In der Hoffnung, dass ein Prozess in absehbarer Zeit ebenfalls endlich Ruhe bringe. Und er erinnerte daran, wie viel Zeit es wieder in Anspruch nehmen würde, bis, falls es dazu kommen sollte, ein Nachfolger für Torsten Thormählen gefunden würde. „Ich könnte noch so vieles sagen“, schloss der Bürgervorsteher entschuldigend lächelnd, „aber wir wollen doch alle noch im Hellen zu Hause sein.“ Befreites Lachen und viel Applaus.
Zur harmonischen Allgemeinstimmung trugen auch die blauweißgestreiften „Alstermöwen“ bei , die für ihre diesmal sehr melodischen Lieder größtes Lob und viel Beifall erhielten. Unverzichtbar an diesem ersten Sonntag im neuen Jahr waren natürlich auch die traditionellen Sternsinger-Kinder, die zuvor noch in der Kreuzkirche mit Pastor John Siegmund vor seiner Gemeinde gesungen hatten. Ganze 908,66 Euro hatten sie danach im Ratssaal mit ihren Körbchen für Hilfsprojekte eingesammelt und am Ende sogar die 1000-Marke erreicht – Alstermöven-Chef Alex Janke rundete den Betrag spontan auf. Wenn dieses großzügige Ergebnis kein gutes Omen für das Jahr 2013 ist!
Gabriele David
6.1.2013