Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Ansichtssache: Mein erster Besuch im City Center Ulzburg

Atmosphäre eines Wartesaals dritter Klasse

Ich hatte noch die Zeichnung vom CCU vor Augen, die die Projektentwickler Peter Skrabs und Karl Will der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hatten: eine aufgelockerte Fassade mit Sitzgruppen unter Sonnenschirmen davor. Irgendwie ansprechend, fand ich damals. Sagte mir aber vorsichtshalber: So wird’s nicht kommen. Die Skepsis war mehr als berechtigt, musste ich ich jetzt feststellen – zwei Tage nach Eröffnung des Einkaufszentrums, um das es im Vorfeld lange und äußerst heftige Diskussionen in der Bevölkerung und unter den Kommunalpolitikern gegeben hatte.

Der Platz vor dem CCU – von der Gemeinde für richtig viel Geld angelegt – vollgestellt mit Autos, vom teuren Pflaster kaum noch etwas zu sehen. Nicht so wirklich ansprechend ohne Sonnenschirme und trotz des schönen Wetters. Viele Besucher scheuten sich offenbar davor, die Tiefgarage zu benutzen. Hatten wohl im Internet von den vielen frischen Lackspuren an den Wänden gelesen, die Parkwillige angesichts der Enge mit ihren Autos unfreiwillig hinterlassen hatten. So etwas spricht sich herum und schreckt ab.

Hoffentlich spricht sich unter Autofahrern schnell herum, dass man sich, wenn man von Norden kommt, vor dem CCU links einordnen muss, wenn man Richtung Ulzburg Süd will. Sonst ist man nämlich auf der Abbiegespur zur CCU-Tiefgarage. Da hat bei der Fahrbahnmarkierung wohl die Farbe nicht gereicht. Oder sie ist eingetrocknet, weil der Pflastermaler über eine solche Verkehrsführung zu lange den Kopf geschüttelt hat.

Beim Betreten des Centers fiel mir das Versprechen von der „gehobenen Aufenthaltsqualität“ ein, das Will und Skrabs den Gemeindevertretern gegeben hatten. Was fand ich gleich am Eingang direkt neben einer Rolltreppe? Eine Anordnung von unbequemen Stühlen und Tischen – die Atmosphäre eines Wartesaals dritter Klasse in einem unscheinbaren Provinzbahnhof. Gleichzeitig aber auch ein Geschicklichkeitsparcours; denn wer sich ganz besonders gemütlich (?) direkt an der Treppe niederlassen möchte, muss auf dem Weg vom Tresen den Kuchen und die Kaffeetasse erst einmal durch die Sitzreihen balancieren.

Aber es ist jedenfalls hell, so dass man sehen kann, wo man anecken könnte. Aber es ist auch laut: musikalische Dauerberieselung aus einigen Geschäften, unterbrochen von den Durchsagen des Supermarktes, des Hauptmieters im CCU. Noch ein Supermarkt in Henstedt-Ulzburg also, aber wenigstens von einer Kette, die in der Großgemeinde bisher noch nicht vertreten ist. Aber die anderen haben in der Zwischenzeit natürlich nicht geschlafen und nachgerüstet, so dass es jetzt bei real zum Beispiel auch frischen Fisch gibt. Das alles riecht für mich doch nach Verdrängungswettbewerb, was von den Befürwortern des CCU unter den Kommunalpolitikern stets verneint worden ist.

Und dann die Plünnenläden: von billig über billiger bis zu kik in der hintersten Ecke. Die perfekte Exportpräsentation der Ausgebeuteten in ganz Südostasien! Die Befürchtungen der größten Skeptiker aus der Planungszeit des CCU sind voll eingetreten – in der massiven Konzentration wohl noch schlimmer als erwartet. Ich selbst gehörte immer zu den Gegnern des CCU, habe auch nie ein Hehl daraus gemacht. Jetzt stelle ich fest: Schlimmer geht immer!
Aber das Ding ist nun einmal da. Abreißen geht wohl nicht. Es liegt jetzt an uns allen, aus dem CCU etwas zu machen, es mit Leben zu erfüllen, damit es floriert. Vielleicht ändert sich ja durch das Einkaufsverhalten der Kunden die Mieterstruktur in Sachen Qualität noch. Luft nach oben jedenfalls ist reichlich. Nutzen wir sie durch unsere Nachfragen und Wünsche.

Jörg Schlömann
19. Oktober 2014