Der Zoff um den Rewe-Bürgerentscheid hat die Landeshauptstadt Kiel erreicht. Landes-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) hat sich am Mittwoch mit klaren Worten in die Auseinandersetzung um den Rewe-Bürgerentscheid eingeschaltet. Es sei gesetzliches Recht, sich in Form von Bürgerentscheiden gegen politische Entscheidungen zur Wehr zu setzen, „das haben wir zu akzeptieren“, sagte der Freidemokrat bei einer HHG-Veranstaltung im Bürgerhaus.
Buchholz reagierte in mehreren Wortbeiträgen auf verschiedene Vorhaltungen gegen den Rewe-Bürgerentscheid. Gastgeber Ulf Pielke hatte etwa in seiner Rede vor hohen Kosten von Bürgerentscheiden gewarnt und die Gemeinde aufgefordert, Rückstellungen zu bilden. Von den anwesenden Rewe-Fans wurde zudem gefordert, Hürden für Bürgerentscheide zu erhöhen.
Buchholz, der nach der Landtagswahl im Mai ins Amt gekommen war, erklärte, Bürgerentscheide mögen Geld kosten, das sei aber der Preis der Demokratie, höhere Hürden strebe er nicht an. Der Minister wörtlich zu entsprechenden Forderungen aus dem Publikum, Bürgerentscheide zu erschweren: „Ich sehe dazu keine Veranlassung, es mag Geld kosten, aber das ist der Preis der Demokratie.“
Der Liberale, der von 2009 bis 2012 Chef des Gruner und Jahr Verlags war, verteidigte zum Verdruss der etwa 60 bis 70 Zuhörer das verbriefte Recht der Henstedt-Ulzburger, über die Ansiedlung des dann mit Abstand größten Unternehmens der Gemeinde mitzuentscheiden, sprach den verzagten Rewe-Fans aber auch Mut zu: „Ich weiß nicht, warum man Angst vor einem Bürgerbegehren hier haben sollte“, rief Bucholz in den Saal, die Rewe-Befürworter hätten doch die Argumente auf ihrer Seite.
Ein Logistikzentrum müsse möglichst nah dran an die Autobahn, das sei ökologisch und ökonomisch vernünftig und das sei in Henstedt-Ulzburg gewährleistet, sagte der Minister und appellierte daran, die argumentative Auseinandersetzung mit den Rewe-Gegnern zu suchen. Auch die derzeitigen Rewe-Mitarbeiter in Norderstedt gehören für ihn ins Entscheidungskalkül. Was passiere mit ihnen, wenn sich Rewe statt in Henstedt-Ulzburg etwa südlich der Elbe niederlasse, sagte Buchholz.
60 bis 70 Personen waren gestern der Einladung von Ulf Pielke gefolgt, unter den Besuchern waren vorwiegend HHG-Mitglieder und Politiker von CDU, FDP und SPD, von der BFB lauschte Carsten Schäfer den Ausführungen des Wirtschaftsministers. Schäfer ist Befürworter der Rewe-Ansiedlung, Angst vor einer Volksbefragung hat der Gemeindevertreter aber offenbar nicht. Als Buchholz den Bürgerentscheid verteidigte und vom Preis der Demokratie sprach, blieb es merklich still im Bürgerhaus – nur Schäfer regte sich und rief dem FDP-Politiker zu: „Richtig.“
Am Mittwoch gab es Demokratie-Nachhilfe im Bürgerhaus, in der kommenden Woche steht nun wieder Henstedt-Ulzburger Demokratie-Praxis im Rathaus auf dem Programm. Bürgervorsteher Dietmar Kahle (CDU) kündigte während der Veranstaltung eine Sondersitzung des Gemeindeparlaments an. Einziges Thema: der Rewe-Bürgerentscheid. Dazu muss man wissen: Die Segeberger Kommunalaufsicht hat den Bürgerentscheid mittlerweile für grundsätzlich zulässig erklärt, die Gemeinde hat nun noch die Möglichkeit eine Art Widerspruch gegen die Beurteilung einzulegen. Ob das passiert, hängt davon ab, zu welchen Ergebnissen die Ermittlungen von Bürgermeister Bauer geführt haben. Der frühere Polizeibeamte hatte angekündigt, Beschuldigungen nachgehen zu wollen, nach denen die Unterschriftensammler der Bürgerinitiative Ortsentwicklung im Namen der Gemeinde auf Unterschriftenfang gegangen seien. Bauer hatte davon unter anderem auf Facebook gelesen und angekündigt die Vorwürfe bestätigen bzw. widerlegen zu wollen.
So richtig Mühe gegeben bei seinen ‚Ermittlungen‘ hat sich Bauer bisher allerdings ganz offenbar nicht. Auf die Idee, einmal mit denen zu sprechen, die, von wem auch immer, beschuldigt werden, mit irreführenden Angaben Unterschriften gesammelt zu haben, ist der Verwaltungschef jedenfalls noch nicht gekommen. Bürgerbegehren-Initiator Ronald Finsterbusch, der als Zuhörer im Bürgerhaus saß, dazu auf Nachfrage zu den HU-Nachrichten: „Der Bürgermeister hat sich mit uns bisher nicht in Verbindung gesetzt.“
Christian Meeder
5. Oktober 2017