Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Kindertagesstätten: Demo vor dem Rathaus, drinnen Ovationen für Bauer und contra von den Politikern

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Protest gegen Veränderungen bei Beschäftigten der Kitas

Er habe den Ratssaal noch nie so voll gesehen, freute sich Bürgermeister Stefan Bauer zu Beginn der Hauptausschuss-Sitzung am Dienstag. Er hatte allen Grund zur Freude. Konnte er doch sicher sein, dass die vor allem weiblichen Besucher ihn unterstützen würden in seinem Vorhaben, aus den gemeindlichen Kindertagesstätten einen Eigenbetrieb zu machen. Und das Rathaus hatte nachdrücklich Eltern und Beschäftige der Einrichtungen zur Schützenhilfe ermuntert. Sie waren dem Aufruf auch prompt gefolgt, demonstrierten schon vor dem Gebäude mit Transparenten für Bauers Plan.

Der Verwaltungschef hob dann die Vorteile „seiner“ Umorganisation der Kindertagesstätten in einen Eigenbetrieb hervor: In diesem Fall blieben die Einrichtungen rechtlich Teil der Verwaltung, es bestehe kein Insolvenzrisiko, das Management der Gebäude sei problemlos, es gebe Rückendeckung dafür vom Innenministerium, Kredite seien günstiger zu erlangen. Und schließlich präferierten 84 Prozent der Beschäftigen diese Organisationsform, wollten Mitarbeiter der Gemeinde Henstedt-Ulzburg bleiben, unterstrich Bauer unter dem donnernden Beifall des Auditoriums. Für den Fall, dass die Kindertagesstätten zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt würden, befürchte er allerdings die Abwanderung zahlreicher Mitarbeiter aus diesem Bereich. An der Qualität der Kinderbetreuung ändere sich aber in beiden Fällen nichts, räumte der Rathauschef ein.

Unterstützt wurde Bauer lautstark bis hemdsärmelig von der Rechnungsprüferin, die in einer Anstalt öffentlichen Rechts die Gefahr einer Verselbstständigung sieht. Diese Betriebsform bedinge auch einen Arbeitgeberwechsel für die Beschäftigten, die doch mehrheitlich einen Eigenbetrieb wollten. „Und nur motivierte Mitarbeiter gewährleisten ordentliche Arbeit“, argumentierte die Rechnungsprüferin unter anhaltendem Applaus aus dem Rund, der bei Ausschuss-Sitzungen in der Regel nicht üblich ist. Was beide nicht erwähnten: Im Falle einer Umwandlung der Kita in eine Anstalt öffentlichen Rechts hätte der Bürgermeister keinen Einfluss mehr auf die Einrichtungen. Er „verlöre“ auf einen Schlag die Hälfte (200) seiner Mitarbeiter. Das Sagen in den Kitas hätten ein Vorstand und ein Verwaltungsrat, der von der Gemeindevertretung bestimmt wird.

Rückendeckung für Bauer vom Hauptausschuss gab es nur aus der SPD-Fraktion. Der Bürgermeister habe vieles gesagt, „was wir auch vertreten“, meinte deren Vorsitzender Horst Ostwald. Allerdings habe sich seine Fraktion noch nicht festgelegt. Man wolle das Votum des Kindergartenbeirats abwarten. Auch Christdemokraten, Liberale, BFB und WHU verzichteten darauf, zu diesem Zeitpunkt der Gemeindevertretung per Beschluss die Umorganisation der Kita in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu empfehlen. Das aber wird mit größter Wahrscheinlichkeit passieren, wenn der Hauptausschuss am kommenden Dienstag, 13. Dezember, ab 18.30 Uhr das Thema erneut behandelt.

Namens der CDU wies Brigitta Neumann darauf hin, dass die Diskussion über die Umstrukturierung der Kindertagesstätten schon seit mehr als zwei Jahren laufe, dass Gerüchte gestreut worden seien, die Kita sollten verkauft werden, als Anstalt öffentlichen Rechts erhielten sie keine Fördermittel mehr, die Mitarbeiter könnten Lohn- und Renteneinbußen haben. Neumann versicherte dem Auditorium: „Wir wollen nicht an Ihr Geld und nicht an Ihre Rentenanteile.“ Ähnliche Zusicherungen machten Vertreter von WHU, BFB und FDP. Ausschussvorsitzende Karin Honerlah (WHU) hob hervor, dass die Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts keine Verschlechterung für die Mitarbeiter mit sich bringe, dass eine Besitzstandswahrung gesetzlich verankert sei. „Wir wollen für Sie mehr Eigenständigkeit, mehr Freiheit“, rief sie den Beschäftigten zu und ergänzte: „Wir halten eine eigene Personalverwaltung für wichtig.“ Und CDU-Fraktionschef Dr. Dietmar Kahle sieht in einer Anstalt öffentlichen Rechts „größere Flexibilität“ und „auf längere Sicht die bessere Lösung“.

Der Bürgermeister konterte: Die Kita-Mitarbeiter stünden „wie eine Wand“ zur Umwandlung in einen Eigenbetrieb. „Ohne Not“ würden die Befürworter einer Anstalt des öffentlichen Rechts den Sorgen der Mitarbeiter nicht Rechnung tragen. Wieder tosender Beifall, der aber auf die Kommunalpolitiker keinen nachhaltigen Eindruck zu machen schien. Doch getragen von Applaus und anderen Sympathiebeteuerungen aus dem Saal unternahm Stefan Bauer mit hochrotem Kopf gegen Ende der Debatte einen letzten Versuch, „seine“ Lösung durchzudrücken, und schrie den Mitgliedern des Hauptausschusses entgegen: „Folgen Sie doch einmal den Vorschlägen der Verwaltung!“ WHU-Gemeindevertreter Uwe Köhlmann-Thater wies den Verwaltungschef in die Schranken: „Das ist reiner Populismus!“

Die Mutter eines Kindergartenkindes war von der Sitzung im Ratssaal tief enttäuscht und beklagte in der anschließenden Bürgerfragestunde: Sie habe gerade einen Schlagabtausch erlebt, keine Diskussion.

Jörg Schlömann

7. Dezember 2017