Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Keine Wahlsieger – verloren haben alle!

Mehr als jeder zweite Henstedt-Ulzburger hat mit seinem Wahlboykott zum Ausdruck gebracht: Mich interessiert es überhaupt nicht, was die Kommunalpolitiker machen, oder ich habe die Rangeleien der Fraktionen im Rathaus gründlich satt. Da kann kein Verantwortlicher mehr von einem Wahlsieg reden, verloren haben sie alle – nämlich den Zuspruch der Bürgerinnen und Bürger.

Das Wahlergebnis 2013 zeigt eins deutlich: Keine der etablierten Parteien hat eine wirkliche Mehrheit in der Gemeindevertretung; die nämlich haben die beiden nicht-parteigebundenen Wählergemeinschaften, die zusammen 42,2 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen können. Aber WHU und BFB sind nach ihrer Trennung im vorigen Jahr untereinander total zerstritten – unversöhnlich, wie es aussieht. Dabei waren die beiden Wählergemeinschaften vor fünf Jahren noch unter dem WHU-Dach mehr als erfolgreich mit dem erklärten Ziel angetreten, die absolute Mehrheit der CDU zu brechen.

Die Union hat jetzt mit 14 Vertretern wieder die meisten Sitze in der Gemeindevertretung; sie konnte gegenüber 2008 mehr Wählerinnen und Wähler hinter sich vereinen. Der ruhige, ja sture Kurs, den die CDU in den vergangenen fünf Jahren steuerte, hat sich offenbar ausgezahlt. Daran konnte erstaunlicherweise auch das Debakel um den beurlaubten Bürgermeister Torsten Thormählen nichts ändern, der zwar kein CDU-Mitglied ist, von ihr aber nominiert worden war. Auch die oft gehörte Kritik an der stellvertretenden Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf ließ die Anhänger der Union kalt, führte geradezu zu einer Trotzreaktion nach dem Motto: Jetzt erst recht!

Und so werden die Christdemokraten das Wahlergebnis wohl weiter als Legitimation für einen Regierungsstil nach Gutsherrenart betrachten: Was wir wollen, ist gut für die Gemeinde, basta! Bürger dürfen uns zuhören, bestenfalls zustimmen. Wer anders denkt, liegt falsch. Wer unseren Vorhaben widerspricht, ist ein ewiger Nörgler, ein unverbesserlicher Verhinderer.

Die SPD propagierte zwar Mitbestimmung und Bürgerhaushalt, büßte aber trotzdem deutlich an Sympathien ein, verlor rund fünf Prozent gegenüber 2008. Ihre Klientel missbilligt offenbar, dass die Sozialdemokraten fast nur noch als Anhängsel der Union wahrgenommen werden – nur noch in Opposition zur WHU. Die 20,7 Prozent der SPD-Wähler hätten ihre Stimme den Sozialdemokraten auch dann gegeben, wenn die rote Zaunpfähle als Kandidaten aufgestellt hätten. Die Fraktionsspitze ist durch ihre jahrzehntelange politische Tätigkeit wohl schon viel zu eng mit dem Henstedt-Ulzburger Establishment verbandelt und verschlissen. Ein neuer Kurs mit neuen Ideen ist überfällig, wenn die SPD wieder selbstbestimmte Menschen an sich binden will.

Die Wählerschaft der FDP schließlich hat sich fast halbiert. Ihren Anhängern war der Abwahlantrag gegen den Bürgermeister, auf den sich der Wahlkampf der Liberalen weitgehend beschränkte, wohl zu dürftig. Zwei Freidemokraten werden auch weiterhin die Versäumnisse der Partei in den vergangenen Wochen aussitzen – ohne wirkliche Einflussnahme.

Es wird sich angesichts des Wahlergebnisses voraussichtlich nicht viel ändern an den Rangeleien im Ratssaal, wenn sich die Fraktionen nicht darauf besinnen, gemeinsam zum Wohle der Gemeinde an einem Strang und in dieselbe Richtung zu ziehen, statt immer nur die eigenen Vorstellungen im Blick zu haben. Dann gäbe es bei Abstimmungen nicht Verlierer und Gewinner, sondern zufriedene Gesichter, die vielleicht sogar lächeln. Dann hätten unsere Freizeitpolitiker vielleicht sogar Freude an ihrem „Hobby“ und daran, dass in fünf Jahren wieder mehr Menschen den Weg an die Wahlurnen finden, weil auch die zufrieden sind mit dem, was die Volksvertreter für sie erreicht haben.

Jörg Schlömann

27, Mai 2013