Wahlkampf-Wahnsinn in Ulzburg-West. Die Anwohner im Wahlkreis eins haben einen Brief von Folker Brocks bekommen. Darin macht der CDU-Direktkandidat Wahlkampf gegen die eigene Partei. Das CDU-Schwergewicht ruft in dem Schreiben seine „Nachbarn und Mitbürger“ auf, ihn zu wählen, um eine westliche Umgehungsstraße zu verhindern. Wörtlich heißt es in dem Flyer: „Ich rufe Sie auf: gehen Sie zur Kommunalwahl am 6. Mai und machen Sie die Wahl zu einer Abstimmung über die Umgehungsstraße. Ich verspreche Ihnen, mit vollem Einsatz gegen die Umgehung zu kämpfen. Messen Sie mich daran.“
Mit seinem Wahlaufruf stellt sich Brocks frontal gegen die eigene Parteilinie. Die örtlichen Christdemokraten fordern seit geraumer Zeit eine westliche Umgehungsstraße: in der aktuellen CDU-Wahlbroschüre CDU-Aktuell beschwert sich etwa Gemeinderat Jens Müller darüber, dass in der laufenden Wahlperiode ein CDU-Antrag, die Trasse zu planen, von den anderen Fraktionen nicht unterstützt worden sei.
Die Gründe, die Brocks gegen die Umgehungsstraße anführt, könnten bei der WHU abgeschrieben sein. Brocks in seinem Schreiben: „Die Argumente sind auf unserer Seite. Unsere Verkehrsbelastungen sind hausgemacht. Nahezu 90 % sind keine Durchgangsverkehre, sondern beginnen und enden in Henstedt-Ulzburg. Es macht daher absolut keinen Sinn, einen Ort mit zwei Hauptverkehrsachsen, eine davon westlich (Hamburger Straße) und eine zweite davon westlicher (Westumgehung) zu erschließen.“
Unklar ist zur Stunde, welchen Rückhalt Brocks bei seinem Kampf gegen die offiziellen CDU-Pläne hat. Nach eigenen Angaben ist er kein Einzelkämpfer – die Ulzburger Wahlkreis-Kandidaten der CDU würden eine Westumgehung allesamt ablehnen, schreibt Brocks. Der Ortsteil Ulzburg hat insgesamt fünf Wahlkreise.
Was sagt die CDU-Führung zum Brocks-Wahlkampf?
CDU-Parteischef Michael Meschede reagierte am Abend nicht auf die Bitte um einen Rückruf, dafür äußerte sich Fraktionschef Sven Oldag. Er sagte den HU-Nachrichten, dass der Brocks-Brief überhaupt nicht die offizielle Parteiansicht wiedergebe. „Es gibt ganz klare Parteimeinungen, wo auch ein entsprechendes Impressum drauf ist: das ist unser Wahlprogramm, das ist die ‚CDU-Aktuell‘, das sind die Kandidatenflyer.“ Der Brocks-Brief sei auch nicht in Briefkästen eingeworfen worden, sondern hätte nur an einem Wahlstand ausgelegen. Er habe den Flyer aus dem Verkehr gezogen, sagte Oldag.
Was könnten die Motive für Brocks Abweichen von der Parteilinie sein?
Der 52-Jährige hatte vor fünf Jahren den Einzug ins Gemeindeparlament deutlich verpasst, landete im Wahlkreis 1 hinter Carsten Schäfer (BFB) und Wilhelm Dahmen (WHU) abgeschlagen auf Platz drei. Schäfer und Dahmen sind beide gegen die Weststraße, Schäfer tritt allerdings nicht mehr an. Die BFB-Gruppe hat sich mittlerweile für eine Straße über das Gestüt Hafling und die westliche Pinnauniederung hinweg ausgesprochen, Brocks sieht darin möglicherweise seine Chance.
Christian Meeder
- Mai 2018