Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Hat die Gemeinde ihren Widerstand gegen die Mega-Stromtrasse bereits aufgegeben?

Bürgermeister Stefan Bauer, Archivbild

Noch im Sommer hatte sich Bürgermeister Stefan Bauer in der Rolle einer „Speerspitze“ im Kampf gegen Höchstspannungsleitungen in Henstedt-Ulzburg gefallen. Seine markigen Worte im Waldkindergarten sind nicht vergessen: Es werde alles getan, um diese größte Einrichtung ihrer Art in Schleswig-Holstein zu erhalten. Die Gemeindevertretung beschloss einstimmig eine Resolution gegen die 380-Kv-Leitung, riesige Protestplakate wurden aufgestellt und bekunden noch immer die Haltung der Parteien gegen die geplante Stromtrasse: Widerstand!
Aber die Einstellung des Verwaltungschefs zur Höchstspannungsleitung scheint sich grundlegend geändert zu haben. In der jüngsten Sitzung der Gemeindevertretung wurde Bauer von einer WHU-Kommnalpolitikerin nach dem Sachstand sowie den Auswirkungen der Proteste gefragt. Er antwortete offensichtlich einigermaßen gereizt: Proteste seien vielleicht die Methode der Politiker, er aber habe mit den zuständigen Stellen zu verhandeln. Vergisst der Bürgermeister, dass er von der Gemeindevertretung den Auftrag hat, den Bau der neuen Stromleitung auf Henstedt-Ulzburger Gebiet mit allen Mitteln zu verhindern?

Auf die Frage, was denn aus den 3.600 Protestunterschriften von Bürgern geworden sei, musste Bauer schmallippig gestehen, dass die noch immer – nach mehr als zwei Monaten – in seinem Schreibtisch lägen. Die Henstedt-Ulzburger Nachrichten wollten vom Verwaltungschef den Grund für die schleppende Behandlung der Aktion wissen. Er selbst war für uns nicht zu sprechen, sein persönlicher Assistent Malte Pohlmann meinte, es habe sich noch keine passende Gelegenheit gefunden, dem Energiewende-Ministerium die Unterschriften in angemessener Form zu übergeben. Man verhandele jetzt über einen Termin.

Eine weitere Ungereimtheit: Warum wurden keine örtlichen Vertreter des Aktionsbündnisses 380 Kv zu den Gesprächen der Gemeindeverwaltung mit dem Energiewende-Ministerium und dem Netztbetreiber TenneT – das vorerst letzte fand am Mittwoch statt – eingeladen. Laut Malte Pohlmann war das der Wunsch des Ministeriums. Dessen Staatssekretärin wiederum versicherte dem Bündnis, die Gemeinde Henstedt-Ulzburg habe die Gespräche in „kleinem Kreis“ führen wollen. Allerdings war die örtliche Politik durch den BFB-Fraktionsvorsitzenden Tile Abel in dessen Eigenschaft als Vertreter des Arbeitskreises Ostküstenleitung vertreten. Er ist zugleich Besitzer einer Fläche, die für den Bau des geplanten Umspannwerkes in Frage kommen könnte. Der Ausschluss von örtlichen Mitgliedern des Aktionsbündnisses von den Gesprächen mit dem Ministerium ist deswegen so unverständlich, weil die den Henstedt-Ulzburger Bürgermeister stets über sämtliche Informationsveranstaltungen der TenneT und deren Argumente auf dem laufenden gehalten haben.

Im übrigen: Die Protokolle der Gespräche zwischen Gemeinde, Ministerium und TenneT lassen keinen wirklichen Widerstand des Bürgermeisters gegen den Trassenverlauf auf Henstedt-Ulzburger Gebiet erkennen. In das Bild passt auch eine Information aus zuverlässiger Quelle, die kurz vor Redaktionsschluss bei den Henstedt-Ulzburger Nachrichten einging: Danach macht man sich in der Gemeindeverwaltung bereits Gedanken über eine Verlegung des Waldkindergartens – möglicherweise nach Quickborn.

Jörg Schlömann
19. November 2015