Ein rappelvoller Ratssaal und beschwörende Worte von FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Eberhard an die Gemeindevertretung: „Meine Damen und Herren, heute abend können Sie zeigen, wofür Sie stehen: Abwahl oder Aufklärung? Geht es Ihnen nur um Posten oder um das Wohl von Henstedt-Ulzburg? Wir fordern Sie auf: Stimmen Sie diesem unwürdigen Abwahlantrag nicht zu!“
Die Antwort war eindeutig: Mit den Stimmen von CDU, SPD und der neuen BFB wurde Wilhelm Dahmen (WHU) auf Betreiben der Union aus seinem Amt als erster stellvertretender Bürgermeister abberufen. Eine Ausnahme: Bürgervorsteher Carsten Schäfer (BFB) enthielt sich der Stimme. Anders als bei der Wahl von Elisabeth von Bressensdorf (CDU) zur neuen ersten stellvertretenden Bürgermeisterin. Sie erhielt alle 22 Stimmen von CDU, SPD und BFB. Die neun Vertreter von WHU und FDP votierten gegen die Vize-Fraktionsvorsitzende der Union.
Der Chef-Liberale begründete das Abstimmungsverhalten: „Henstedt-Ulzburg hat durch die Korruptions- und Betrugsvorwürfe gegen Bürgermeister Thormählen eine Menge Probleme, die es zu lösen gilt. Damit sollten wir uns beschäftigen und nicht mit überflüssigen Personaldebatten. Wir werden vermutlich eine lange Zeit ohne hauptamtlichen Bürgermeister auskommen müssen, und wir sollten uns sicher einige Akten aus der Zeit, in der Herr Thormählen hier im Rathaus gewirkt hat, genauer anschauen.“
Und dann setzte sich Eberhard mit der zu wählenden Elisabeth von Bressensdorf auseinander: „Dieselbe Frau von Bressensdorf, die bei mir in den letzten nicht öffentlichen Sitzungen des Hauptausschusses den Eindruck erweckt hat, ihr fehle der nötige Abstand zu Herrn Thormählen. Dieselbe Frau von Bressensdorf, deren Fragen und Äußerungen im Hauptausschuss mir den Eindruck vermittelt haben, dass sie sich schützend vor Herrn Thormählen stellen wollte und dass sie eine umfangreiche Untersuchung der Vorgänge gerne verhindern wollte. Die FDP hält Frau von Bressensdorf für befangen, und wir werden sie daher nicht wählen. Die FDP will eine rückhaltlose Aufklärung und kein Unter-den-Tisch-kehren!“
CDU, SPD und BFB schwiegen zu diesen Worten, gingen im Einvernehmen mit Bürgenvorsteher Carsten Schäfer zur Tagesordnung über: Siegfried Ramcke (SPD) wurde auf Vorschlag seiner Fraktion einstimmig vom dritten zum zweiten stellvertretenden Bürgermeister „befördert“, Wilhelm Dahmen ist jetzt mit demselben Stimmergebnis dritter Stellvertreter. Damit ist die „richtige Reihenfolge“ entsprechend der Fraktionsstärke hergestellt, womit die CDU ihren Abwahlantrag begründet hatte. Ein Argument, das sich auch SPD-Fraktionschef Horst Ostwald und BFB-Fraktionsvorsitzender Tile Abel zu eigen machten.
Differenzierter sah das Klaus-Peter Eberhard. An die Adresse der CDU meinte er: „Wenn Sie diesen Antrag nur stellen, weil ja die stärkste Fraktion den ersten stellvertretenden Bürgermeister stellen muss, dann frage ich mich, wo ist Ihr Abwahlantrag für den Bürgervorsteher? Denn auch für diese Position wird der Wahlvorschlag von der stärksten Fraktion gemacht. Aber über Herrn Schäfer haben Sie ja erklärt, er mache einen guten Job. Deshalb würden Sie keinen Abwahlantrag stellen. Ich kann daraus also nur schließen: Sie glauben, Herr Dahmen macht im Gegensatz zu Herrn Schäfer keinen guten Job. Das aber haben Sie bisher nicht gesagt. Das haben Sie sich bisher nicht getraut. Sie verstecken sich hinter Formalien und beschädigen den guten Ruf von Herrn Dahmen, der sich ehrenamtlich für unsere Gemeinde engagiert.“
Bürgervorsteher Carsten Schäfer selbst, durch seinen WHU-Austritt einer der Verursacher des „Stühlerückens“ im Rathaus, war von der öffentlichen Diskussion „vor allem im Internet“ über das Gerangel um die Posten sichtlich genervt und bezeichnete schon zu Beginn der Sitzung kritische Kommentare als unsachlich und beleidigend. „Wer nichts zu sagen hat, sollte den Mund halten“, kanzelte er die – teilweise anonymen – Autoren ab und vergaß dabei offensichtlich, dass auch sie Bürger und Wähler sind und ein Recht darauf haben, ihre Meinung zu äußern. Auch wenn sie den Politikern nicht passt.
Einem namhaften Politiker jedenfalls passt ganz und gar nicht, was am Dienstag im Rathaus passiert ist: Wilfried Wengler, CDU-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Segeberg-West, teilte dem CDU-Ortsvorsitzenden Michael Meschede seinen sofortigen Austritt aus dem Ortsverband mit: Er könne die Politik der Henstedt-Ulzburger Union nicht mehr mittragen.
Jörg Schlömann
21. März 2012