Es klingt ziemlich unterirdisch was Tennet-Mann Uwe Herrmann gestern im Ratssaal erzählte: Der Energiefachmann hält einen Strom-Tunnel unter dem Rantzauer Forst für denkbar. Falls die aus Lübeck kommende Ostküstenleitung doch noch als Pilotstrecke für eine Teilerdverkabelung ausgewählt werde, könnte der Wald “unterbohrt” werden. Damit käme man ohne Kahlschlag unter dem Wald durch: “Wir können keine Waldschneise rechtfertigen”, so Herrmann.
Eine Untertunnellung für den Waldkindergarten klingt mehr als märchenhaft, andererseits – auch das HSV-Märchen wurde gestern wahr, warum also sollte es dann nicht auch eine fantastische Stromröhre unter dem Rantzauer Forst geben können?
Noch ist die Ostküstenleitung aber keine Erdkabel-Pilotstrecke, deswegen sollen die Masten nach derzeitiger Planung im Wald extra hoch gebaut werden, genau das passiere bei der schon fix und fertig durchgeplanten Nord-Süd-Trasse, der zweiten durch den Wald führenden Stromleitung, die von der A7 kommend an den AKN-Schienen bis zum Norderstedter Umspannwerk in Friedrichsgabe gebaut werde. Dort werde die Leitung über den Wald gelegt, so Herrmann, tatsächlich heißt es im Plangestellungsbeschluss für den Neubau der 380 kV-Freileitung Audorf/Hamburg-Nord durch den Rantzauer Forst: “Die Masten 176 bis 179 werden erhöht, um einen Waldbewuchs unterhalb der Masten zuzulassen.” Uwe Hermann gestern: “Ich bin sicher, dass wir zu so einer Lösung auch hier kommen werden.”
Zwei Starkstrom-Leitungen, die über Baumwipfeln schweben werden – mit möglicherweise darunter spielenden Kleinkindern. CDU-Parteigängerin Hannelore Donner war auf Zinne: ” Die Kinder werden geschmort”, rief sie in den Ratssaal.
Uwe Herrmann und sein Tennet-Kollege Till Klage wiesen solche Befürchtungen zurück: Die Nutzung des Waldkindergartens könne weitergehen, das Kita-Gebäude selber werde nicht überspannt, der Wald sei groß, man müsse halt schauen, wie sich die Kinder im Wald verteilen, so die beiden Trassenplaner.
Henstedt-Ulzburg bangt nicht nur um den Waldkindergarten, es bekommt auch ein riesiges, zehn Hektar großes Umspannwerk vor die Nase gesetzt. Das soll irgendwo im Raum Beckershof/A7 enstehen, aller Wahrscheinlichkeit mit angschlossener Konverterstation die sieben Hektar Platz braucht. So eine Anlage, die Dreh- zu Wechselstrom umwandelt, könnte in einem Umkreis von zehn Kilometern um das noch zu bauende Umspannwerk entstehen, erzählten Herrmann und Klage.
Henstedt-Ulzburgs Kommunalpolitiker wetteten gestern darauf, dass die Konverterstation unmittelbar an das Umspannwerk drangebaut werden würde. CDU-Fraktionschef Dietmar Kahle desillussioniert: “Es gibt nur einen kleinen Bereich wo es passt, nämlich bei uns.” Kahle hatte Herrmann zuvor aufmerksam zugehört. Der Tennet-Mann hatte die Leitung durch den Waldkindergarten auch mit dem Argument verteidigt, dass dort ja eh bald eine Trasse verlaufen werde (die Nord-Süd-Leitung) und der Wald dadurch sowieso an Erholungsfunktion verlieren werde. Herrmann sprach dabei von einem” raumordnerischen Grundsatz der Bündelung von vorhandenen Infrastrukturen”. Im Klartext: Dort wo eh schon eine Leitung vorhanden ist, wird bevorzugt eine zweite gebaut und einem Umspannwerk-Standort kann planungsrechtlich prima eine Konverterstation hinzugefügt werden.
Noch steht keine einzige Trasse, die Nord-Süd-Leitung ist allerdings schon ‘planfestgestellt’ und wird auch von der Großgemeinde befürwortet. Nach dem Bau dieser Leitung verschwindet dafür die bisher innerörtlich verlaufende 220-KV-Leitung, die überspannt derzeit etwa das Alstergymnasium und die Beckersbergwiesen.
Front macht Henstedt-Ulzburg gegen die Ost-West-Starkstromleitung, die planungsrechtlich noch einige Hürden zu nehmen hat. Eine erfolgreiche Mobilmachung gegen diese Trasse würde sich gleich dreifach lohnen – keine neue Trasse über Dammstücken, das Rhener Gewerbegebiet und den Waldkindergarten, kein zehn Hektar Umspannwerk und keine sieben Hektar große Konverterstation auf Beckershof-Grünland. Die Gemeinde fordert, die Trasse stattdessen an die künftige A20 zu legen.
Dabei wendet sich der Bürgermeister auch an die Landesregierung. Bauer kündigte an, jede Woche einen Handabdruck von Kindergartenkindern an Umweltminister Habeck schicken zu wollen. Wie berichtet hatten 900 Bürger eine vom Waldkindergarten organisierte Petition gegen die Stromtrasse unterschrieben, die Kita-Kinder hatten statt Unterschriften Handabdrücke angefertigt.
Christian Meeder
2. Juni 2015