Henstedt-Ulzburger Nachrichten

Bürger fordern Beendigung des Wachstumskurses – Politiker Rohlfing: Jault nicht so rum

Schlömann: „Wir müssen hier keine weiteren Wohnungen für Hamburger bauen“

Zwischen Volk und Volksentscheidern in der Großgemeinde liegen offenbar Welten. Zumindest gestern im Ratssaal. Zahlreiche Bürger forderten am Montag eine Beendigung der Wachstumspolitik in Henstedt-Ulzburg, Politiker von CDU, BFB und FDP verteidigten hingegen das Bauen von weiteren Häusern und Wohnungen. Auslöser des Aufeinandertreffens von Bürgern und Ortsentscheidern war die aktuelle Linden-Abholzung in Henstedt gewesen. Auf dem Gelände an der Kreuzung Kisdorfer Straße/Bürgermeister-Steenbock-Straße soll ein Wohnhaus gebaut werden, Grundstückseigentümer Benedikt Bauer hatte den HU-Nachrichten am Tag der Fällung gesagt, dass er demnächst mit dem Bauen loslegen wolle.

Die Ortspolitiker verurteilten zwar einhellig die Abholzung der Linde zum derzeitigen Zeitpunkt, die Mehrheit machte aber auch klar, dass der Wegfall des Baumes für Wohnbebauung und Kreisverkehrsplatz grundsätzlich erforderlich sei. „Wir müssen in die Zukunft schauen“, sagte etwa CDU-Vertreter Andre Martin. Auf Siedlungsdruck müsse reagiert werden, mehr Wohnraum werde gebraucht, mit dem geplanten Kreisel reagiere man auf den weiter zunehmenden Individualverkehr, so der Politiker. Vertreter von BFB und FDP äußerten sich ähnlich, alle drei Parteien konnten die anwesenden Bürger aber nicht überzeugen.

Die gemeindlichen Straßen können den Verkehr jetzt schon nicht mehr aufnehmen, entgegnete etwa Gerd Mahn der nahe der Usedomer Straße wohnt, und Jörg Schlömann von der Lindenretter-Initiative sagte, Siedlungsdruck gebe es aus Henstedt-Ulzburg heraus überhaupt nicht: „Wir müssen hier keine weiteren Wohnungen für Hamburger bauen“, so der Journalist im Ruhestand. Tatsache ist, dass in Henstedt-Ulzburg seit Jahren mehr Menschen sterben, als geboren werden. 2018 verzeichnete das Meldeamt im Rathaus exakt 270 Sterbefälle und 231 Geburten.

In der Bevölkerung werden die Rufe nach einem Wachstumsstopp lauter, die gemeindliche Politik mit Innenverdichtung und Einwohnerwachstum wird aber einstweilen weitergehen – alle Parteien und Wählergemeinschaften sind schließlich dafür, Unterschiede gibt es nur – wie der aktuelle ‚Lindenfall‘ zeigt – im Ausmaß. Die einen (CDU, FDP und BFB) halten Baumverluste für neuen Wohnraum eher für verkraftbar, die anderen (SPD, Grüne, WHU) weniger. Die drei letztgenannten Parteien hatten sich, um die Linde zu erhalten, für geringeren Wohnungsbau an der Ecke ausgesprochen. Aus den Reihen von Grünen und WHU wurden gestern zudem Forderungen laut, bei bereits verabschiedeten Bebauungsplänen noch einmal in puncto Baumschutz nachzubessern.

Einen kühnen Hinweis hatte gestern BFB-Landwirt Dirk Rohlfing für Bürger parat, die die Einwohnerfragestunde nutzten, um sich über die Gemeindeentwicklung zu beschweren. Rohlfing empfahl, doch einfach mitzumischen bei den Freizeitpolitikern. Sein Ratschlag an einen Fragesteller: „Jaul nicht so rum, geh in die Politik.“ Für Zuhörerin Britta de Camp-Zang hatte sich Rohlfing im Ton vergriffen. Sie kopfschüttelnd zum Rhener Landwirt: „Das sind Bürger, die Sorgen haben. Sie müssen sich Sorgen machen wiedergewählt zu werden.“

Die nächste Kommunalwahl ist erst in vier Jahren.

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13. August 2019