Von Spannung vor der Landtagswahl schrieben wir gestern angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens der großen Parteien in Schleswig-Holstein. Im Vergleich zum Bundestagswahlkampf 1972 ist dieser Wahlkampf allerdings alles andere als spannend und wohl eher mau. Denn damals war ein ganzes Land politisiert. Die Paarung hieß Willy Brandt gegen Rainer Barzel, und Zeitzeugen sprechen von einer Stimmung wie bei einem Fußballspiel – ein regelrechtes Wahlfieber war ausgebrochen. Bei stolzen 91,1 Prozent lag schließlich die Wahlbeteiligung. Niemals zuvor und niemals danach machten mehr Menschen in der Bundesrepublik von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Der Sieger des Wahlspektakels hieß am Ende Willy Brandt, sein Wahlkampfmotto: Mehr Demokratie wagen. Und der Slogan von damals findet bis heute seine Fortsetzung – auch in Henstedt-Ulzburg. Ganz aktuell ist das neue Bürgerinformationsportal ein Beispiel dafür. In diesem Onlineportal sind nun viele Politikentscheidungen für den Bürger transparent nachvollziehbar, die Teilhabe am Politikgeschehen ist nun deutlich einfacher.
Manchmal gibt es allerdings immer noch eine merkwürdige Geheimniskrämerei. Um den Inhalt der gemeindlichen Ausschreibungs- und Vergabeordnung beispielsweise. Als die Henstedt-Ulzburger Nachrichten im Zuge der Berichterstattung über die Olzeborchschule die Verwaltung mit den Inhalten der gemeindlichen Vergabeordnung konfrontierten, kam als erste Antwort eine Gegenfrage: Woher denn die Henstedt-Ulzburger Nachrichten die Vergabeordnung hätten, diese sei schließlich aus guten Gründen nicht öffentlich. Auf die Aufforderung doch einmal die guten Gründe aufzuzählen, geriet die Verwaltung dann aber in Erklärungsnot: Dem Verwaltungsfachmann am anderen Ende der Leitung wollte spontan einfach keiner einfallen.
Die Gründe für die Geheimhaltung des Städtebaulichen Vertrags zum neu geplanten Einkaufszentrum CCU scheinen auch nicht besonders stichhaltig gewesen zu sein. Jedenfalls wurde dieser jetzt doch öffentlich gemacht: auf der Homepage der Gemeinde. Im städtebaulichen Vertrag wird geregelt, welche Rechte und Pflichten die Projektentwickler haben.
Wenn man so will, macht sich in diesem Fall die Hartnäckigkeit unseres Lesers Kurt Göttsch bezahlt. Beharrlich hat Göttsch mit ständigen Nachfragen darauf gedrungen, den Vertrag doch zu veröffentlichen. Jeder könne sich dann selber ein Bild davon machen, ob die Verwaltung einen Vertrag zum Wohle der Gemeinde ausgehandelt habe.
Allen voran natürlich diejenigen, die sich mit dieser Materie gut auskennen. Wie eben Kurt Göttsch, der gelernter Immobilienkaufmann ist. Auf Bitten der Henstedt-Ulzburger Nachrichten wird Kurt Göttsch demnächst in einem Gastbeitrag ausführlich auf die Inhalte des Städtebaulichen Vertrages eingehen.
Übrigens: Mittendrin im spannenden Wahlkampfgetümmel der 70er Jahre war auch ein junger Mann aus Hamburg, der heute in Henstedt-Ulzburg immer bekannter wird und schon damals mehr Demokratie wagen wollte: der damalige Betriebsrat stand sogar gemeinsam mit Willy Brandt auf der Wahlkampfbühne. Der Mann hieß Kurt Göttsch.
Christian Meeder
2. Mai 2012