Lange stand die Ankündigung „Brot&Wein und erotische Geschichten aus der Badewanne“ im Raum – jetzt war es endlich so weit: Der Schleier über dem extravaganten „Beiprogramm“ sollte endlich gelüftet werden. Im Mittelpunkt des Abends stand jedoch zunächst die Verkostung der von Andreas Sommers frisch gebackenen Brote aus dem Elsass, aus Frankreich und Italien. Begleitet von den dazu passenden Rot- und Weißweinen aus der „Weinkate Alsterquelle“, kredenzt von Marcus Denecke. Serviert wurde das Ganze wie bereits im Frühjahr in den stilvollen Räumlichkeiten der Galerie Sarafand, Schultwiete 2. Dass an diesem Abend beinahe doppelt so viele Besucher eintrafen wie beim ersten Mal, lag wohl nicht nur an den zugegeben sehr leckeren Broten des Ernährungsberaters Andreas Sommers, sondern an der geheimnisvollen Ankündigung des zu erwartenden Spektakels.
Literatur, präsentiert in einer Badewanne? Etwa mit Wasser? Wie soll das gehen? Die Spannung stieg mit zunehmendem Verzehr von Brot und Wein, bis die Protagonistin unter großem Beifall persönlich erschien: DieReiser – ein mit Verlaub gesagt attraktives Vollweib in den besten Jahren, dem man die delikate Aufgabe ohne Weiteres abnahm. Umweht von einem Hauch verruchter Weiblichkeit nahm sie schließlich Platz in der „Badewanne“, die sich als Sitzbadewanne auf einem Podest entpuppte, ausgepolstert mit roten Samtkissen, was eher an einen bequemen Sessel erinnerte.
Während die Damen erwatungsvoll kicherten, scharrten die Herren (symbolisch) mit den Füßen, bis DieReiser ihre Stimme erhob. Und alle überrascht aufhorchten. Dieses Timbre, das alle Gefühlsregungen von sanft und leise bis leidenschaftlich erregt mühelos beherrschte, versprach einen einzigartigen Hörgenuss, inhaltlich und akustisch. „Zum Aufwärmen“ servierte sie ein erotisches Gedicht von Rilke, das den Zuhörern bereits ein leichtes Raunen entlockte, weil es bei allem literarischen Tiefgang doch ganz schön gewagt war. Eine spürbare Steigerung folgte sogleich mit der Erzählung „Hen’s Night“, unserem Junggesellenabend, der in einem einschlägigen Etablissement enden sollte. Hier zog die Schauspielerin alle Register weiblicher Scheinheiligkeit, Missgunst und Gehässigkeit unter dem Deckmäntelchen liebevoller Anteilnahme für die Braut. Ein langweiliges Mauerblümchen, das unverdient an einen Mann aus besseren Kreisen geraten war, der sie – allerdings unter unerträglichen Auflagen – heiraten wollte. Wie diese Braut im Laufe des prickelnd- erotischen Geschehens auf der Bühne aber plötzlich den Spieß umdreht, glich einem ausgeklügelten Kabinettstückchen erster Wahl! Dass danach ein Paar die Galerie noch vor der Pause verließ, „nehme ich als Kompliment“, gurrte DieReiser süffisant schmunzelnd.
Die zweite längere Geschichte spielte in einem türkischen Harem – also wieder eine gewagte Steigerung – mit einem Sultan, der seine Haremsdamen mit honigtriefendem Gebäck in Form eines Bauchnabels verwöhnte. Was da passiert, lässt sich kaum in Worte fassen. Da wäre doch eher die Fantasie des Lesers gefragt.
Nur gut, dass der Wein inzwischen seine Wirkung tat und nicht nur die Damen wie wild applaudierten und nach anfänglicher Scheu hemmungslos lachten und wieherten, sondern auch ihre Männer ungeniert losprusteten! Zugegeben, das Vokabular war meist eindeutig und oft überraschend deftig, allerdings so verführerisch und prickelnd vorgetragen, dass man es am Ende ganz selbstverständlich fand. Da wundert es nicht, dass die Vorleserin am Ende leicht lasziv über ihre Stirm strich und seufzte: „Puh, d a ist mir jetzt aber doch richtig heiß geworden. …“
Dass Manuela Reiser auch eine ernstzunehmende Schauspielerin ist, beweisen ihre Engagements in Gelsenkirchen, beim Schillertheater in Oldenburg und im Borchert-Theater in Münster, wo sie zwei Jahre gastierte. Den Kontakt zur Galerie Sarafand und damit zu Angelika Dubber entstand über das Unternehmensnetzwerk M-Point für Sprech- und Stimmtraining bei einem Vortrag über Stimmen, Funktion und Möglichkeiten. So kam es, dass diese ungewöhnliche Art von Kunst da Einzug hielt, wo sonst Gemälde, Skulpturen und Kunsthandwerk zu Hause sind. Der Gastgeber für Brot und Wein war begeistert über diese Kombination. Und noch etwas: Wer seinen Gästen auch mal einen ebenso unvergesslichen Abend bieten möchte, erreicht Manuela Reiser unter der Rufnummer 040/18 20 98 50. „Ich bin buchbar.“
Gabriele David
10. Oktober 2015