Sein Wissen um die Beschaffenheit von Steinen oder vielmehr von großen Gesteinsbrocken grenzt schon ans Metaphysische. Denn was der Norderstedter Bildhauer Jürgen Gaedke in jenen graumelierten, rauen Klötzen sieht, sieht der Laie nicht. Er aber erahnt bei genauer Betrachtung sofort die farbigen Einschlüsse, die weißen, blauen oder schwarzen Adern, die sich durch die Mitte des Steins ziehen. Und diese dann herauszuarbeiten, dass sie wie aufgepfropfte Fremdsteine wirken, bereitet ihm dabei ein besonderes Vergnügen. Ebenso wie die unterschiedlichen Oberflächen von rau bis matt oder glänzend.
„Dabei ist das Endprodukt doch immer ein Ganzes, aus einem einzigen Stein herausgefräst und poliert.“ Und das macht den besonderen Reiz seiner Objekte aus. Schließlich bestehen die meisten Steine aus ganz unterschiedlichen, über Jahrtausende gewachsenen Farbschichten. Dass der Umgang damit einmal ein so hohes Niveau erreichen würde, hätte sich Jürgen Gaedke anfangs selbst nicht träumen lassen. Aber es war vor allem die Liebe zu dieser harten, kalten Materie, die sich unter seinen Händen wie Wachs formen ließ und der er auf seine Weise Leben einhauchte. Kein Wunder also, dass er mit seinen Steinskulpturen im Jahr 2008 den Kunst- und Kulturpreis des Kreises Segeberg in der Sparte „Bildhauer und Steinmetz“ erhielt.
Seit über 30 Jahren befasst sich der 69-Jährige beruflich mit den Entwürfen für exklusive Gartengestaltung – mit Schwerpunkt Naturstein wie Granit, Marmor und Sandstein sowie Brunnenanlagen, Wasserspielen und Gartenkunst, die auch in Henstedt-Ulzburger Gärten zu sehen sind. Seit seiner Ausstellungen bei KuKuHU und in der Galerie Sarafand ist er auch hier längst kein Unbekannter mehr. Aber obwohl seine künstlerischen Kreationen bereits in Hamburg und Schleswig-Holstein in vielen Ausstellungen, in Schlossgärten und Skulpturparks zahlreiche Bewunderer fanden, pflegt Gaedke ein gewisses Understatement. Ein Charakteristikum dieses Mannes, der am liebsten allein vor sich hinarbeitet – ganz eins mit seinem Stein, dem er runde und eckige Formen entlockt, Spitzes, Stumpfes und Glattes herausarbeitet, bis ihn das Endergebnis schließlich selbst überrascht.
Im Natursteinwerk seines Bruders in Neumünster ist Jürgen Gaedke ganz in seinem Element. Hier entstehen unter viel Lärm und Schmutz seine schönsten Werke. Und gleichzeitig wird der Stein, von dem er sich inspirieren lässt, mit jedem Schlag mehr zu „seinem Modell“. Und je komplizierter sich die Arbeit dabei gestaltet, desto attraktiver entwickelt sich das spätere Kunstwerk. „Es ist auch ganz viel Technik dabei. Ich kenne jedenfalls keinen, der so arbeitet wie ich.“ Einer, der an der Vervollkommnung seines Könnens maßgeblich beteiligt ist, ist der Norderstedter Bildhauer und Dozent Thomas Behrendt. „Bei ihm konnte ich meine Fähigkeiten weiter entwickeln und wichtige Impulse für meine spätere Arbeit sammeln“, ist Jürgen Gaede überzeugt.
In seinem Haus in Harksheide, das er mit seiner Frau, einer Goldschmiedemeisterin, bewohnt, verraten die extravaganten Stehlen und Skulpturen schon am Eingangsbereich, dass hier ein Bildhauer lebt und arbeitet. Dieser Eindruck vertieft sich sowohl im Inneren des Hauses als auch im Garten, wo die fertigen und unfertigen Stücke zu bewundern sind. Denn immer wieder fällt dem „Meister“ etwas Neues ein, das das Vorhandene verändert, bis es schließlich so perfekt gelungen ist, wie es sich im Kopf des Bildhauers darstellt. Jürgen Gaedke ist zu erreichen unter der Rufnummer 040/522 59 26 und im Internet unter www.juergen-gaedke.de.
Gabriele David