Die Gemeinde will zukünftig keine Dauerpraktikanten in den gemeindlichen Kindergärten mehr einsetzen. Einen entsprechenden Antrag des Bürgermeisters hat das Ortsparlament in der vergangenen Woche mehrheitlich durchgewunken.
Hintergrund des Verzichts auf Langzeitpraktikanten ist der Mindestlohn – der Verwaltung sind 8,50 Stundenlohn zu viel. Dazu muss man wissen: Um den Missbrauch von Praktikanten als billige Arbeitskräfte zu verhindern, hat der Gesetzgeber nur Praktika bis zu drei Monaten Dauer von der Mindestlohnpflicht ausgenommen.
Das Problem: Die Gemeinde setzt in den gemeindlichen Kindertagesstätten Praktikanten für die Dauer eines Jahres ein und zahlt ihnen für einen Full-Time-Job 450 Euro im Monat.
Das ist seit Jahresanfang nun streng verboten, Helfertätigkeiten in Kindergärten ordentlich bezahlen will die Verwaltung allerdings trotzdem nicht. Sie hat ein neues legales Schlupfloch entdeckt: FSJler.
Um Langzeitpraktikanten keine 8.50 Euro zahlen zu müssen, will die Gemeinde „in den gemeindlichen Kindertagesstätten zukünftig vorrangig Plätze für ein Freiwilliges Soziales Jahr anbieten“, wie es im mehrheitlich gefassten Beschluss heißt. Das kommt der Gemeinde sogar noch billiger als die Beschäftigung von Praktikanten. FSJler bekommen nur ein monatliches Taschengeld von 275 Euro.
Die SPD, die dem Verwaltungsantrag als einzige Fraktion abgelehnt hat, greift ihre politischen Wettbewerber scharf an. Der Fraktionsvorsitzende Horst Ostwald: „Mit diesem Beschluss durch CDU, FDP sowie Stimmen von WHU und BfB wird – auf Vorschlag des Bürgermeisters – das Mindestlohngesetz unterlaufen. Auch wenn eine Gemeinde nicht gezwungen ist, Praktika anzubieten, ist es eine unerträgliche Entscheidung für einen öffentlichen Arbeitgeber mit seiner Vorbildfunktion.“
BFB-Vize Doris Dosdahl stimmte wie die Sozialdemokraten vergangene Woche ebenfalls mit Nein. Die BFB-Frau: „Ich finde, dass die SPD recht hat. Wir haben gerade das Leitbild verabschiedet. Dort heißt es: ‚Wir sind sozial‘. Das passt nicht.“
cm
24. September 2015
Ich finde es unglaublich, auf welchem Niveau diese Diskussion geführt wird.
Die Gemeinde versucht mit nicht nachvollziehbaren Maßnahmen die Personalkosten für die Betreuung der Kinder gering zu halten. Als dies nicht mehr gesetzeskonform ist, beschließt man einfach diese Stellen zu streichen. Man hofft, das sich genügend Interessenten finden die diesen Job quasi kostenlos übernehmen. Da verliert man das Vertrauen an die Politik.
Es kann kann doch nicht angehen, das Kosteneinsparungen mal wieder zu Lasten derjenigen
erfolgen die sich nicht wehren können. Noch schlimmer finde ich, das sich die politischen Lager auch noch daran beteiligen.
Nun, ich sagte nicht, daß der Einsatz von FSJ oder BFD in Henstedt-Ulzburger Kindergärten illegal ist, sondern daß man sich dabei sehr leicht in die Nesseln setzen kann…
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Das FSJ, genauso wie das BFD ist ein „Bildungsjahr“, kein „Arbeitsjahr“. Stellt sich heraus, daß der Betrieb OHNE sie nicht durchführbar wäre, sie also als „notwendige Helfer“ eingesetzt werden, wird es schnell grenzwertig…. Und das wird heutzutage tatsächlich kontrolliert! Über dies sind FSJ-ler und BFD-ler überregional organisiert und kennen ihre Rechte in der Regel genau!
Früher, als die Wehrpflicht noch nicht ausgesetzt war, brauchte man für die „Verweigerer“ politisch aus „Gerechtigkeitsgründen“ den Zivildienst…. Da ging in den Einsatzstellen so einiges durch, was heute undenkbar ist…
Die Kosten beschränken sich nicht auf das Taschengeld, es kommen noch Wohnung und Unterhalt dazu (kann auch in Sachleistungen erfolgen, also Wohnung und Verpflegung stellen). In Schleswig-Holstein kann das alles pauschaliert abgegolten werde, z.Zt. sind das 454€/monatlich plus eventuellen Wohngeldanspruch…
Es besteht ein Urlaubs- und Seminaranspruch von zusammen ca 50 Tagen im Jahr.
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Natürlich darf nicht verschwiegen werden, daß FSJ und BFD dafür pro Woche bis zu 40 Stunden zur Verfügung stehen! Auf diese Zeit kommt eine 450€-Kraft mit 8,50€ Stundenlohn nicht!
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Würde sich herausstellen, daß der Betrieb ohne den Einsatz von FSJ/BFD nicht „laufen“ würde, kollidiert das ganz schnell mit dem Arbeitsmarkt. FSJ/BFD sichern also nicht den Betriebsablauf, sie sind „nur“ zusätzlich da…
Wenn das, was Herr Wollenweber hier schreibt, Tatsache ist – und ich kann dazu leider keine Expertise abgeben – schlägt es dem Fass den Boden aus! Sollte es Fakt sein, hätten die Entscheidungsträger einen fachlich miserablen Job gemacht! Ist am Ende Verzweiflung der Treiber schlichtweg falscher Entscheidungen? Das Kommunen Geld sparen müssen, versteht man. Das dabei vielleicht auch Möglichkeiten genutzt werden, die moralisch fragwürdig sind, noch manch einer. Aber rechtlich müssen sie doch einwandfrei sein! Hoffe wirklich sehr, dass es mindestens dieses tatsächlich ist.
…. netter Versuch…, wenn das mal nicht nach hinten losgeht…
Sowohl das „freiwillige soziale Jahr“ als auch der „Bundesfreiwilligendienst“ sind per Gesetz arbeitsmarktneutral! Es dürfen keine Plätze anerkannt werden, wenn sie nachweislich einen bisherigen Arbeitsplatz ersetzen oder eine Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes erübrigen soll.
Plant die Verwaltung also zur Aufrechthaltung des Betriebes bestehende 450€-Arbeitsplätze wegfallen (oder gar nicht erst entstehen) zu lassen, setzt sie sich in die Nesseln….
Das spart Geld.
Rücklagen bilden für „M“-Klagen?
Mal was zur Seite packen für irgendwelche neuen teuren Gutachten?
Ich bin wahrhaft kein Fan der BfB, aber: “ … BFB-Vize Doris Dosdahl stimmte wie die Sozialdemokraten vergangene Woche ebenfalls mit Nein. Die BFB-Frau: “Ich finde, dass die SPD recht hat. Wir haben gerade das Leitbild verabschiedet. Dort heißt es: ‘Wir sind sozial’. Das passt nicht.” … “
Richtig! Aber leider normal.
Guten Tag,
wenn die Polemik der Meldung ignoriert, ist doch erstmal folgendes festzustellen:
– bisher wurden „450 Euro Kräfte“ als Vollzeitkräfte eingesetzt. Dies ist weder sozial noch zulässig –> die Praxis wird eingestellt
– künftig werden FSJler legal eingesetzt. Hier handelt sich um Kräfte, aus verschiedenen Gründen – nicht aber primär aufgrund der Bezahlung – das Gemeinwohl unterstützen wollen.
–> Eigentlich ist das was da beschlossen wurde doch fairer als die alte Praxis.
Zu diskutieren bleibt, wieviele FSJler verfügbar sind und wie ggf. auch ohne diese der Betrieb aufrechterhalten wird.
Gruss,
C. Rothe
Infos zum FSJ: http://pro-fsj.de/was-ist-das-fsj/
„[…]Das FSJ wird ganztägig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen, insbesondere in Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, einschließlich der Einrichtungen für außerschulische Jugendbildung und Einrichtungen für Jugendarbeit oder in Einrichtungen der Gesundheitspflege und kulturelle Einrichtungen (Einsatzstellen) geleistet.
Während des FSJ erhalten die Freiwilligen
Taschengeld,
ggf. Unterkunft und Verpflegung oder Sachleistungen,
eine beitragsfreie Versicherung in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.[…]“
Der Andrang von FSJler wird sicherlich nicht riesig sein. Wie will die Gemeinde dann den gleichen Standard halten wg. Personal ? Die Mindeslohn-Bestimmung zu unterlaufen mit einem Trick, der in einigen Firmen in anderen Form praktiziert wird (mehr Stunden fordern als bezahlen etc.) halte ich für ausgesprochen mieserabel. Jemand hier im Ort vertrat vor einigen Monaten die Meinung, hier herrsche „soziale Kälte“. Eine Partei mit einem „S“ im Namen hält sich wenigstens an das Thema Mindeslohn. Bei dem Buchstaben „C“ – nicht die Abkürzung für „Capital“ – kann man es augenscheinlich nicht erwarten, daß man sich an Gesetzte aus Berlin hält und sie nicht unterläuft um dann noch mit Einsparung zu prahlen. Wo leben wir denn eigentlich ?.
Als „christlich“ würde ich diesen Einspar-Stundpunkt nicht bezeichnen, wo eher mehr als „capitalischtisch“. Wovon sollen dann FSJler leben, die selbständig hier leben und wohnen wollen ? Aus der Sozialkasse der Gemeinde vielleicht ? Soviele FSJler wohnen bestimmt nicht in dem Schlafort (dasWort habe ich aus einer anderen kürzlichen Meinungsäußerung kürzllich übernommen).
Dieser Bürgermeister ist für mich eine einzige Enttäuschung.
Es ist für mich das erste mal, das ich meine Wahlentscheidung bereue.