Sommers: Auch ohne Prinzessin ein Genuss: die Erbse

SONY DSCDie Ferien sind zu Ende. In den Gärten – so sie denn ein wenig mehr als Zierrasen und Blumenbeete enthalten – ist Erntezeit, also Arbeit angesagt. Ernährungsberater Andreas Sommers, der natürlich einen Gemüsegarten besitzt, schickte den Henstedt-Ulzburger Nachrichten einen Gastbeitrag, der vor allem ältere Leser an ihre Jugendzeit erinnern dürfte:

Als kleines Kind liebte ich es, im Garten meiner Großeltern im Sommer die Erbsenschoten aufzubrechen und die süßen kleinen Kugeln zu naschen. Meine Großmutter warnte immer: „Aber nicht die Schale essen!“ Und sie hatte natürlich recht. Die Schale alter Erbsensorten enthielt sekundäre Pflanzenstoffe (ähnlich den Lektinen der Bohnen), die unverträglich sind. Durch Abkochen werden diese jedoch zerstört, und moderne Zuchtsorten sind weitestgehend bekömmlich (siehe Zuckerschoten).

Heute sitze ich, viele Jahre später, vor einem riesigen Berg Erbsenschoten aus dem eigenen Garten und breche die Schoten auf, drücke mit dem Daumen die kleinen Kugeln heraus. Eine kleinteilige Arbeit, sicher nicht jedermanns Sache. Viele Menschen kennen die Erbsen vor allem aus der Tiefkühltruhe oder aus der Konservendose. Im Werbefernsehen marschieren die kleinen Kugeln lustig zu Marschmusik von Johann Strauss aus der Dose direkt in den Topf.

Sicher so geht’s schneller: Dose auf, Inhalt ab in den Topf, dazu viel Wasser, viel kochen, weich zerdrückt. Erbsen eben, wie viele Menschen sie heute kennen.

Doch das Einbringen der eigenen – sei sie noch so klein – Ernte birgt auch spirituelle Züge. Während sich Kugel um Erbse in meiner Schüssel sammelt, zähle ich. Sieben in dieser Schote, hier sogar acht! Nochmals acht, fünf, drei, sieben, neun! Neun Früchte, die jede für sich wieder eine eigene Pflanze (hätte die heutige Saatgutindustrie sie nicht regelrecht „kastriert“) bilden kann. Und diese hat zehn, zwölf Schoten mit jeweils sieben, acht, neun Erbsen. Was für ein Wunder.

Huch, da ist ein Wurm in einem der Bällchen. Der guckt ganz vorwitzig (nein, er hat keine Augen) heraus. Natürlich mögen nicht nur wir Menschen die leckeren Erbsen. Ein Schädling ist zum Beispiel der gemeine Erbsenkäfer. Er legt seine Eier in die Blüte der Erbse. Die Larven bohren sich in die frischen Schoten und nisten sich in die Erbsenfrüchte ein. Eine solche hat mich wohl gerade irritiert „angewurmt“. Aber seien Sie beruhigt. Sie ist nicht giftig und lebt auch nicht in Ihrem Magen weiter, Sie können den „fleischlichen“ Inhalt ruhig mitessen. Frost, Kochen oder Ihre Magensäure töten diesen Schädling ab. Vegan lebende Menschen erhalten auf diese Weise das Quentchen tierischen Eiweißes, auf das der menschliche Körper nicht verzichten kann.

In guter Erde gediehen, ist die Erbse vor allem Träger sehr wichtiger Mineralstoffe und bioaktiver Substanzen. Vitamine? werden Sie fragen. Sicher, die gibt es auch in der Erbse (B1+2, C und E), aber die stehen nicht im Vordergrund. Vitaminmangel ist in Deutschland sehr selten. Mineralstoffmangel hingegen weit verbreitet. Und die Erbse liefert die lebenswichtigen Mineralstoffe genau zu der Zeit, wenn wir Menschen sie am dringendsten brauchen. Hochsommer, Hitze, Schwitzen, Mineralstoffverlust – noch so ein Wunder.

Und wie ich am Pulen bin, sinniere ich weiter:

Da war doch die Geschichte mit der Prinzessin auf der Erbse. Fühlte sie doch durch unzählige Matratzen hindurch die kleine Erbse ganz unten. Feinfühlig, sicher. Doch schauen wir uns die Zeit Hans Christian Andersens mal etwas genauer an. Zur Mitte des 19ten Jahrhunderts setzte eine starke Industrialisierung in vielen Bereichen des Lebens ein. Die Bevölkerung Europas stieg sehr stark an. Immer mehr Menschen, die wegen ebendieser als Landarbeiter überflüssig wurden, drängten in die Städte. Die ausreichende Ernährung begann, ein Problem zu werden.

Die Erbse, sie lässt sich sehr gut trocknen und somit lange lagern, war neben anderen Hülsenfrüchten ein beliebtes Grundnahrungsmittel der armen Menschen. Das Erbsenmehl wurde gern als Grundlage für einfache Suppen angeboten oder als Mehlersatz ins Brot gemischt.

Es muss wohl eine wahre Prinzessin gewesen sein, die weißes Brot und Wildbret gewohnt war, spürte sie die Erbse in ihrem Rücken. Eine Parabel auf den „einfachen Mann“, der auf seines Rücken Arbeit letztlich die Versorgung aller gewährleistete. Ich habe kein Mitleid mit dieser zarten Person, nur weil sie schlecht schlief.

Eine politische Erbse? Aber vielleicht waren es einfach nur die Phytoöstrogene in der Erbse die die Fruchtbarkeit dämpfen, die den Prinzen nach einer Frau suchen ließen, die die Erbse mied. Schließlich sollte seine Dynastie weiter bestehen.

Wow, inzwischen ist der Haufen Schoten gründlich geschrumpft und meine Schüssel ist voll dieser kleinen grünen Wunder. Bei den letzten Schoten denke ich noch, Getreide ist sehr energiereich, 300 -350 kcal (hier kommt der Ernährungsberater in mir durch) die Erbse hingegen hat keine 70 kcal. Dabei enthält sie neben den ganzen Mineralstoffen wichtige pflanzliche Eiweiße und hochwertige Kohlehydrate, vor allem Ballaststoffe. So möchte ich, jedem der kalorienbewusst essen mag, zurufen: „Iss Erbsen!“

So, alle Schoten gepult. Immerhin ein ganzes Kilo Erbsen ist zusammengekommen. Ich werde sie alle einfrieren. Ein Gruß des Sommers in den dunklen Tagen des Januar, gespeicherte Sonnenfreude und Frucht unseres Gartens, ein schöner Gedanke. Ich gieße kochendes Wasser über die Früchte und fülle sie gleich mit einem Schaumlöffel in die beiden Gefrierbeutel um. Schnell zubinden und abkühlen lassen. Morgen gehen sie in den Tiefkühler. Und ich freue mich auf den Januar.

Und wie ich sie am liebsten esse?

Einfach Pellkartoffeln, die Erbsen mit wenig Wasser gedünstet, sodass sie noch richtig schön knackig sind und nur mit Butter und etwas frischen Pfeffer darüber. Wunderbar, und ich denke an die Sommertage im Garten meiner Oma.

H-UN

9.8.2013

 

 

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