„Der frühe Vogel fängt den Wurm“ – wer sich am Seniorenwochenende schon um 9 Uhr in der Kulturkate am Beckersberg einfand, profitierte gleich vom ersten wichtigen Thema des Tages: Patientenverfügung, Vorsorge- und Betreuungsvollmacht. Als Dozent referierte Rechtsanwalt Horst Schumacher, der den interessierten Zuhörern erklärte, wie die wichtigen Unterschiede dieser Dokumente zu verstehen sind. Wie notwenig ihre Bereithaltung ist, zeigt sich daran, dass ohne sie im Ernstfall sofort ein Betreuer vom Gericht bestellt wird, der die Verfügungsgewalt übernimmt. Die engsten Angehörigen wie die Kinder sind dann völlig machtlos bezüglich aller anstehenden Entscheidungen. Dabei würde es genügen, eine Verfügung auszufüllen und diese zum Beispiel in der Seniorensprechstunde abzugeben. Natürlich soll die betroffene Person, der die Vollmacht erteilt wurde, im Besitz des Originals sein, das möglichst greifbar vorliegt. Bei Immobilienbesitz muss allerdings vorher ein Notar bemüht werden, der alles Weitere regelt.
Das nächste Thema war nicht weniger aufschlussreich und von ganz aktueller Bedeutung: Gleichgewicht und Koordination. Was ältere Patienten oft stört, ist die Frage des Arztes: „Wie oft sind Sie im letzten Halbjahr gestürzt?“ Dabei ist sie gar nicht so unberechtigt, denn wie oft kommt es zum Stolpern, Straucheln oder Umknicken des Fußes, was zu unkontrolliertem Gestikulieren bis hin zum Sturz führen kann. Aber so unterhaltsam, wie die Physiotherapeutin Silke Flath vom SVHU diesen Komplex vortrug, war das Interesse bei allen sofort geweckt. „Es beginnt mit dem Innenohr, dem Gleichgewichtsorgan, das sämtliche Veränderungen im Bewegungsapparat meldet – auch Drehungen, ob gewollt oder ungewollt. Hier werden sämtliche Sinneseindrücke aus dem Körper wahrgenommen, während Sensoren Signale an die Nackenmuskulatur weiter geben. Ob Spannung oder Entspannung – alles muss verschaltet werden.“ Allerdings: Berührt man die heiße Herdplatte, geht gar nichts mehr. Und doch – Reflexe geschehen ganz schnell, ohne nachzudenken (Hand sofort zurückziehen), denn alles sammelt sich im Gehirn.
Diese Hirnleistung lässt im Alter jedoch nach, ebenso wie Kraft und Beweglichkeit. Nicht ganz so deutlich ist es beim Gleichgewicht, da gleicht der Körper leichte Defizite eher aus. Wer aber im Stolpern reagieren will, braucht einen hohen Kraftaufwand, um sich abzufangen. Im Alter neigt man jedoch dazu, zu langsam zu reagieren. Zur Sturzprophylaxe sagt Silke Flath: Unser Körper ist in allem ein Minimalist. Alles, was nicht gebraucht wird, wird abgebaut. Das bedeutet: Ruhigstellung beim Gipsbein – schon ist der Muskel weg.“ Gleichgewicht und Koordination sind die Fähigkeit, verschiedene Dinge gleichzeitig zu tun. Aber: Kann man beim Gehen das Driften nach rechts und links trainieren? fragte eine Zuhörerin. Darauf Frau Flath: „Alle Fähigkeiten sind trainierbar.“
Das beginnt bereits mit häufigem Barfußgehen. Die Sensibilisierung der Fußsohle sollte nicht unterschätzt werden. So kann man mit etwas Training eine Zeitung auf dem Boden mit den Füßen aufschlagen oder Papier mit den Füßen zerknüllen. Oder auch Papierstreifen mit den Zehen abreißen. Für diejenigen, die unter einem Hallux valgus leiden: in einen Schuhkarton alle möglichen Dinge hineinpacken (nur nichts Scharfkantiges), und dann die Kiste mit den Füßen wieder aus- und dann wieder einräumen. Tagsüber sollte man versuchen, so lange wie möglich zu stehen (zwischendurch auch mal auf einem Bein), sich vor allem nicht im Sitzen anziehen, weil es bequemer ist! Und möglichst immer beide Hände benutzen, gern auch bei Rechtshändern mal die linke Hand, das ist wichtig zur Verschaltung des Gehirns. „Und sich vor allem nicht so viel helfen und abnehmen lassen! Sie können fast alles selber machen.“ Wer seine Oberschenkelmuskulatur trainieren will (gut fürs Knie), sollte hintereinander vom Stuhl aufstehen, sich setzen, wieder aufstehen und so weiter. Aufgelockert wurde das Ganze mit Reaktionsübungen, die zeigten, wie schwierig einigen Senioren doch die Koordination fiel.
Danach kam der praktische Teil aller Theorie: ein kurzer Fußmarsch, der in den Bürgerpark führte, wo das neue Trainingsgerät für Fitness und Koordination, die „Pedalo-Strecke“, von der Seniorenbeiratsvorsitzenden Doris Tachezy mit Sekt eingeweiht wurde. Mit dieser jüngsten Anschaffung der Bürgerstiftung (Kostenpunkt 4.600 Euro) wurde die Zahl der Fitnessgeräte, die 2011 durch zweckgebundene Spenden finanziert wurden, abgerundet. Und dann gab es kein Halten mehr: Alle wollten sich auf dem Gerät versuchen – aber der kleine Schlitten unter Füßen warf so manchen aus der Bahn. Selbst die stellvertretende Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf wollte zeigen, dass sie vor nichts zurückschreckt, und nahm das Hindernis sogar mit nackten Füßen – unter dem ängstlichen Gebell ihres kleinen Hundes.
Nach der Mittagspause freuten sich alle auf die obligatorische Kaffeetafel mit anschließendem Bingospiel, nicht zuletzt wegen der schönen Preise. Nicht zu vergessen die musikalische Begleitung von Anke Rataj, der Schwester von Rolf Zuckowski, die mit ihrem Keyboard de luxe für angenehme Unterhaltung sorgte. Dass von Doris Tachezy für den verhinderten Kniespezialisten Dr. med. Martin Fürst kurzfristig ein Zauberkünstler engagiert worden war, sorgte zunächst für Enttäuschung, weil man da ja noch nicht ahnte, was auf die Besucher zukommen würde. Nämlich das Highlight des Nachmittags: ein hochgewachsener smarter Lockenkopf namens Justus Mohr, der sich mit seinen 20 Jahren so locker gab wie ein alter Hase seiner Zunft.
Und der sein Publikum vom ersten Moment an in ungläubiges Staunen versetzte und bis zum letzten Augenblick in Atem hielt. Der Applaus zwischen den einzelnen Zaubertricks wollte gar nicht enden, da überraschte schon die nächste Zauberei – ohne Netz und doppelten Boden! Kein Trick misslang, alles sah ganz echt aus – und konnte es doch gar nicht sein! So sehr man sich auch sein Hirn zermarterte, wie das da auf der Bühne nur möglich war. Ein wahrhaft zauberhafter Zauberkünstler!
Die „Szenen aus dem täglichen Leben“, als Sketche vorgetragen von der DRK-Theatergruppe, trafen augenscheinlich genau den Geschmack des Publikums. Es wurde viel gelacht und applaudiert, was auch den Schauspielern gefiel. Und am Sonntagnachmittag sorgte das Konzert der „Alstermöwen“ für Schwung und gute Laune. Der Shantychor, der diesmal im Bürgerhaus auftrat, ließ auch seine Seemannslieder musikalisch von Anke Rataj begleiten.
Gabriele David
4.10.2013