Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Henstedt-Ulzburg: Um das zu toppen, müsste sich wohl schon die Kanzlerin in die Großgemeinde bemühen. Zur Überraschung vieler im vollbesetzten Bürgerhaus, begrüßten aber weder der Bürgermeister noch der Bürgervorsteher den Gast aus Berlin. So war die protokollarisch höchste Repräsentantin der Gemeinde im Saal Elisabeth von Bressensdorf. Nach Angaben der stellvertretenden Bürgermeisterin habe Verwaltungschef Thormählen gar nicht erst auf der „Liste“ gestanden, aber der Bürgervorsteher habe sein Kommen zugesagt.
Sohn Leo Schäfer klärte gegenüber den Henstedt-Ulzburger Nachrichten das Wegbleiben des ersten Bürgers der Großgemeinde auf: Todesfall im Bekanntenkreis, Schäfer musste auf eine Beerdigung.
Keine so gute Entschuldigung hatte allerdings Jörg Schlömann, seines Zeichens Chefredakteur der Henstedt-Ulzburger Nachrichten. Nach Meinung der Redaktionsmannschaft wäre Schäubles Besuch ein Pflichttermin für Schlömann gewesen. Doch der Journalist pochte auf sein freies Wochenende, schon lange sei die Wochenendreise nach Berlin geplant gewesen.
Immerhin, beim Lesen des Berichts auf seinem Netbook, ließ Schlömann dann doch erkennen, dass sein „Journalisten-Gen“ noch nicht verschlummert ist: „Alle Achtung, Vier-Augen-Gespräch mit Schäuble“, entfuhr es ihm, „da wär ich gern dabeigewesen. Wie sind Sie da denn rangekommen?“
In der Tat, die Frage ist berechtigt, denn eigentlich waren keine Journalistengespräche vorgesehen. So erklärte Kreisgeschäftsführer Uwe Voss der versammelten Journalistenschar vorab, der Finanzminister gebe nur ein Fernsehinterview für RTL, anschließend seien dann nur noch Fotos möglich. Uns so kam es zunächst dann auch: Schäuble posierte mit Ex-Bürgermeister Volker Dornquast und Gero Storjohann (MdB) CDU-Kreisvorsitzender, mit dem CDU-Ortsvorsitzenden Michael Meschede sowie mit der Jungen Union für die Fotografen.
Dann allerdings rollte der Finanzminister noch einmal zum Kaffeetisch, und die Bahn war frei für die Henstedt-Ulzburger Nachrichten. Gleichwohl: Das Gespräch war einfach zu kurz, als dass dem Finanzminister beispielsweise ein Statement zur Affäre des Bundespräsidenten zu entlocken war. Dazu wäre Schäubles Meinung ziemlich interessant gewesen, zeigt doch gerade seine Person, dass man auch nach Affäre und Rücktritt später einmal wieder ganz oben dabei sein kann. Dass es dazu nicht kam, ist dem Bundestagsabgeordneten Storjohann zu verdanken. Der unterbrach das Gespräch mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit und beorderte den Finanzminister in den großen Saal des Bürgerhauses.
Und was machte Schlömann in Berlin? Der beschloss einen Abstecher ins Regierungsviertel zu machen: „Wer weiß, vielleicht läuft mir da ja die Kanzlerin über den Weg“, so der Wochenendurlauber.
Christian Meeder
15. Januar 2012