„Eine reine Beschäftigungsmaßnahme“, polterte möglicherweise etwas vorlaut Wolfgang Flößer (CDU), gerade mal seit 73 Minuten neues bürgerliches Mitglied im Finanz- und Wirtschaftsausschuss, während der jüngsten Sitzung des Gremiums. Sein Groll richtete sich gegen eine Anfrage der WHU-Fraktion zu Planungs- und Ingenieurleistungen, die von der Gemeinde in Auftrag gegeben wurden. Vier bis fünf Tage hatte die Verwaltung nach eigener Aussage daran gearbeitet, die Liste zusammenzustellen.
Was der Ausschuss-Neuling als Beschäftigungsmaßnahme abtun wollte, erschien den WHU-Mitgliedern im Ausschuss doch sinnvoll zu sein; denn die Aufstellung der Verwaltung zeigt, dass in nur drei Jahren beispielsweise 25 Aufträge im Tiefbausektor für weit mehr als 800.000 Euro an immer dasselbe Norderstedter Ingenieurbüro vergeben wurden. Mitbewerber wurden offenbar überhaupt nicht angefragt.
Eine Auffälligkeit auch bei der Ausarbeitung von Bebauungsplänen: 25 Aufträge im Wert von fast 180.000 Euro gingen an ein einziges Henstedt-Ulzburger Büro, das dem Sohn eines früheren namhaften CDU-Kommunalpolitikers gehört.
Dreimal ging es um Statik-Aufträge und jedes Mal wurde ein Norderstedter Ingenieur beauftragt, der lange Jahre eine Schlüsselfunktion bei den örtlichen Christdemokraten inne hatte. Wert der Aufträge: fast 45.000 Euro.
Die Henstedt-Ulzburger Nachrichten entdeckten in der Liste dann noch eine höchst fragwürdige Kuriosität: Für die Gemeindeverwaltung arbeitet ein Architekt mit einer Art Werkvertrag, der über notwendige Baumaßnahmen befindet. Er arbeitet dann als freier Architekt die Ausschreibungen aus und übernimmt auch die Bauleitung. 32 Mal ist der Mann so zum Zuge gekommen, hat mehr als 475.000 Euro kassiert – zusätzlich zu seinem „Gehalt“.
Ob das denn so seine Richtigkeit habe, wollten die Henstedt-Ulzburger Nachrichten in der turnusmäßigen Pressekonferenz von der stellvertretenden Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf wissen. Die druckste zunächst herum, murmelte etwas wie „…keine Auskunft geben…“ Amtsleiter Jens Richter schließlich bestätigte dann den von uns geschilderten Sachverhalt.
Die WHU-Fraktion will über die von der Verwaltung erarbeitete Liste beraten. Sie hält eine breitere Streuung bei der Auftragsvergabe durch die Gemeinde für wünschenswert.
Indirekt hatte die WHU übrigens Schützenhilfe vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Folker Brocks in seiner Eigenschaft als Ausschussvorsitzender erhalten: Als es um die Bewilligung von überplanmäßigen Ausgaben für den Erweiterungsbau der Gemeinschaftsschule Rhen ging, kritisierte er während der Sitzung, dass die beauftragte Firma schon zum wiederholten Male Nachforderungen stelle für Arbeiten, die vorhersehbar gewesen seien.
Jörg Schlömann
14. Mai 2012
Die Vermutung war ja schon lange im Raum und niemand hat ernsthaft bestehende Vergabeverfahren analysiert und öffentlich gemacht. Da diese Vorgänge bereits seit vielen Jahren praktiziert werden und ihre Ursache in der Vergangenheit liegen, scheint der Verdacht nahezuliegen, dass hier die Führung der damaligen Gemeindeverwaltung sowie der damaligen politischen Gremien einen maßgeblichen Anteil haben. Nun spricht es für die gegenwärtige politische Parteienlandschaft, wenn selbst von der damaligen beherrschenden Partei dieser Gemeinde neue Erkenntnisse lauf werden. Worten sollten auch Taten folgen und ich bin gespannt, wie denn die Schlüsse aus dieser doch sehr tendenziösen Aufstellung der Gemeindeverwaltung gezogen werden.