Der Bürgerentscheid Pinnauwiesen ist in trockenen Tüchern. Der Umwelt- und Planungsausschuss hat das Ergebnis des Volksentscheids gestern umgesetzt und eine Neuaufstellung des Bebauungsplans einstimmig beschlossen. Der zentrale Inhalt des Aufstellungsbeschlusses: „Die für eine Bebauung vorgesehenen Grundstücksflächen sollen von bisher ca. 26.600 m² auf rd. 9.600m² reduziert werden.“ Gleichzeitig wurde mehrheitlich der Beschluss gefasst, juristisch aufzuarbeiten, ob eine Nullbebauung rechtlich machbar ist. Und: die 2014 illegal gefällten Bäume muss die Firma Manke ersetzen – und zwar an gleicher Stelle.
Der Weg zu den Beschlüssen war steinig. Die CDU, größte Ratsfraktion des Gemeindeparlaments, schoss quer.
Montagabend, es ist kurz nach 21 Uhr, im Ratssaal läuft bereits seit 18.30 Uhr die Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses,da meldet sich Horst Ostwald, Chef des Gremiums, zu Wort. Der SPD-Mann:“Der Bürgermeister hat mich gebeten, den Tagesordnungspunkt zu den Pinnauwiesen unbedingt heute noch zu bearbeiten, wir sollten deswegen auf jeden Fall bis zum Punkt 12 weitermachen.“
Der Ausschuss hatte sich bis dahin bis zum Punkt sieben vorgearbeitet, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit ist klar, dass der Tagesordnungspunkt 12 (Pinnauwiesen)nicht mehr in der regulären Zeit behandelt werden kann. Dazu muss man wissen: Die Geschäftsordnung der Gemeindevertretung schreibt vor, dass Ausschusssitzungen nicht länger als drei Stunden dauern dürfen, in diesem Zeitraum nicht bearbeitete offene Tagesordnungspunkte müssen auf die nächste Sitzung geschoben werden. Es gibt allerdings ein Schlupfloch: Wenn sich alle Ausschussmitglieder darüber einig sind, dann darf die dreistündige Sitzungsdauer überzogen werden.
Ostwald schaut deswegen nun in die Runde, fragt, ob es jemanden gibt, der dagegen ist, die Sitzung zu verlängern. Und den gibt es.CDU-Sprecher Jens Müller hebt die Hand und erklärt, dass er einer Verlängerung der Sitzung nicht zustimmt. Das Müllersche Veto sorgt prompt für Bewegung auf den Plätzen der Verwaltung. Ortsplaner Volker Duda tritt vor die Ausschussmitglieder. Er sagt: „Ich bitte dann dringend, den Tagesordnungspunkt 12 vorzuziehen.“ Duda schiebt hinterher, warum sich der Ausschuss unbedingt mit dem Antrag der Verwaltung zu den Pinnauwiesen befassen sollte. “ Wenn wir das nicht beschließen, haben wir keine Möglichkeit mehr, Bauanträge von wem auch immer zurückzustellen.“ Im Klartext: Nach Lesart der Verwaltung würde der Bürgerentscheid unterlaufen, wenn den von der Verwaltung vorgelegten Beschlussvorschlägen – Aufstellung eines Bebauungsplans mit reduzierter Bebauung, dazu Erlass einer Veränderungssperre – nicht zugestimmt wird. Manke könnte Bauanträge für Häuser auf den Pinnauwiesen stellen, denen müsste die Verwaltung dann zustimmen.
Horst Ostwald schaltet sofort, setzt kurzerhand eine Abstimmung über das Vorziehen des Tagesordnungspunktes zu den Pinnauwiesen an. Das Ergebnis offenbart eine CDU, die den Ausgang des Bürgerentscheids offenbar nicht aktzeptieren kann: Die Christdemokraten wollen jedenfalls keine Verlängerung der Sitzung, ein Vorziehen des Pinnauwiesen-Tagesordnungspunktes wollen sie aber auch nicht. Jens Müller,Wilfried Mohr und Elisabeth von Bressensdorf sagen Nein zu einer Veränderung der Tagesordnung , Fraktionschef Dietmar Kahle enthält sich der Stimme.
Anders als das Müllersche Veto bleibt das Nein der CDU-Riege aber ohne Konsequenzen,anders als bei einer Sitzungsverlängerung reicht für eine Verschiebung von Tagesordnungspunkten die einfache Mehrheit. SPD, WHU und BFB können so das Vorziehen des Pinnauwiesen-Tagesordnungspunktes durchsetzen. Damit muss der Beschluss zu den Pinnauwiesen – Aufstellung eines Bebauungsplans mit reduzierter Bebauung so wie es der Bürgerentscheid vorgibt, dazu Erlass einer Veränderungssperre – nicht vertagt werden, wichtige Fristen können eingehalten werden.
Hoffnung aber dann doch noch für alle die, die an ein demokratisches Selbstverständnis der örtlichen Christdemokraten glauben wollen: Bei der Abstimmung über die Umsetzung des Bürgerentscheids stimmen überraschend dann auch Kahle, Müller und Co zu.Die Christdemokraten hatten noch einmal nachgedacht. Kurz vor der Abstimmung über die Verwaltungsvorlage in Sachen Pinnauwiesen meldete Jens Müller Beratungsbedarf an. Die Sitzung wurde unterbrochen, die CDU-Riege durfte die Köpfe zusammenstecken. Nach fünf Minuten dann die Verkündung des CDU-Brainstormings. Das denkwürdige Statement von Gemeinderat Müller: „Wir beugen uns der Realität und werden zustimmen.“
Christian Meeder
3. November 2015
@ Herr Rohde: Ein Blick in die Gemeindeordung Schleswig-Holstein § 16 g (8) hätte diesen peinlchen CDU Auftritt verhindern können :
„ Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses der Gemeindevertretung oder des zuständigen Ausschusses. Er kann innerhalb von zwei Jahren nur durch einen Bürgerentscheid abgeändert werden.“
Im zweiten Absatz liegt allerdigs die Gefahr, hier gilt es wachsam zu bleiben und sich bei künftigen Wahlen an die Bürgerabstimmung zu erinnern.
Ich schließe mich dem Kommentar der Norderstedter Zeitung an:
“ Nachdem Anzeigenbotschaften und Videofilmchen ( der CDU > KG ) nicht fruchteten – also ein neuer Missgriff in die Klamottenkiste. Auch wenn schließlich die Meinung noch geändert wurde: Die CDU hat zurzeit keinen guten Lauf“.
Und das ist höflich formuliert.
Ok, Ich kenne die GO nicht – aber ist auch nicht meine „Pflicht“. Kann dann nach zwei Jahren der Gemeinderat wieder großflächige Bebauung beschließen?
Mein zweiter Absatz? Mal realistisch, es wird und sollte Modernisierung geben (ich habe auch das Wort moderat verwendet). Änderungen haben aber potentiell immer Konfliktpotential. Wie groß liegt im Einzelfall. Schon seit längerem werden Häuser nicht für die Ewigkeit gebaut.
Wenn mal hier oder da ein EFH durch DHH ersetzt werden, so geht das mit der Zeit (der kleineren Grundstücke). Problematischer wird es wenn zentrumsnah 2-3 EFH -> MFH die Einwohnerzahl=PKW-Anzahl verdreifach wird.
Aber wozu dann überhaupt noch diese Abstimmung? Wenn der Bürgerentscheid doch bereits den Beschluss darstellt, und nicht etwa eine Empfehlung o.ä.?
Hallo Herr Schneider, die GO (Landesrecht) mit dem Bürgerentscheid ersetzt nicht das BauGB (Bundesrecht), das einen rechtssicheren Verfahrensablauf für die Aufstellung eines B-Planes erfordert. Die Gemeindevertretung muss daher den Bürgerentscheid in einen verfahrensrechtlichen Beschluss analog übernehmen. Insbesondere wird kein Beschluss über eine Veränderungssperre durch den Bürgerentscheid ersetzt. Der Beschluss über die Veränderungssperre verhindert das Unterlaufen des Aufstellungsbeschlusses durch evtl. Bauanträge (siehe auch obigen Artikel).
Noch darf die CDU, bzw. die Ratsmitglieder, eine eigene Meinung haben – die halt gegen die Verkleinerung Pinnau-Wiesen war, ist und bleibt. Damit ist das Statement “Wir beugen uns der Realität und werden zustimmen.” mir verständlich – ja sogar Gegenstimme wäre konsequent.
Aber, es gibt sicher noch genügend Potential für Bauträger kleinere Lücken zu schließen, Bestandsgebiete zu modernisieren (bedeutet wohl Abriss EFH und Bau RH oder MFH – mit bekanntem Konfliktpotential) und moderat mit der Zeit zu gehen.
Da fragt man sich doch warum versuchte die CDU-Fraktion durch Ablehnung oder Vorziehen des TOP 12 das Ergebnis der Bürgerbefragung zu unterlaufen um für die graue Emminenz im Hintergrund hier doch noch als „Sieger“ hervorzugehen ? Vielleicht dank einer „Idee“ aus dem Hintergrund der Gesellschaft ?
Wieso dann überhaupt in 2014 Bäume gefällt werden ohne das die Frage der Bebauung restllos geklärt wird durch die Bürgerbefragung und rechtliche Klärung (Hilfestellung aus Kiel) ist mir als Wähler unklar.
Die CDU kann sich offensichtlich noch immer nicht daran gewöhnen, daß hier ein anderer Wind weht durch Änderung der Parteienlandschaft oder besser gesagt das Umweltbewußtsein aufgrund der Verkehrssitutation stärker in den Fokus gerückt wird von der Bevölkerung. Durchwinken von Bauanträgen für Investoren wie einst – das war einmal ! Das „positive“ Abstimmungsergebnis im Ausschuß kaschiert die Haltung der Fraktion nur unzureichend.
Es wird in Zukunft spannend hier im Ort, wenn über großflächiege Bebauung zur Verdichtung des Straßenverkehrs pardon der Wohnbebauung für große Nachfragen und im Geldbeutel des Investoren beschlossen wird.
Richtig. Ist Herr Meschede nur Alibi-Orts-Vorsitzender? Dann doch Herrn M. endlich offiziell dazu machen, dann brauch man auch nicht immer drum rum zu spekulieren.