Jeden Mittwoch treffen sich die von der Kreuzkirche in Unterkünften und Wohnungen untergebrachten Flüchtlinge zum Deutschlernen im Gemeindehaus. Diesmal war es anders. Da gab es etwas zu feiern – nämlich die großzügige Spende von 10.000 Euro der Metro-Zentrale in Düsseldorf im Rahmen der Organisation „We help“, mit der das Projekt „Deutschunterricht“ in der Kreuzkirche unterstützt werden soll. Vertreten wurde die Firma von der Metro-Mitarbeiterin Carielle Somers, die gemeinsam mit Detlef Bülow, einem Deutschlehrer im Ruhestand, für viele Lehrbücher in verschiedenen Leistungsstufen sorgte. Damit konnten sie die dringendsten Wünsche der jungen Leute und Familien, die deutsche Sprache zu erlernen, erfüllen. Außerdem ist von dem Geld ein Ausflug für rund 30 Leute ins Museum für Völkerkunde in Molfsee mit Picknick geplant sowie ein Fußballspiel. Auch im Sommer soll von dem Geld noch etwas unternommen werden.
„Das Rückgrat von allem sind natürlich unsere vielen ehrenamtlichen Helfer, die viel Engagement mitbringen“, lobte Mathias Krüger, Pastor der Kreuzkirche. „In unseren gemeinsamen Mittwochsgruppen sind wir offen für alle Religionen, auch wenn zu Anfang ein kurzes Gebet gesprochen wird.“ Zu Anfang waren es zehn bis 20 Helfer, inzwischen sei der Kreis weiter angewachsen was aber auch nötig sei, da man zum Teil immer wieder ganz von vorn anfangen muss, um die unterschiedlichen Gruppen, die dazukommen, wieder neu aufzuteilen. Was ein Vorteil ist, aber gleichzeitig auch ein Problem, ist die Vielfalt der unterschiedlichen Herkunft und Interessen. Und jetzt erweist sich auch noch Afghanistan als nicht problematisches Herkunftsland. „Dabei haben wir viele afghanische Familien aufgenommen, als es noch erlaubt war.“ Aber schon damals wurden sie nicht mal zum Schulunterricht zugelassen.
Da hatte Hossein Soltani (10) mehr Glück. Er kam mit seinen Eltern, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder und spricht schon etwas Deutsch, obwohl er erst seit vier Monaten in Henstedt-Ulzburg lebt. Jeden Morgen fährt er mit der AKN nach Norderstedt zur Schule Richtweg, um dort wie alle anderen unterrichtet zu werden. Und es gefällt ihm. „Wir haben eine schöne Wohnung, und wir sind alle sehr zufrieden, hier zu sein.“ Dazu sagt Helferin und Organisatorin Barbara Gerken: „ Zu Anfang habe ich mich noch erkundigt, wie denn die Flucht war und was sie erlebt haben. Danach ging es mir so schlecht – jetzt frage ich gar nicht mehr.“ Denn alle, die hier unter dem Dach der Kirche aufgenommen wurden, fühlen sich zum ersten Mal seit langem wieder geborgen und sicher.
Im Mai 2013 hat es angefangen. Da baten die ersten Asylanten: „Wir würden so gern mit Euch Deutsch sprechen.“ Daraus hatte sich für Interessierte der Deutschunterricht entwickelt. Dazu Lehrer Bülow a.D.: „Unser Vorteil sind die kleinen Gruppen. Da wird mit neuesten Unterlagen systematisch ‚Deutsch als Fremdsprache’ gelehrt, um das Lernen zu erleichtern und zu intensivieren. Wir unterstützen sie nach unseren Möglichkeiten. Es habe sich auch herausgestellt, dass das Lernen spezifischer beruflicher Vokabeln und Begriffe äußerst nützlich ist. Die Kinder gehen dann mit zum Amt, merken sich alles und sprechen dadurch viel besser als die Eltern. Manchmal geht das auch über drei Sprachen: Deutsch, Russisch, Tschetchenisch. „Und natürlich läuft es viel mit Pantomime und gemalten Bildern, die helfen. Das macht sogar Spaß, weil es uns zum Lachen bringt“ sagt Barbara Gerken.
„Auf diese Weise lernen die Kinder als erstes unsere Bürokratie kennen“, meinte Pastor Krüger schmunzelnd. „Nun plant das Willkommensteam eine Fahrradbörse. Und schon steht die Verkehrswacht da und muss prüfen, ob auch richtig und sicher gefahren wird.“ Natürlich gbt es auch engmaschige Gespräche mit den Flüchtlingen, von denen jeder seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren möchte. Schon allein deshalb, um die Gemeinschaft zu entlasten. Daher befinden sich viele in der Warteschleife. Ohne Aufenthaltstitel kommen sie nicht weiter. Eine junge Frau möchte Krankenschwester werden, aber dafür braucht sie einen Hauptschulabscluss. Sie bemüht sich seit zwei Jahren darum, ist aber schon jetzt nicht mehr im schulpflichtigen Alter, was erschwerend dazu kommt. Jemand schlägt vor, sich an den Flüchtlingsrat in Kiel zu wenden, der gerade auf solche Fälle spezialisiert ist.
Das meiste Deutsch haben sie in der Kirche gelernt, denn hier hat jeder sozusagen einen ehrenamtlichen Privatlehrer, der mit ihm persönliche Gespräche führt. Das verbindet und spornt an. Ein Syrer ist Elektriker, ein Iraner möchte gern eine Elektrikerlehre machen. Shamila, eine bildschöne junge Frau wie aus 1001 Nacht, darf als alleinerziehende Mutter nicht arbeiten, obwohl sie es möchte. Und so geht es reihum. Irgendwann wird es Ausnahmen geben, aber das ist noch ungewiss.
Inzwischen hat Barbara Gerken, ehemalige Bankkauffrau und acht Jahre in der Diakonie tätig, auch dafür gesorgt, dass Sie und ihre Schützlinge beim Internationalen Frauenfrühstück im Bürgerhaus teilnehmen dürfen. Es werden also auch immer wieder Highlights geboten, die das neue Leben der Asylanten erfreulicher machen.
Was sich in der allgemeinen fröhlichen Stimmung auch an diesem Tag zeigte.
Gabriele David
21. Februar 2016