Türkin zu den Ortsentscheidern: 52 Flüchtlinge auf einen Haufen ist keine Integration

Anwohnerin Yasemin Keles lobte CDU-Sprecher Michael Meschede
Anwohnerin Yasemin Keles lobte CDU-Sprecher Michael Meschede

Da braut sich was zusammen. Die Ortsentscheider haben gestern erneut bekräftigt, ein Asylheim für 52 Personen an der Ecke Lindenstraße/Lohekamp hinzustellen, fassten mehrheitlich einen entsprechenden Grundsatzbeschluss. „Wir meinen 52 Personen ist verträglich, das Baufeld verträgt 52 ohne Probleme“, sagte Jens Iversen (BFB). Ähnlich äußerten sich Kurt Göttsch (WHU), Horst Ostwald (SPD) und Stephan Holowaty (FDP).

Anwohner nahmen die Aussagen kopfschüttelnd zur Kenntnis. Yasemin Keles aus dem Lohekamp zu den Ausschussmitgliedern: „52 Menschen in einen Block zu stecken ist keine Integration. Ich bin Türkin, habe vorher in Norderstedt in einem Block gewohnt. Dort wurde nur türkisch gesprochen.“

Bereits vor der Kommunalwahl hatten sich die Ortspolitiker einstimmig für die 52-Personen-Einrichtung, umgeben von Einfamilienhäusern, ausgesprochen, gestern fiel die erneute Absichtserklärung knapper aus – weil die CDU aus der Phalanx der Befürworter ausscherte. Michael Meschede forderte vergeblich eine Begrenzung auf maximal 40 Personen, sagte: „Wir wollen nicht 52, sondern 40 Personen, das können wir tolerieren.“ Seine Begründung: „Wir wollen kein Ghetto, das ist der Punkt.“

Trotz des mit dem Stimmen von WHU, SPD, BFB und FDP durchgesetzten Grundsatzbeschlusses für das Flüchtlingsheim: ob es an der Stelle tatsächlich gebaut wird, ist dennoch unsicher. Die Anwohner behalten sich rechtliche Schritte vor, die Ortspolitiker lehnten gestern Abend eine konkrete, vorgestellte Planung als völlig überteuert ab. 2.8 Millionen waren für das Gebäude aufgerufen, Kurt Göttsch errechnete einen Wohnfläche-Quadratmeterpreis von 3100 Euro und erklärte, dass der  durchschnittliche Quadratmeterpreis in der Großgemeinde bei 2200 Euro liege. Göttsch in die Ausschussrunde: „Das Bauvorhaben kann mit den Kosten nie genehmigt werden.“

Was machte den Entwurf so teuer?

Der von der Verwaltung beauftragte Architekt hatte unter anderem für alle geplanten Wohnungen Fußbodenheizung und Edelfliesen (Quadratmeterpreis 66,80 €) vorgesehen, ein Großteil des Kaufpreises wäre zudem in seine Taschen geflossen. Göttsch wies darauf hin, dass das Architekten- und Ingenieur-Honorar laut vorgelegter Kostenberechnung mehr als eine halbe Millon Euro betragen sollte.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Verwaltung wurde aufgefordert nach der Sommerpause eine kostengünstigere Planung vorzulegen. Bürgermeister Bauer erklärte, dass die 52-Personen-Unterkunft dringend gebraucht werde. Komme es darüber zu keiner Verständigung, werde er die Planung von Wohncontainern aufnehmen. Seine Bitte an die Anwohner des geplanten Flüchtlingsheims: „Akzeptieren Sie die multikulturelle Veränderung auch in Ihrem Quartier.“

Christian Meeder

4. Juli 2018

6 thoughts on "Türkin zu den Ortsentscheidern: 52 Flüchtlinge auf einen Haufen ist keine Integration"

  1. ……wieviele Flüchtlinge wohnen denn nun aktuell im Beckersbergring ? Wenn mein äußerer Eindruck richtig ist, dann stehen einige Häuser leer oder es wohnen – mit Zeit-Mietvertrag bis 31.12.2019 – selbststände Mieter – ohne staatl. HIfle – als noramle Zahler dort ! Ist mein Eindruck richtig ? Und in welchem baulichen Zustand innen sind die nicht bewohnten Einheiten, ohne das saniert wird ?

  2. Hier wird Integration großgeschrieben 52 Asylbewerber auf einem Fleck geht ja nun mal gar nicht-Lieber 177 im Beckersbergring unterbringen.
    Also Ich fühle mich irgendwie langsam im Ring wie deplatziert.
    Gefühltes Verhältnis 2:3

  3. Wo wird denn die Grenze zur Ghettoisierung gezogen? Wo auch immer, dieses Beispiel zeigt meiner Meinung nach auf, vor welcher (lösbaren?) Aufgabe unsere Gesellschaft steht. Die Menschen sind immer weniger bereit, eine Willkommenskultur zu unterstützen, und damit will ich keinesfalls die Anwohner aus dem Lohekamp hervorheben. Leider ist die Sachlichkeit beim Thema Ausländer/Asyl/Flüchtlinge in der Diskussion verloren gegangen. Die Komplexität des gesamten Themas ist gigantisch, und keinesfalls so profan, wie es gerade Politiker aller Parteien glauben machen wollen. Irgendwann folgt Resignation, die nicht selten in Gegenreaktion umschlägt (die AfD wird nicht mehr verschwinden, leider). Der Aufruf zur Akzeptanz von Multikulti wird kaum erhört werden, und doch ist er der letzte Versuch, dem geplanten Bau noch einen positiven Anstrich zu verpassen. Zieht man ein Lineal unter die Themen der letzten Wochen von „ganz oben“ (Unionskrise) bis „ganz unten“ (wie hier im Artikel), entsteht Ratlosigkeit ob der Lösungen. Integration ist und bleibt der einzige Lösungsansatz. So, wo es vielen Menschen fremder Kulturen und Länder gut gelungen ist. Wir vergessen, wie gut sich die allermeisten Türken, Russen und andere Menschen in unsere Gesellschaft eingebracht und diese mitgestaltet haben. Ich jedenfalls lebe mit diesen Menschen ohne jeden Vorbehalt, und genieße deren Geschichten aus der ursprünglichen Heimat. So, wie es derzeit in unserem Land abgeht, sehe ich genau diese positive Entwicklung bei der Aufnahme und Integration von Menschen fremder Länder schwer gefährdet. Dazu gehört das Erlernen der Sprache als Grundlage. Auch wir lernen andere Sprachen nur wenig in Schulen, kaum in Kursen, sondern beim Sprechen im Alltag. Dazu kommt es aber nicht, wenn man sich ausschließlich in einer Gesellschaft mit Menschen aufhält (aufhalten muss), die allesamt ebenfalls nicht die Sprache sprechen. Andererseits darf man nicht nachlassen, bei den neuen Mitbürgern ein hohes Maß an Bereitschaft zum Erlernen der Sprache einzufordern.

    Wegen der hohen Kosten: Pfui. Das geht nicht, so graben wir die gesellschaftliche Akzeptanz vollends aus. Das muss vernünftig bleiben.

    1. Hallo Herr Blau, ich kann Ihren emotionalen Standpunkt durchaus nachvollziehen, trotzdem frage ich mich, warum in diesem Zusammenhang immer von Integration geredet wird. Wenn ich mal unterstelle, daß wir nur von Menschen reden, denen in ihrer Heimat Verfolgung die die Gefahr an Leib und Leben drohen, dann müssen wir Schutz gewähren. Sollten sich diese Zustände allerdings ändern, z.B. das Land befriedet sich und es droht keine Gefahr mehr, dann müssen diese Menschen auch in Ihre Heimat zurückkehren. Das ist keine Meinung, das ist bei uns Gesetz.

      siehe auch AsylG §73: „Die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“

      1. Hr.Grimm,
        ich verstehe, was Sie sagen. jedoch schliessen sich Asyl und Integration ja nicht gegenseitig aus. Nur als Beispiel: Wenn Juden oder Kommunisten, die 1933 in einem anderen Land Asyl gesucht haben, war ja werder ihnen noch dem aufnehmenden Land von Anfang an klar, dass dieser Zustand mehr als 12 Jahre andauern würde. Sie mussten und haben sich im Laufe der Jahre eben auch zu einem integrativen Bestandteil der Gesellschaft entwickelt.Und ähnliches gilt auch für viele der heutigen Asylsuchenden.Ob und wann z.Bsp in Syrien jemals die von Ihnen im Gesetz zitierten Zustände wieder eintreten, dass sich ein heute Verfolgter ohne Bedenken dem Schutz des Staates seiner Staatsangehörigkeit anvertrauen kann, weiss kein Mensch !

      2. Da haben Sie inhaltlich zu 100% recht, Herr (?) Grimm, und sprechen damit die Komplexität des Themas an. Bleiben wir in Ihrem Kontext, würden wir die geflüchteten Menschen nur vorübergehend unterbringen, wie lange es auch immer sein mag (u. U. Jahre, wie von Herrn Kressin dargestellt). Dann könnten Wohncontainer ausreichend sein, Sprachunterricht spielt eine untergeordnete Rolle, beim Rest bekommen die schon Hilfe. Bei Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen (Syrien), wird es leicht festzustellen sein, ob der Fluchtgrund noch Bestand hat. Mag man meinen, es ist aber anders, siehe Afghanistan. Es gibt so viele Anerkennungsmöglichkeiten für Fluchtursachen, sodass ein gesetzlicher Schutz leicht erreicht werden kann. Die Komplexität birgt eine Gefahr des Berstens unserer Systeme: Identitäten feststellen, Fluchtgründe untersuchen, Austausch von Daten mit Herkunftsländern betreiben, alles registrieren, humane Gesichtspunkte berücksichtigen und sich politisch korrekt verhalten, um dann schließlich zu entscheiden, wer wann wie bleiben darf … das hat doch mit Realismus alles nichts mehr zu tun. Das kann bei der Menge an Menschen niemals sauber gewuppt werden. Die Menschheit steht womöglich (oder wahrscheinlich) vor der größten Bevölkerungsbewegung der Geschichte.
        Ich bin davon überzeugt, dass die Akzeptanz der heimischen Bevölkerung steigt, je besser die Integration funktioniert. Scheitert sie, werden die Gräben tiefer und tiefer. Und bitte nicht falsch verstehen: Für mich bedeutet Integration nicht, dass wir plötzlich langjährig etablierte Gesetze und Sitten über Bord schmeißen, damit jeder seine eigene Interpretation davon voll ausleben kann. Das ist für mich eine Förderung der Intergrationsverweigerung.

        Und: Bevor Gelder in teure Fliesen, Fußbodenheizungen oder hohe Architektenkosten fallen, würde ich sie lieber andere Intergrationsmittel stecken.

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