Auftakt der neuen Ortsentscheider – Wahl-Eklat, Dank an Hannelore, FDP-Überraschung

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Waren mal Parteifreunde: der neue Bürgervorsteher Mariano Cordova und sein Vorgänger Dietmar Kahle

Sie sind wieder daund behalten ihre liebgewonnenen Traditionen bei. In der ersten Sitzung der neuen Gemeindevertretung ist es gestern gleich zu einem Eklat gekommen. Mit nur 56 Prozent Zustimmung verpassten die frisch gewählten Volksvertreter ihrem neuen Chef gleich mal eine ordentliche Ohrfeige. Nur 18 der 32 Abgeordneten wählten Mariano Córdova zum Bürgervorsteher, der Rest sagte nein oder enthielt sich der Stimme.

Was war passiert, wie kam es zu dem mageren 56-Prozent-Ergebnis?

Ausgerechnet Vorgänger Dietmar Kahle hatte die Revolte gegen Córdova losgetreten. Als es mit dessen Wahl losgehen sollte, die gewöhnlich per Handzeichen durchgeführt wird, intervenierte Kahle, forderte eine geheime Wahl. Er habe persönlich nichts gegen den Kandidaten, aber der kandidiere auch als stellvertretender Vorsitzender des Finanz- und Wirtschaftsausschusses. Das sei für ihn nicht mit dem überparteilichen Amt des Bürgervorstehers vereinbar und politisch problematisch, kritisierte Kahle.

Was folgte, war eine langwierige Prozedur: eine Wahlkabine wurde aufgestellt, ein Wahlausschuss zusammengetrommelt, eine Wahlurne herangeschafft und jeder der 32 Abgeordneten wurde einzeln aufgerufen und in die Wahlkabine zum Zettel ankreuzen geschickt. Dann die mehräugige Auszählung, das miese Resultat und eine tapfere Reaktion des neu gewählten Bürgervorstehers. Er nehme die Wahl an, sagte Córdova, setzte sich auf seinen neuen Platz, schaute Kahle an und dankte seinem Vorgänger für dessen einjährige Tätigkeit als Chef der Gemeindevertretung: Sie haben einen sehr guten Job gemacht, meinen Dank dafür.“ Anschließend auch Worte des Dankes an eine Person, die schon viele Jahre mit ihm durch dick und dünn geht: „Ohne den Rückhalt meiner Frau, würde ich heute nicht an diesem Platz sitzen, vielen Dank Hannelore“, sagte Córdova.

Lädiert sind nun allerdings beideCórdova, der nur mit Ach und Krach gewählt wurde und nun ohne Rückenwind sein Amt antreten muss. Und Kahle, der sich in seiner einjährigen Amtszeit viel Anerkennung erworben hatte, aber auf der Zielgeraden nun plötzlich als schlechter Verlierer dasteht. Zur Erinnerung: Kahle verliert sein Amt, weil die CDU bei der Kommunalwahl hinter der WHU nur zweitstärkste Kraft wurde. Die Position des Bürgervorstehers, so war es bisher Usus in der 50-jährigen Geschichte der Großgemeinde, steht der größten Ratsfraktion zu. Unverständnis deshalb nach der gestrigen Veranstaltung über das CDU-Manöver bei FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Eberhard. Dass die WHU als stärkste Fraktion den Bürgervorsteher stelle, sei demokratisches Recht, ein Abweichen von dieser Regel höchstens bei Parteien von rechts-  oder linksaußen denkbar, so Eberhard zu den HU-Nachrichten.

Die Liberalen sorgten gestern übrigens für die Überraschung des Abends. Ausgerechnet die kleinste Ratsfraktion übernimmt den Vorsitz des wichtigsten Gremiums. Stephan Holowaty wird Chef des Umwelt- und Planungsausschusses. Das Amt hätte sich auch die WHU greifen können, doch die Wählervereinigung kniff gesternniemand der 10-köpfigen WHU-Fraktion wollte das arbeitsreiche Amt übernehmen. Der Ausschuss sei völlig mit Themen überfrachtet und ehrenamtlich kaum noch leistbar, sagte Karin Honerlah. Die WHU fordert eine Entflechtung von Umwelt und Planung mit einem eigenständigen Umweltausschuss.

Mit Holowaty übernimmt nun erst einmal ein hauptamtlicher Politiker die Aufgabe. Der Liberale sitzt als Abgeordneter im Kieler Landtag. SPD-Dino Horst Ostwald, der den Ausschussvorsitz bisher innehatte, wird Holowatys Stellvertreter. Bemerkenswert: In allen anderen Ausschüssen liegen Vorsitz und Stellvertretung in einer ‚Parteihand‘, nur beim UPA“ gibt es zukünftig ein sozialliberales Tandem.

Und zur Vollständigkeit halber: gestern wurden auch Stefan Bauers Stellvertreter gewähltper Handzeichen, ohne Geheimhaltung. Wilhelm Dahmen (WHU), Claudia Meyer (CDU) und Nadine Braasch (SPD) werden den Bürgermeister künftig im Urlaubs- oder Krankheitsfall vertreten.

Christian Meeder

13. Juni 2018

9 thoughts on "Auftakt der neuen Ortsentscheider – Wahl-Eklat, Dank an Hannelore, FDP-Überraschung"

  1. Das Thema lautet: knappe Wahl des Bürgervorsteher. Erste Zusammenkunft der neu gewählten Gemeindevertretung.

    Aber die Gedanken von Herr Michelsen kreisen um die nettes Sümmchen, die man
    sich als Ortspoliker dazuverdienen kann.

    Mann, oh Mann.

    Nur einige Fakten:

    Bei mir als ehemaligem Gemeindevertreter kamen in 2017 monatlich durchschnittlich
    100 € an Geld von der Gemeinde zusammen.

    Darin enthalten 18 € für die Tätigkeit als 2. stellvertretender Bürgervorsteher
    ( mit wenigen Einsätzen im Jahr ) und 20 € dafür, dass ich auf die
    Zusendung von Papier verzichtete. Stattdessen hatte ich mir extra ein Tablet
    für 600 € gekauft.

    Die Kollegen im Segeberger Kreistag bekommen, die genauen Zahlen
    weiss ich nicht, vermutlich Erstattungen in ähnlicher Höhe.

    Ein Tablet wird ihnen neuerdings gestellt, schrieb letzte Woche eine örtliche Zeitung.

    Immerhin 9 Personen vertreten uns in BSE, unserer Kreisstadt.
    Der Aufwand, dorthin zu kommen, ist enorm.
    Mit dem Auto ca. 40 Minuten Minuten hin und 40 Minuten zurück.

    Den Zeitaufwand hatte ich in Henstedt-Ulzburg nicht. Das Rathaus war
    bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar.

    Der Bürgervorsteher bekommt monatlich 375 €. Sein Kollege im viel kleineren
    Kaltenkirchen erhält 587 €. Das ist auch der Höchstsatz bei Orten dieser Größe.

    Die Fraktionsvorsitzenden bekommen 160 € im Monat, egal, ob die Person
    eine große oder eine kleine Gruppe leitet.

    Diese Summen legt jede Kommune für sich fest. Soll heißen, die
    Gemeindeverteter legen selber fest, was ihre Spitzenleute erhalten sollen.

    Über die steuerliche Betrachtung will ich hier gar nichts schreiben.

    Nee, Herr Michelsen, reich wird man in der Gemeindepolitik nicht.
    Noch nicht mal eine Freikarte für das Beckersbergbad gibt es.

    Gemeindepolitik und Kreispolitik ist Hobby, mehr nicht.

    Zumindest für die allermeisten Vertreter.

    Das es Einzelne gibt, die von politischen Handlungen finanzielle
    Vorteile haben ( können), ist ein anderes Thema.
    Das Faß mache ich an dieser Stelle nicht auf.

    Aber Sie, Herr Michelsen, mit ihren großen Kenntnissen, können uns dazu
    sicher eine kleine Abhandlung schreiben.

    1. Waren Sie etwa nicht beim konspirativen Treffen dabei als das geklärt wurde? Die werden direkt auf das eigens dafür eingerichtete Schweizer Nummernkonto überwiesen.

      Das ist natürlich streng vertraulich, ich bitte also alle Mitlesenden diesen Beitrag zu ignorieren

    2. …..nun ja, das fängt ja klein an….. Sitzungsgelder, zeitnabhängig. Zuerst in der Kommunalpolitik ein wenig Sitzungsgelder für Gemeindesitzungen und Ausschüsse, Aufstockung als Bürgervorsteher denkbar, dann Kreistag und dann Landtag. Dann beginnt die „höhere Stufe“ in der Bundespolitik. Einkommenverbesserungen entscheidet man das selbst – so mancher Arbeitnehmer wird da neidisch, aber Chefs halten von diesem System nicht sehr viel.
      Aber wer in der Bundespolitik ist, der hat so Nebenjobs in Aufsichtsräten, Verwaltungsräten, Vortragsreisen…..die Liste der Nebeneinkünfte in Berlin ist ja einsehbar im Netz…..
      Und wenn man dann noch einen guten Freund in Moskau hat…….
      Beliebt sind auch Versetzungen nach Brüssel……..
      Viel Spaß bei der Politikerkarriere und Erfolg dank Beziehungen,

      1. Genau. Ein Skandal. Zeitunabhängige Aufwandsentschädigungen für die Sitzungsteilnahme. 25€ pro Sitzung des UPA. Mindestens 3 Stunden Sitzungszeit, normalerweise 6-8 Stunden Vorbereitung (wenn’s schnell gehen muss). Aufwandsentschädigung pro Stunde also also rund 2,50 €.
        .
        Ach ja, Getränke während der Sitzung sind selber zu bezahlen.
        .
        Und steuerpflichtig ist das Ganze auch noch. Die Getränke können als Aufwand übrigens nicht steuermindernd angesetzt werden.

        1. Sie vergessen dass das ja nur das Sprungbrett ist. In der nächsten, spätestens übernächsten Legislaturperiode werden die meisten unserer Gemeindevertreter im Bundestag sitzen und dann auf Kosten des Steuerzahlers im Wochentakt die Diäten erhöhen bevor sie sich nach Brüssel absetzen.

        2. …..und wenn man gleichzeitig kommunal, im Kreis und im Landtag seine Zeit verbringt zu den Terminen, dann kommt da doch ein nettes Sümmchen zusammen….
          Schließlich geht man ja freiwillig in die Politik und wird nicht gezwungen….sofern man nicht gerade ehrenamtlich Sport betreibt, teils als Aktiver, als Trainer / Betreuer ohne große Gage…..
          Und es gibt auch auch so rein zufällig noch nette Empfänge mit Büffet…..

  2. Da gibt es doch einen alten Song von Reinhard Mey zum Thema Politik:
    Was kann schöner sein auf Erden,
    als Politiker zu werden.
    Vom Überschuß der Diäten
    platzen Dir die Taschen aus den Nähten.
    Du kannst Dir auf leisen Sohlen
    Dein Schäfchen Dir ins Trockene holen.
    Prost, es lebe die Partei,
    frisch und fromm und steuerfrei.

    Die folgenden Zeilen in Sachen „Immobilien / Kasulske“ möchte ich hier nicht publizieren.
    Einfach ‚mal reinhören……wenn man Zeit und Lust hat.
    Der alte deutsche Barde war auch nie in unserer Gemeinde……..
    Ähnlichkeiten wären wie immer bei künstlerischen Dingen rein zufällig und nicht bearbsichtigt.

  3. Geheimwahl, knappes Ergebnis, das spielt doch alles keine Rolle. Das Amt ist übergeben. Wozu dafür der Firlefanz veranstaltet wird, bleibt vage im Bereich der Vermutungen. Aber ob sich potenziell sehr gut geeignete Mitbürger noch in der Lokal-Politik engagieren wollen, wenn man solche Artikel liest, bleibt fraglich. Kleinkriegsszenarien inkl. Zeitdiebstahl und ein riesiger Aufwand (wie im UPA-Vorsitz) blocken Attraktivität und Motivation. Ebenso, wie ein ordentliches Potenzial von persönlichen Anfeindungen und Ächtung durch „interessierte und kommunikative Mitbürger“, die die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei polemisieren und sogar meinen, dass einzelne Parteien / Politiker deren Leben grundsätzlich verschlechtern, und deshalb auch jedwede Beschimpfung ertragen müssten. Dieser Tage ist der Grat zwischen sachlicher Auseinandersetzung und dumpfem Hafengesang weggeschlagen, und zwar im Großen wie auch im Kleinen der Politik. Wäre ein schönes Signal gewesen, schlichtweg eine offene Wahl mit großer Zustimmung durchzuführen, um sich dann wirklich wichtigen Dingen zu widmen. Ist es inzwischen auch vor der Haustür zu spät für „ordentliche“ Politikarbeit?

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