„Es war anstrengend, so zu sein, wie die anderen mich haben wollten“ Eine biografische Autorenlesung in der Galerie Sarafand

Autorinnen unter sich: Charlotte Richter-Peill (rechts) fachsimpelte mit Susanne Bienwald
Autorinnen unter sich: Charlotte Richter-Peill (rechts) fachsimpelte mit
Susanne Bienwald

Die Sonne, die sich in den letzten Wochen so rar gemacht hatte, leuchtete an diesem Sonntag besonders hell durch die Galerie Sarafand – passend zu der sensiblen Autorenlesung mit Susanne Bienwald, die dem zahlreich erschienenen Publikum einen subtilern Einblick in ihre Autobiographie „Wittensee“ gewährte.

Gleich zu Anfang gestand die Autorin , dass sie bereits mit zwölf Jahren beschlossen hatte, Schriftstellerin zu werden. Der Auslöser war ein Buch von Heinrich Böll, das ihr so gefallen hatte, dass sie an ihn schrieb. “Und er hat mir tatsächlich geantwortet“, freut sie sich heute noch. Aufgewachsen inmitten von fünf Geschwistern brauchte sie unbedingt einen Rückzugsort, um sich dem Bücherschreiben widmen zu können, zumal sie zu den Menschen gehört, die als hochsensibel gelten und mit der lauten Umwelt nur schwer zurechtkommen.

Umso feinfühliger lesen sich ihre Texte, die von einer geradezu fotografischen Beobachtungsgabe zeugen und den Leser auch atmosphärisch in ihren Roman mitnehmen.   Wie durch ein Vergrößerungsglas sieht und beschreibt Susanne Bienwald die Befindlichkeiten von Xenia, der Protagonistin ihres Romans „Wittensee“. Und noch bevor plötzlich ein höchst interessanter Mann in ihr Leben tritt, wird sie von ihren Eltern nach Amerika in eine Familie geschickt, um endlich aus ihrem schüchternen Ccocon herauszukommen und sich von dem pulsierenden Leben in Dallas mitreißen zu lassen. Aber: In der Schule war sie zu still und zu verträumt, obwohl sie die Fächer mochte und auch Spaß daran hatte – aber die erforderliche Gruppenarbeit war für sie die Hölle. „Es war anstrengend so zu sein, wie die anderen mich haben wollten.“

Die Gastfamilie kümmerte sich um so mehr Xenia, aber , aber die positive Reaktion auf Westernkleidung, Einkaufsbummel und lange TV-Abende blieb aus. Sie reagierten enttäuscht. Dazu kam, dass die Schule für Xenia wie ein Ort der Verdammten war. Für die amerikanische Familie war ihr Rückzug aus dem amerikanischen Social Life krankhaft und führte dazu, dass die Familie sie nach Hause schickte. Sie nannten Xenias Verhalten soziale Angststörung, für die es kleine Pillen gab, die immer halfen – eine schöne und einfache Methode. Aber Xenia lehnte ab.

Und wie das bei Autorenlesungen so ist, wird natürlich nicht das ganze Buch am Stück vorgelesen, sondern besonders prägnante Stellen heraus gepickt, die einfach Lust aufs Weiterlesen machen. So auch die Begegnung zwischen der Studentin Xenia und dem berühmten Dokumentarfilmer Ludwig Hirsch, der ein Gastsemester in Hamburg gab.

„Mein Regisseur war mein Dozent. Er teilte uns gleich am ersten Tag mit, dass ein Ausflug geplant sei, auf dem jeder einen Fünf-Minuten-Beitrag zum Besten geben solle. „So lerne ich Sie aufs Angenehmste kennen.“ Xenia beeindruckte ihn wie folgt: „Ein Gespräch sollte wie ein Tanz sein, wie so ein altmodischer. Es gibt dabei einen, der führt, der die Verantwortung übernimmt.“ Der Dozent ist begeistert. „“Kluge Erklärung!! Großartig, einfach großartig!“ Die Spannung, die in diesem Augenblick zwischen ihnen herrschte, konnte den anderen nicht entgangen sein … In 45 Minuten wollten sie sich treffen. Zum Kaffeetrinken. „Ich würde mich gern ausführlich mit Ihnen unterhalten.“ Und Xenia dachte: Wenn wir ein Paar wären – wer von uns würde da wohl die Führung übernehmen?

Allein diese Begegnung verführt zum Weiterlesen, obwohl mehrere Zuhörerinnen in der Pause auf Susanne Bienwald zugingen und meinten, dass sie sich vor allem in der Beschreibung ihrer Kindheit wiedererkennen würden. Mit den gleichen Empfindungen, mit den Reaktionen der Umwelt auf ihr schüchternes Verhalten. Kein Wunder also, dass die zehn Exemplare ihres Buches „Wittensee“, 29 Kapitel, 220 Seiten, zum Preis von 15 Euro im Kadera Verlag erschienen, am Ende der Lesung sofort verkauft waren. Die meisten mit Widmung der Autorin.

Gabriele David

15. Oktober 2017

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