Philosophischer Salon: Vom tätigen Leben – Wie wollen wir am öffentlichen Leben in Selbstverantwortung mitwirken? Zur Philosophie Hannah Arendts

Referent Henry Holland ist Gastgeber des Pilosphischen Salons
Referent Henry Holland ist Gastgeber des Philosphischen Salons

Die Veranstlung findet am Mittwoch, 6. Juli von 19.00 bis 21.00 Uhr in der Galerie Sarafand, Schultwiete 2 statt.

Hannah Arendt (1906-1975) hat immer wieder betont, dass ihre Arbeit nicht als Philosophie sondern als politische Theorie zu verstehen ist. Deswegen stritt sie es ab, als Philosophin bezeichnet zu werden. Dennoch ist sie bis heute als einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts akzeptiert.   Ihr Hauptwerk „Vita activa oder Vom tätigen Leben“— auf Deutsch 1960 veröffentlicht und zuvor in der englischsprachigen Originalfassung 1958 unter dem Titel „The Human Condition“ herausgegeben –, enthält Analysen, die all unsere Wirkungen in der Öffentlichkeit betreffen und sie entschlüsseln können.

Ausgehend   von   einer   Unterordnung menschlicher   Aktivitäten   in   einem tätigen   Leben   in   drei Komponenten – Arbeit, Herstellen und Handeln –, kommt sie zu einer Auffassung vom Verhalten in der heutigen Zeit, in der fast nur gearbeitet und kaum noch gehandelt oder hergestellt wird. Denn im Gegensatz zu ihrer alltäglichen Bedeutung hat Arendt diesen drei Begriffen eine sehr eigene Prägung gegeben. Nach ihrem Modell ist „Arbeit“ ausschließlich als die Arbeit zu verstehen, die das Überleben unserer Spezies Mensch dient. Wenn das Weiterbestehen der Menschen dank der Arbeit   relativ   stabil   läuft,   fängt der Mensch sowohl mit „Geist“ als auch mit „Kraft“ an, Dinge herzustellen, die seine Zeit auf der Erde überleben werden: Eine Keramikschale, ein Haus, ein Trinkbecher für Rituale, eine funktionierende Vorlage für einen E-Book-Reader. Als dritte Komponente gibt es das Handeln, das nur   zwischen den Menschen geschehen kann.   Dieses   schließt   das   Verhandeln   über   die   ökonomische   Macht   des   Gearbeiteten   und   des Hergestellten mit ein, wächst aber auch weit über dieses hinaus. Jeder Kommunikationsakt kann auch als Handeln gedeutet werden. Umgekehrt sind wir   für andere handelnde Menschen erst dann als Menschen wahrnehmbar, wenn wir auch selbst handeln. Und dieses geht immer mit Kommunikation einher.

Aus ihren Erlebnissen und Aufzeichnungen des Lebens in der amerikanischen Gesellschaft, in der sie ab 1941 eine neue Heimat fand, zog Arendt   folgendes Fazit: Die Ökonomie prescht   immer weiter   in den öffentlichen Raum vor. Damit gewinnt die Arbeit an sich die Deutungshoheit über die anderen zwei Komponenten,   über   das Herstellen   und   das Handeln. Nach   diesem Schema werden   gesellschaftliche Konflikte vorwiegend mit Bezug auf „die Bedürfnisse der Arbeit“ – d.h. mit Bezug auf die Bedürfnissen der Firmen,   die   die   größten   Umsätze   aus   der   Produktion   Konsumgüter   schöpfen,   „gelöst“.   Ob   solche „Lösungen“ im Sinne von uns Menschen sind, die die Arbeit und das Herstellen vollziehen, wird, nach Arendts Analyse, kaum mehr (ausge)-handelt, sondern vielmehr schweigend hingenommen. Arendt postuliert, dass der Mensch im Laufe dieses Prozesses zu einem „Animal laborans“, einem arbeitenden Tier wird, der sehr wohl noch fragt, wie dieser oder jener Schritt der Arbeit hinzubekommen ist, der aber die Frage ablehnt, warum er diese Arbeit überhaupt macht.

Schüler und Kritiker Arendts sehen das grundsätzlich anders. Der amerikanische Soziologe Richard Sennett   (geboren   1943),   der   u.a.   auch   Geschichte   bei   Arendt   studierte,   wirft   der früheren Geisteswissenschaftlerin   vor,   „den   praktisch   tätigen Menschen   zu   zerlegen“,   durch   ihre Unterscheidung zwischen   den   Kategorien   „Animal   laborans“   und   „Homo   faber“   (der Mensch   als   Handwerker).   Sein intellektuelles Projekt ist es hingegen, sich für eine tiefere und neu strukturierte „Zusammenarbeit“ (siehe sein Buch mit diesem Titel, 2012)   zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen der arbeitenden und herstellenden Menschen einzusetzen. Denn laut Sennett kann der „Animal laborans“ sehr wohl denken, die „Warum-Frage“ stellen, und soll sogar der „Homo faber als Führer dienen“ (siehe Sennetts „Handwerk“ von 2008).

Nehmen Sie am 6. Juli mit Ihren handelnden Gedanken zum Thema teil und haben Sie Freude an einem tiefgehenden und informierten Gespräch.   Für alle Interessierten,   ganz   gleich ob ohne oder mit philosophischen Vorkenntnissen. Der Eintritt kostet 15 Euro. arten sind ab sofort bei Angelika Dubber unter Tel. 04391/63 43 zu reservieren.

Aufgezeichnet von Gabriele David

29. Juni 2016

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